Liebe Leserin, lieber Leser,
ein
alter Tresor in einem der größten Hotels der Stadt wird nach
Jahrzehnten zum ersten Mal geöffnet. Das klang verheißungsvoll, wie
der Beginn eines Romans. Die Szene spielte sich am Dienstagmorgen im
Hotel Reichshof ab: In einer Ecke der Eingangshalle drängten sich
neugierige Mitarbeiter und Journalisten vor einem fast zwei Meter
großen, schwarz lackierten Tresor. Ein Techniker hantierte schon
seit Stunden an den Schlössern. Als die stählerne Tür langsam
aufschwang, war die Spannung greifbar. Im Inneren lagen dann aber
keine verborgenen Schätze – sondern Quittungen, alte Dienstpläne
und ein paar Gutscheine aus den Sechzigern, Coupons für
Hafenrundfahrten.
Sie
wisse nicht recht, ob sie jetzt enttäuscht oder erleichtert sei,
sagte Hoteldirektorin Kathrin Wirth-Ueberschär. Und fügte dann nach
kurzem Überlegen hinzu: Sie sei doch erleichtert – denn im Tresor
fanden sich keine Stücke aus der NS-Zeit. „Das
wäre eine große Hypothek gewesen.“
Die
Direktorin spielte damit auf ein besonderes Kapitel Hotelgeschichte
an: Es hätte gut sein können, dass in dem Tresor die Habseligkeiten
emigrierter Juden und Jüdinnen liegen. Denn während der NS-Zeit
hielt die damalige Hotelbesitzerin Martha Langer jüdische Menschen
versteckt. Sie ließ dafür neue Wände hochziehen, wodurch geheime
Räume entstanden. Innerhalb des Hotels konnten sich die heimlichen
Gäste bewegen, doch wann immer Gestapo-Leute auftauchten oder
größere Empfänge stattfanden, zogen sie sich in die sechste Etage
zurück. Martha Langer versorgte die verfolgten Juden mit Nahrung,
Geld und Papieren, mit denen diese das Land verlassen konnten.
Wertgegenstände, die sie nicht mitnahmen, wurden sicher verwahrt –
in mehreren Safes und Tresoren im Hotel. Dass dieses Geheimnis nie
aufflog, grenzt an ein Wunder. Nach außen galt Langer als „Grande
Dame der Hotellerie“,
sie trat der NSDAP bei, spielte – so erzählte es später der
langjährige Empfangschef Ary Schwantes – im Hotel mit
Gestapo-Männern Karten, während sie im selben Haus Juden
versteckte. Die Grande Dame starb 1973. Noch Jahrzehnte später
riefen Angehörige aus den USA im Hotel an und fragten nach den
Sachen ihrer Verwandten.
Auch
wenn sich diesmal nichts Spektakuläres fand – keine Fotos oder
vergilbten Briefe –, ist der geöffnete Tresor ein Anlass, daran zu
erinnern, dass es in dieser Stadt immer auch Mut und Menschlichkeit
gab. Und das wiegt schwerer als jeder Schatz.
Ich wünsche Ihnen einen
schönen Tag!
Ihre
Annika Lasarzik
WAS HEUTE WICHTIG IST
© Marcus Golejewsk/dpa
Nach
dem verheerenden Großbrand
auf der Veddel
ist das größte Feuer in einer Lagerhalle gelöscht, doch die
Nachlöscharbeiten dauern an. Rund 120 Feuerwehrleute bekämpfen
weiterhin Glutnester, Explosionen von Gasdruckbehältern machen den
Einsatz gefährlich. Sechs Menschen wurden verletzt, darunter drei
Feuerwehrleute; eine Frau, die zunächst in Lebensgefahr schwebte,
ist inzwischen außer Lebensgefahr. Laut Polizei war das Feuer durch
ein brennendes Auto ausgelöst worden, explodierende Gasflaschen
wurden teils mehrere Hundert Meter durch die Luft geschleudert und
entfachten weitere Brände in der Umgebung.
