In den Niederlanden etabliert sich schrittweise die Vier-Tage-Woche. - Copyright: picture alliance / ROBIN UTRECHT | ROBIN UTRECHT In den Niederlanden etabliert sich schrittweise die Vier-Tage-Woche (Bild: picture alliance / ROBIN UTRECHT | ROBIN UTRECHT)

In den Niederlanden etabliert sich schrittweise die Vier-Tage-Woche – und zwar ohne große öffentliche Debatte, wie die „Financial Times“ berichtete. Nach Angaben von Eurostat, der europäischen Statistikbehörde, arbeiten Menschen zwischen 20 und 64 Jahren dort im Schnitt nur 31,2 Stunden pro Woche. Das ist der niedrigste Wert in der gesamten Europäischen Union, danach folgt Dänemark mit 33,1 Stunden. Den höchsten erreicht Griechenland mit 41 Stunden, Deutschland liegt mit 34,3 Stunden deutlich unter dem EU-Durchschnitt (36,8). In den Niederlanden gehe diese Entwicklung damit einher, dass Beschäftigte ihre Wochenarbeitszeit auf vier Tage verdichten würden. ING-Ökonom Bert Colijn sagte der Zeitung, dieses Modell sei inzwischen „sehr, sehr verbreitet“.

Ursprünglich sei der Trend in den 1980er- und 1990er-Jahren entstanden, als immer mehr Frauen in Teilzeit in den Arbeitsmarkt eintraten. Das Steuersystem habe damals das sogenannte „Eineinhalb-Ernährer-Modell“ gefördert, bei dem Männer Vollzeit und Frauen in Teilzeit arbeiteten. Mittlerweile würden sich auch viele Männer für kürzere Arbeitszeiten entscheiden – insbesondere wenn sie Kinder betreuen.

Wirtschaftlich scheint das Modell die Niederlande nicht auszubremsen, so die „Financial Times“. Trotz kürzerer Arbeitszeiten zähle das Land zu den reichsten Volkswirtschaften der EU, gemessen am BIP pro Kopf. Die hohe Produktivität pro Stunde und eine Beschäftigungsquote von 82 Prozent im erwerbsfähigen Alter würden die reduzierten Wochenstunden kompensieren. Frauen sind demnach überdurchschnittlich stark erwerbstätig, viele Menschen gehen zudem vergleichsweise spät in Rente.

Ganz ohne Nachteile sei das System jedoch nicht. Frauen würden weiterhin deutlich häufiger in Teilzeit arbeiten, was ihre Karrierechancen begrenze: Nur 27 Prozent der Führungspositionen in den Niederlanden seien weiblich besetzt. Zudem würden Teilzeitmodelle den Fachkräftemangel – etwa im Bildungssektor – verschärfen. Dennoch zeigt das niederländische Beispiel der Zeitung zufolge, dass kürzere Arbeitszeiten nicht zwangsläufig Wohlstandsverluste bedeuten. Vielmehr hänge es davon ab, wie Arbeit innerhalb einer Gesellschaft verteilt werde und welche Abwägungen zwischen Wirtschaft, Familie und Lebensqualität getroffen werden.

vn