Wer häufiger am Hauptbahnhof unterwegs ist, weiß, dass sich in den letzten Jahren etwas am Bild des Vorplatzes verändert hat. Etwa 25 Menschen verbringen hier regelmäßig die Nacht. Um ihnen ein Angebot zu machen, das sich von der Männer- und Frauenübernachtungsstelle sowie der Notschlafstelle am Schwanenwall unterscheidet, will die Stadt nun ein Containerdorf an der Nordseite des Bahnhofs errichten. Das ist eine der Maßnahmen, die der Sonderstab „Ordnung und Stadtleben“ momentan umsetzt und die Ordnungsamt, Gesundheitsamt und der OB am Dienstagvormittag im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierten.

Containerdorf hinter dem Hauptbahnhof
Bereits im September sollen die Container hinter dem Hauptbahnhof, die mit Betten, Tischen und Stühlen eingerichtet sind, bezugsfertig sein. Maximal drei Personen finden in einem Container Platz, können aber auch von Einzelpersonen genutzt werden, sodass insgesamt bis zu 30 Menschen an der Treibstraße unterkommen können. Den Weg hierher soll die Zielgruppe unterstützt durch Street Worker*innen finden. Diese stehen in regelmäßigem Kontakt zu den Menschen, die die bestehenden Übernachtungsangebote „höchst ungern oder gar nicht“ nutzen, wie Oberbürgermeister Westphal beschreibt. Einen Sicherheitsdienst aber gibt es auch hier, der belegte Container jedoch nicht betreten soll.

Containerdorf und Nachtcafé: Wie die Stadt mit Obdachlosigkeit und Drogenkonsum umgehtOrdnungsdezernent Norbert Dahmen (r.) sieht in aggressiven Betteln eine Belästigung.

Zwangsgeld bei „aggressiven Belästigungen“
Auf diese Weise bemüht sich die Stadt sowohl den Bedarfen der Betroffenen zu entsprechen als auch das Verbot umzusetzen, im öffentlichen Raum zu „campieren“. Diese Doppelstrategie fährt sie auch, was „aggressive Belästigungen“ in der Innenstadt betrifft. Wer mehrfach beim Betteln oder bei anderen Störungen des „Einkaufserlebnisses“ oder der „Aufenthaltsqualität“ erwischt werde, so Ordnungsdezernent Norbert Dahmen, könne mit einem Zwangsgeld von 250 Euro belegt werden. Werde dies nicht gezahlt, greife die Stadt nun gegebenenfalls auch zu Ersatzwanghaft von 12 bis 25 Tagen.

Die Menschen aber lediglich dazu zu bewegen, nicht erneut auffällig zu werden, ist laut Dahmen „zu kurz gesprungen“. Aus diesem Grund erfolge mit jeder Verwarnung auch eine Meldung an das Gesundheitsamt „mit der Hoffnung, dass ihnen geholfen werden kann“, so  OB Westphal.

Containerdorf und Nachtcafé: Wie die Stadt mit Obdachlosigkeit und Drogenkonsum umgehtIm Februar brachten u. a. (v. l.) Gesundheitsamtsleiter Holger Keßling, Michael Schneider vom Gesundheitsamt und Robert Litschke vom Kommunalen Lagerzentrum die Freifläche am Drogenkonsumraum an den Start. (Archivfoto: Wir in Dortmund)

Nachtcafé und Drogenkonsumraum
Aus dieser Haltung heraus ist über den Containerstandort hinaus ein weiteres Angebot an den Start gegangen. Momentan nur mittwochs und donnerstags, ab September aber auch dienstags und perspektivisch das ganze Jahr über öffnet seit kurzem das Nachtcafé am Schwanenwall 42, wo sich auch das Café Flash und die Notschlafstelle befinden. Von 22 bis 6 Uhr erhalten hier bis zu 30 von Obdachlosigkeit Betroffene eine Aufenthaltsmöglichkeit, eine Toilette sowie kostenlose Speisen und alkoholfreie Getränke. Allzu restriktiv geht es hier aber nicht zu, wie Michael Schneider vom Gesundheitsamt erklärt: „Ein Bier ist gestattet.“ Außerdem gibt es eine Kabine, in der geraucht werden darf. Auch Kondome und saubere Spritzen sind hier zu haben.