© ZON
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Hamburg
will in den kommenden Jahren vor allem mehr
Lehrerinnen, Lehrer, Polizistinnen und Polizisten
einstellen. Laut Personalbericht 2025 des Senats stieg die Zahl der
Vollkräfte im Jahr 2024 in der Schulbehörde um 559 und in der
Innenbehörde – vor allem bei Polizei und Feuerwehr – um 292.
Trotz insgesamt stabiler Beschäftigtenzahlen sieht der Senat
weiterhin Probleme bei der Besetzung von Stellen im Bauingenieurwesen
und bei sozialpädagogischen Fachkräften.
Mit
sieben Kilo Fisch pro Kopf liegt Hamburg beim Fischverzehr
bundesweit
vorn – ein Anstieg um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Schleswig-Holstein und Niedersachsen belegen die Plätze zwei und
drei. Am liebsten essen die Deutschen weiterhin Lachs, dicht gefolgt
vom Alaska-Seelachs.
Nachricht des Tages
© Axel Heimken/dpa
Es
war kein Fan des FC St. Pauli, der am Samstagabend einen BVB-Fan
gestoßen und dabei tödlich verletzt
haben soll (wir berichteten). Das teilte die Staatsanwaltschaft
Hamburg der ZEIT mit. Der mutmaßliche Täter soll stattdessen
Besucher des Hamburger Doms gewesen sein, wie eine Sprecherin
erklärte. Zudem gab die Staatsanwaltschaft nähere Details zum
Tathergang bekannt: Nach
dem Spiel des FC St. Pauli gegen Borussia Dortmund kam es gegen 23.20
Uhr auf dem Harald-Stender-Platz zu einer Auseinandersetzung. Ein 39
Jahre alter, alkoholisierter BVB-Fan trat an eine Gruppe Dom-Besucher
heran und wollte sie nach Zeugenaussagen umarmen. Diese reagierten
ablehnend. Wie genau, ließ die Staatsanwaltschaft offen. Der Mann
näherte sich der Gruppe immer wieder. Schließlich stieß ihn ein
22-Jähriger zu Boden; beim Sturz erlitt der Dortmunder eine schwere
Kopfverletzung. Die Gruppe verschwand, Passanten leisteten Erste
Hilfe. Sanitäter reanimierten den Mann und brachten ihn mit einem
Notarzt ins Krankenhaus, wo der 39-Jährige am Sonntag starb. Die
Polizei ermittelte den 22-jährigen mutmaßlichen Täter und nahm ihn
in seiner Wohnung in Eimsbüttel fest. In Untersuchungshaft kam er
nicht, da keine Haftgründe wie Fluchtgefahr vorlagen. Man ermittle
nun wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge
„Wir
sind tief bestürzt über den Tod des Fans“, sagte FC-
St.-Pauli-Präsident Oke Göttlich der ZEIT. Der ganze Verein sei
schwer getroffen. In sozialen Medien spekulierten Nutzerinnen und
Nutzer über mögliche Fanrivalitäten. Auf Facebook finden sich
unter verlinkten Medienartikeln zum Vorfall auch wüste
Beschimpfungen auf den Kiez-Verein. Oke Göttlich möchte dies aus
Rücksicht auf die Hinterbliebenen des Fans nicht kommentieren. „Für
uns zählt jetzt das Beileid und nicht die Kommentierung von
Vorverurteilungen unseres Vereins.“
Tom
Kroll
In aller Kürze
• Die
Stadtreinigung Hamburg bietet ab September Haushalten mit viel
Herbstlaub eine 770-Liter-Laubtonne
an, die bis Heiligabend alle zwei Wochen geleert wird und gut 150
Euro kostet
•
Bei der Verleihung des Sport-Bild-Awards
wurde Boris Becker für seine außergewöhnliche Tenniskarriere
geehrt, während der HSV als einmaliger Doppelaufsteiger mit Männern
und Frauen in die Bundesliga den Preis „Aufsteiger des Jahres“ erhielt
THEMA DES TAGES
© Christian Charisius/dpa
„Ich habe mich
scheiße gefühlt, dass eine schwangere Frau gebüßt hat“
Sieben Monate lang
saß die Hamburgerin Yulady L. wegen Mordverdachts in
Untersuchungshaft – obwohl sie unschuldig war (in unserem Bild nach
dem Freispruch zu sehen). Nun begegnet sie im Gericht den wohl wahren
Tätern. ZEIT:Hamburg-Autorin Elke Spanner hat den Fall
aufgeschrieben; lesen Sie hier einen Auszug.
