Leipzig. Vor der Ratsversammlung am Mittwoch sorgt der Migrantenbeirat erneut für Zündstoff. Bei der Berufung des Gremiums im Juni durch den Stadtrat war eines des 16 nominierten Mitglieder durchgefallen. Für die Nachbesetzung in dieser Woche schlägt Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) dem Rat die aus der Ukraine stammende Daria Baumann vor. In einem Brandbrief hat sich jetzt der Beirat selbst zu Wort gemeldet. Und das sächsische Oberverwaltungsgericht ist mittlerweile auch involviert.

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Der Migrantenbeirat ist eine Vertretung sachkundiger Bürger, die den Stadtrat insbesondere in Fragen unterstützen, die die Menschen mit Migrationsgeschichte in Leipzig betreffen und diesen eine Stimme in der Kommunalpolitik gibt.

Beirat wirft Stadtrat Missachtung des Wählerwillens vor

Einer Online-Wahl unter den Einwohnern mit ausländischen Wurzeln hatten sich im April 50 Bewerber gestellt, die sich auf acht Herkunftsregionen verteilen. Je Region wurden die zwei Bewerber mit den meisten Stimmen dem Stadtrat zur Berufung in den Beirat vorgeschlagen. Außer im Fall von Mohamed Okasha folgte der Rat dem Wahlergebnis.

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Dem Ägypter, der schon einmal Vorsitzender des Migrantenbeirats, nach dem Vorwurf des Antisemitismus jedoch zurückgetreten war, verweigerte der Stadtrat im Juni die erneute Berufung. Okasha war daraufhin außer sich vor Zorn. Sein Ausschluss zeige „das wahre Gesicht dieser rechten heuchlerischen Parteien (AFD, CDU, BSW, SPD, 2 aus den Grünen!!!)“, ätzte er auf Instagram.

Der Migrantenbeirat, der mittlerweile seine Arbeit aufgenommen hat, kritisierte das Vorgehen des Stadtrates aber selbst auch scharf. „Die Entscheidung, ein gewähltes Mitglied nicht zu berufen, hat bei vielen Migrantinnen und Migranten Enttäuschung, Demotivation und das Gefühl politischer Ohnmacht und Missachtung ihres Wahlwillens ausgelöst“, schrieben die Mitglieder in einem Brief an Stadträte und Oberbürgermeister.

Tatsächlich hatten an der Online-Wahl von 75.000 Wahlberechtigten nur 6,6 Prozent teilgenommen, weniger als im Jahr 2021. Der Beirat forderte in dem Brief dennoch „die vollständige Umsetzung des Wahlergebnisses“ und die Berufung Okashas auf der nächsten Stadtratssitzung.

Vorwurf: Benachteiligung kleiner Migrantengruppen

Auch Robert Alia sieht sich durch die geplante Nachbesetzung in seiner Kritik an dem Verfahren zur Bildung des Migrantenbeirates bestätigt. Der Albaner, der selbst für das Gremium kandidiert hatte, aber nicht genügend Stimmen bekam, sieht kleine Migrantengruppen wie etwa die vom Balkan strukturell benachteiligt. Mit Daria Baumann, die aufgrund ihres Stimmenergebnisses auf der Nachrückliste ganz oben steht, wäre die ukrainische Community dann mit drei Personen vertreten und damit „deutlich überrepräsentiert“, wandte Alia gegenüber der LVZ ein.

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Er hatte bereits im Juni das Verwaltungsgericht Leipzig angerufen, um die Bestellung des Migrantenbeirates in seiner jetzigen Form zu verhindern. Die Richter wiesen den Antrag allerdings ab. Mittlerweile liegt eine Beschwerde gegen den Beschluss zur Entscheidung beim sächsischen Oberverwaltungsgericht, wie ein Sprecher des Gerichts am Montag auf LVZ-Anfrage bestätigte.

Weitere Themen am Mittwoch im Stadtrat

Bei der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2025/26 im März hatte sich der Stadtrat dazu verpflichtet, das Haushaltsdefizit bis zum Jahr 2027 um mindestens 100 Millionen Euro zu verringern. Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) setzte in den vergangenen Wochen den Rotstift an und legt jetzt ein Maßnahmenpaket mit einem Konsolidierungsvolumen von zunächst 26,2 Millionen Euro für 2025/26 vor, über das der Rat entscheiden muss.

Außerdem soll der Neubau der Hans-Beimler-Grundschule für 49 Millionen Euro in Möckern auf den Weg gebracht werden. Für das Schulzentrum am Gerichtsweg braucht die Stadtverwaltung Geld. Die Baukosten für das Projekt haben sich um 6,4 auf 66 Millionen Euro verteuert. Auf der Tagesordnung steht ebenso eine Verlängerung von Bankbürgschaften von bis zu 60 Millionen Euro für das kommunale Krankenhaus St. Georg bis Ende 2029.

LVZ