Der Konsum harter Drogen jedoch ist im Nachtcafé nicht gestattet. Dafür gibt es den Drogenkonsumraum am Grafenhof und ab Dezember den Interimsstandort an der Rheinischen Straße. Die Wirkung der Freifläche, die die Stadt im Februar in der Innenstadt eingerichtet hat, bewertet Schneider durchweg positiv. Bis zu 45 Menschen fänden „zu Spitzenzeiten“ den Weg hierher und er beobachte, auch im Austausch mit Anwohnenden, Gewerbetreibenden sowie dem Hilfesystem, eine „deutliche Entlastung des Umfeldes“. Auch die Polizei sei hier intensiv involviert.

Containerdorf und Nachtcafé: Wie die Stadt mit Obdachlosigkeit und Drogenkonsum umgehtPolizeipräsident Gregor Lange (l.) ist davon überzeugt, dass die Dortmunder Innenstadt sicher ist.

Kriminalität gesunken
Für Polizeipräsident Gregor Lange war es „eine sehr gute Idee, dass wir die Kräfte bündeln“. Die Zahlen, die er in die Pressekonferenz mitbrachte, sprechen für sich. So verzeichnet die Polizei in der Innenstadt im Zeitraum Januar bis Juli 2025 eine um über 13 Prozent gesunkene Kriminalitätsrate im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Jahr 2024. Dabei greift Lange die Straftaten mit Messern heraus, die für sich betrachtet um knapp 9 Prozent zurückgegangen sind, was der Polizeipräsident auch auf individuell ausgesprochene Trageverbote und Gefährderansprachen zurückführt. Möglich seien dieser und andere Erfolge mithilfe der Hundertschaft der Bereitschaftspolizei, die Lange im Rahmen der Gründung des Sonderstabs vor zwei Jahren beim Innenministerium angefordert habe. Zusätzlich soll am 1. Oktober ein Gewaltkommissariat an den Start gehen. „Die Dortmunder City ist eine sichere City“, ist der Polizeipräsident überzeugt. Damit schlägt er in eine wichtige Kerbe des Sonderstabs „Ordnung und Stadtleben“, der nach eigenen Angaben stets das Wohlbefinden der Menschen in der Innenstadt im Blick hat.

Containerdorf und Nachtcafé: Wie die Stadt mit Obdachlosigkeit und Drogenkonsum umgehtOberbürgermeister Thomas Westphal bestätigt die Wirkung der Reinigungsmaßnahmen in der Innenstadt.

Reinigung und Rattenbekämpfung
In diesem Zusammenhang ging Oberbürgermeister Westphal zum Ende der Pressekonferenz hin noch auf ein weiteres Arbeitsfeld des Sonderstabs ein. Dass die EDG nämlich ihre Reiningungsschichten in der Innenstadt und der Nordstadt verstärkt habe, habe zu verschiedenen Rückmeldungen geführt, „dass es deutlich, deutlich sauberer geworden ist“. Inzwischen habe auch eine Fachkraft für Rattenbekämpfung ihre Arbeit in der Stadtverwaltung aufgenommen, die im ständigen Austausch mit den Gebäudeeigentümer*innen stehe. So sei es beispielsweise an vielen Stellen notwendig, die Größe der Abfallbehälter zu steigern.

Dynamische Entwicklungen
Nach zwei Jahren Arbeit zeigt die Einrichtung des Sonderstabs „Ordnung und Stadtleben“ offenbar Wirkung. Aber „die Entwicklung ist natürlich dynamisch“, wie Oberbürgermeister Westphal einräumt. Beispielsweise habe man auf den steigenden Trend, Lachgas zu konsumieren, reagieren müssen. So hat die Stadt Kioskbesitzer*innen kontaktiert, um ihnen klar zu machen: Wer Lachgas an Kinder oder Jugendliche verkauft, „der muss mit einem ordentlichen Bußgeld rechnen“, erklärt Ordnungsdezernent Dahmen. Gleichzeitig aber laufen Aufklärungskampagnen an Schulen und Jugendeinrichtungen, die stets auch die Eltern in den Blick nehmen.

Auf diese Weise will der Sonderstab stets Augen und Ohren offenhalten und entstehende Probleme unter den Prämissen Prävention, Hilfe und Repression angehen. Und die Tendenz, die Hände in den Schoß zu legen, zeigte zumindest bei der Pressekonferenz im Rathaus niemand.