Dieses
Mal sitzt Yulady L. auf der anderen Seite des Saals. Rechts vor der
Fensterfront, auf der Bank für die Zeuginnen und Zeugen. Weiße
Bluse, Dutt auf dem Oberkopf, große Creolen in den Ohren. Die
letzten Male, als die heute 40-Jährige in Saal 237 des
Strafjustizgebäudes am Hamburger Landgericht war, war ihr Platz auf
der Anklagebank.
Lange
sah es so aus, als würde sie den Saal nur noch durch die kleine Tür
verlassen, die direkt ins Untersuchungsgefängnis führt. Yulady L.
war wegen Mordes angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihr
vorgeworfen, im Mai 2022 den Rentner Benito R. in seiner Wohnung in
Borgfelde getötet zu haben. Sieben Monate saß sie in
Untersuchungshaft. Ihr Säugling, zu der Zeit noch kein Jahr alt,
wurde von einer Pflegestelle zur nächsten gereicht, zum Vater des
Kindes bestand kein Kontakt.
Nun,
an diesem Tag Ende Juni, schaut sie von ihrer erhöhten Bank aus
direkt auf die drei Männer, die mit großer Sicherheit für dieses
Drama verantwortlich sind: die wohl wahren Mörder.
Was
Yulady L. ursprünglich zum Verhängnis wurde und wie
die Polizei doch noch auf die richtige Spur kam,
lesen Sie
weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.
DER SATZ
© Lee-Ann Olwage
„Wenn
ich schon bei fünf Dates extrem darüber nachgegrübelt habe, warum
der kein Herzchen auf meine Nachricht schickt, sitze ich beim
nächsten Date schon unter Hochspannung da, bevor ich die Nachricht
losschicke – weil ich schon wieder erwarte, dass ich kein Herzchen
kriege. Da habe ich ja einen Haufen negative Gefühle, die habe ich
mir einfach selbst zugelegt.“
Ein
komischer Blick, ein unbedachtes Wort – und schon drehen sich die
Gedanken im Kreis. Im ZEIT-Sexpodcast „Ist das normal?“ erklärt
die Hamburger Psychologin Gitta Jacob, warum wir negative Gefühle
nicht bekämpfen, sondern loslassen sollten – und wie das in
Beziehungen für mehr Gelassenheit sorgt.
DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN
Der Jüdische Salon am
Grindel hat die Journalistin und Autorin Sarah Levy zu einer Lesung
aus ihrem gerade erschienenen Buch „Kein
anderes Land“ zu Gast. Sie lebt in Israel und beschreibt, wie sich das Land –
und sie – verändert.
„Kein
anderes Land“, Lesung und Gespräch, 18. 9., 19.30 Uhr; nach
Anmeldung unter info@salonamgrindel.de oder unter 0176-21 99 82 72
wird der Veranstaltungsort bekanntgegeben.
MEINE STADT
Lost Place am Billhafen © Nora Rademacher
HAMBURGER SCHNACK
Ein
älteres Paar in Bergedorf, sie mit ihrem Rollator voraus, arbeitet
sich Schritt für Schritt zwischen den parkenden Autos vorwärts auf
den Brookdeich. Der Mann hinter ihr ist etwas abgeschlagen, stützt
sich auf Gehstock und das Geländer der Stegelbrücke – und ruft
ihr zu: „Nicht so schnell, da vorne wird geblitzt!“
Gehört
von Kornelia Matthes
Das war
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