Berlin – London und Paris erweitern das U-Bahn-Netz konsequent, Berlin nicht. Der hiesige Widerstand dagegen ist zutiefst provinziell. Wer die U-Bahn ablehnt, der sollte aufs Dorf ziehen.

Wir drehen uns im Kreis: Alle Jahre wieder, diskutieren Politiker, Experten und engagierte Bürger darüber, ob wir mehr U-Bahn-Linien benötigen und bauen könnten. Die BVG entwickelte 2023 einen Masterplan für ganz neue Verbindungen unter der Erde. Doch immer wieder endet die Debatte im Nichts.

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So ist es auch in diesem Sommer, dabei geht es um Berlin-Spandau. Der Berliner Fahrgastverband, Verdi und Umweltverbände fordern zum wiederholten Male den Aufbau eines Straßenbahnnetzes für den Bezirk. „Jedes weitere Warten bedeutet einen Verlust an Mobilitäts-, Wohn- und Lebensqualität“, heißt es in einem Schreiben des Bündnisses „Pro Straßenbahn“, in dem sich die Befürworter zusammengeschlossen haben.

Spandau sei mit 246 000 Einwohnern mit einer Großstadt vergleichbar, verfüge aber lediglich über ein System aus Buslinien, das überlastet sei. Die Straßenbahn würde das Problem lösen. Drei Linien sollten vom Zentrum zum Falkenseer Feld, nach Gartenfeld und zur Heerstraße führen.

Das Bezirksamt Spandau lehnt die Pläne ab. Der zuständige Stadtrat Thorsten Schatz (CDU) verweist darauf, dass die Straßenbahn wichtige Hauptverkehrsstraßen einengen und zu dauerhaftem Stau führen würde.

Beide Seiten haben recht. Am Rathaus Spandau fährt zu den Stoßzeiten alle 60 Sekunden ein Gelenkbus ab und ist mit seinen rund 100 Plätzen dennoch überfüllt. Die Straßenbahn nimmt pro Zug bis zu 600 Fahrgäste auf und würde die Probleme lösen, da haben die Verbände recht. Doch was nützt es, wenn die Straßenbahn dann wiederum den Autoverkehr und vor allem den Lieferverkehr auf den Hauptstraßen behindert? Gar nichts – da hat der Stadtrat recht.

Die Lösung der Spandauer Verkehrsprobleme wäre also der U-Bahnbau. In ihrem U-Bahn-Masterplan („Expressmetropole Berlin“) von 2023 hat die BVG die notwendigen Strecken für Spandau eingetragen: Vom Rathaus Spandau geht es zum Falkenhagener Feld im Nordwesten, zur Gatower Straße im Süden und nach Staaken im Westen. In dem Masterplan findet man auch neue Linien nach Steglitz, Lichtenrade, Reinickendorf und Weißensee, die genauso dringend gebraucht werden, wie in Spandau.

Widerstand gegen die U-Bahn ist zutiefst provinziell

Wer solche Pläne vorstellt, löst eine Welle der Empörung aus. Zu teuer sei der U-Bahnbau vor allem, sagen die Gegner. Wenn sich aber unsere Vorfahren nach diesem Argument gerichtet hätten, dann hätten wir heute überhaupt keine U-Bahn.

Und schauen Sie mal nach London und Paris: Da werden ganz neue Strecken unter den Städten hindurchgegraben – übrigens mit deutscher Technik. England und Frankreich sind nicht reicher als Deutschland und bauen dennoch neue U-Bahn-Linien in ihren Hauptstädten – weil die U‑Bahn auf Dauer die Verkehrsprobleme löst.

Der Berliner Widerstand gegen die U-Bahn ist kleines Karo und zutiefst provinziell. Wer die U-Bahn ablehnt, der sollte aufs Dorf ziehen. Da benötigt man tatsächlich keine.

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de