Die schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft reißen nicht ab. Die jüngste Zolleinigung mit den USA kann den Automobilsektor in der Landeshauptstadt erheblich Umsatz und Gewinn kosten. Das träfe die Stadt unmittelbar über die Gewerbesteuer. Sie ist bereits stark eingebrochen. In diesem Jahr wird mit maximal 850 Millionen Euro gerechnet, 2024 waren es noch 1,31 Milliarden Euro.

Ultimativer Sparappell

Stuttgarts OB Frank Nopper (CDU) will dem Gemeinderat am 25. September seine Vorschläge für den nächsten Doppelhaushalt 2026/2027 vorlegen. Der Rahmen für Investitionen ist eng. Wie eng, macht Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) deutlich. Er hat vor wenigen Tagen schriftlich einen ultimativen Sparappell an alle Bürgermeister, Amtsleitungen und die Betriebsleitungen der Eigenbetriebe gerichtet. Die Defizite im Ergebnishaushalt, aus dessen Überschuss Investitionen bestritten werden und der deshalb einen positiven Saldo ausweisen müsste, sind zu hoch. Das Minus steht 2026 aktuell bei 750 Millionen, 2027 bei 540 Millionen Euro. Bereits in diesem Jahr wird die seit 2018 schuldenfreie Stadt voraussichtlich 889 Millionen Euro mehr ausgeben als einnehmen und Rücklagen aufzehren. In der Summe – bis Ende 2027 ein Verlust von 2,3 Milliarden Euro – ist das für Fuhrmann nicht tragbar: „Ein Umdenken und eine neue Ausgabendisziplin sowie konsequentes Gegensteuern sind zwingend erforderlich“, schreibt er in seinem Brandbrief.

14 Tage Zeit für Kürzungen Marode Schulklos werden auch in Stuttgart weiterhin zu sehen sein (Symbolbild). Foto: Imago

Das Schreiben enthält ein Ultimatum: Fuhrmann lässt den Ämtern bis zum 29. August exakt 14 Arbeitstage Zeit, um ihre Budgets für die nächsten zwei Jahre um insgesamt 630 Millionen Euro zu kürzen. Am 1. September, dem ersten Arbeitstag nach seinem Urlaub, will er die Ergebnisse gesammelt auf seinem Tisch haben. Die Dringlichkeit kommt nicht ganz überraschend, denn seit Jahresbeginn ist klar, das die Stadt ohne Gegensteuern Richtung Insolvenz fährt. In der Anlage zu seinem Brief macht Fuhrmann jedem Amt genaue Vorgaben, sie sind mit „Einsparvorschläge“ überschrieben. So soll zum Beispiel das Tiefbauamt seinen Sach- und Transferaufwand 2026 um 10,02 Millionen Euro reduzieren. 2027 wären 10,14 Millionen einzusparen. Das Schulverwaltungsamt muss in jedem Jahr rund 30 Millionen Euro streichen, das Jugendamt 50 und dann 42 Millionen, das Jobcenter fünf und 4,1 Millionen, das Garten-, Friedhofs- und Forstamt jedes Jahr rund 2,2 Millionen Euro.

Auch die neue Einheit DO.IT, die die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigen soll und vor wenigen Wochen noch die Ausschreibung von Rahmenverträgen zur Lieferung von 12 300 Notebooks und Workstations (geschätzt für 15,6 Millionen Euro) genehmigt bekam – was den Geschäftsführer Thomas Böning in der Sitzung hörbar aufatmen ließ -, soll massiv sparen. 17 000 Smartphones sollten noch beschafft werden. 10,5 und 10,9 Millionen Euro weniger Sachaufwand sind nun für DO.IT vorgesehen, beim Kulturamt summiert sich der „Einsparvorschlag“ auf 20,6 Millionen, beim Liegenschaftsamt auf 34,6 Millionen, beim Sportamt auf fünf Millionen Euro. Auch das Sozialamt soll Federn lassen, das Minus liegt hier bei in Summe 24,8 Millionen Euro.

Die Kürzungen sollen dazu führen, das Minus im Ergebnishaushalt 2026 auf 450 und 2027 auf 210 Millionen Euro zu drücken. 2030 soll der Ergebnishaushalt dann einen Überschuss von 200 Millionen Euro ausweisen. Damit keiner im Rathaus wesentliche Teile des Brandbriefs überliest, sind Passagen in gefetteter Schrift hervorgehoben. Er erwarte „sachgerechte, zeitnah wirksam werdende Vorschläge“, so Fuhrmann, es sei „strikt zu priorisieren“. Bei der Erfüllung freiwilliger Aufgaben seien „Kürzungen, Streichungen und Verschiebungen“ ernsthaft zu prüfen.

Direkter Eingriff vorbehalten

Die Konsolidierungsbeiträge müssten „referatsbezogen verbindlich“ erbracht werden, warnt der Finanzbürgermeister. Wenn nicht, behalte er sich „weitere pauschale Kürzungsvorgaben oder direkte Eingriffe in die Budgets“ in Abstimmung mit OB Nopper ausdrücklich vor. Das gelte auch, wenn der Konsolidierungspfad vom Regierungspräsidium (RP) nicht mitgetragen werden sollte, die Rechtsaufsicht also noch tiefere Einschnitte fordert. Das RP hatte bei der Stadt mit der Genehmigung des Nachtragshaushalt 2025 erneut eine „klare Priorisierung von Aufgaben und Investitionen mit Schwerpunktsetzung auf städtische Pflichtaufgaben“ empfohlen.

Zehn Prozent weniger Personal

Auch zum Personal macht Fuhrmann in dem Papier Anmerkungen. Die Ausgaben dafür lägen bei über einer Milliarde Euro. Im Rathaus geht die Kunde, dass es keine neuen Stellen geben soll. In der letzten Zeile einer Anlage findet sich die „Reduzierung des Personalaufwands (zentral)“, die 2026 erst 50 und 2027 dann 100 Millionen Euro bringen soll. Damit müsste bis 2027 jede zehnte Stelle entfallen oder es dürfte die Mehrzahl der rund 2000 offenen Stellen schlicht nicht besetzt werden. Die Stadt hat ihre Personalkörper seit 2020 um 3250 Kräfte erweitert. Rechnerisch wurden damit jedes Jahr, auch weil die Aufgaben wuchsen, rund 600 neue Stellen geschaffen. Einen Einstellungsstopp gibt es bisher nicht, am Donnerstag hatte die Verwaltung 49 Stellen neu ausgeschrieben.

Die Bürger müssen sich außerdem zur Haushaltskonsolidierung auf höhere Gebühren einstellen. Pro Jahr sind 50 Millionen Euro an „Ertragsverbesserungen“ vorgesehen.