Er war Profi-Radrennfahrer und hatte schon mit anderen extremen Touren von sich Reden gemacht: Jetzt ist der gebürtige Dresdner Markus Weinberg erneut unterwegs.
Dresden Kopenhagen.
Markus Weinberg hat schon einiges unter die Räder genommen. Zuletzt hatte der frühere Radprofi mit Filmen über eines der härtesten Bikepacking-Rennen in Kirgisistan und über den Extremsportler Jonas Deichmann für Furore gesorgt. Doch dann kamen die Corona-Pandemie und die Insolvenz seiner Eventagentur, mit der er Radrennen und Mountainbike-Reisen in den Osten organisiert hatte. Weinberg gibt aber nie auf, steht immer wieder auf – und strampelt sich jetzt für sein nächstes Projekt ab. Es ist wie meist eine Tour der Extreme: der European Connection Trail. Diese Bikepacking-Reise führt ihn rund 7800 Kilometer und 86.000 Höhenmeter quer durch Europa. Von der norwegisch-russischen Grenze geht es bis zum portugiesischen Atlantik, 14 Länder in knapp sechs Wochen – und Markus Weinberg hat dabei vor allem ein Ziel: für die Einheit Europa zu werben.
Weinberg: Europa braucht positive, versöhnliche Geschichten
Weinberg hat sich vor gut zwei Wochen auf den Weg gemacht, um im wahren Sinne des Wortes zu erfahren, „was Europa und seine Bewohner ausmacht, plagt und träumen lässt.“ Vor dem Start hatte der Filmemacher erklärt: „Ich bin von der Vision getrieben, dass Europa positive, versöhnliche Geschichten braucht. Und diese möchte ich hautnah vor Ort einsammeln, quasi mit der Bodenhaftung meines Rads, abseits von touristischen Pfaden, im Hinterland meines Heimatkontinents.“ Auf den rund 160 Kilometern, die er täglich zurücklegen will, möchte er „ein unmittelbares, ein authentisches Gefühl“ dafür bekommen und vermitteln, „was Europa zusammenhält – und was es trennt“.
Mitradler willkommen
Auf Instagram und in seinem Blog dokumentiert Weinberg, wo er in die Pedale tritt – wen er trifft und was diese Menschen und Regionen zu erzählen haben. Wer will, kann ihn gern etappenweise über 10, 50 oder auch 100 Kilometer begleiten. Zwei Termine hat Weinberg dabei fest im Blick: Nach einer Einladung ins Europäische Parlament will er auch Halt in Straßburg machen. Ein weiterer Stopp ist beim Europäischen Mountainbike-Kongress Mitte September im spanischen Boltaña geplant.
„Wir sollten den europäischen Gemeinschaftsgedanken stärker in den Mittelpunkt rücken und uns nicht auseinanderdividieren lassen“, so der Sportler, der seit dem Ende seiner Profikarriere als Journalist und Dokumentarfilmer arbeitet. Mit seinem Projekt will er Menschen motivieren, den Kontinent selbst zu bereisen.
Hommage an die Fahrradhochburgen in der EU
Die Idee für die Tour kam Weinberg, als er vor drei Jahren mit Gravelbike und Zelt durch die abgeschiedene Natur Kanadas und durch die USA bis nach Mexiko fuhr. 2019 hatte der Brite Andy Cox einen „European Divide Trail“ durch neun Länder geprägt. Statt „Divide“ („eilen“) setzt Weinberg bewusst auf „Connection“ („Verbindung“). Touristische Hotspots will er meiden und lieber auf weniger frequentierten Straßen unterwegs sein. Zudem hat er die Tour um die fünf Länder Niederlande, Belgien, Luxemburg, Andorra und Italien erweitert. „Eine Hommage an alle Gründungsstaaten und Fahrradhochburgen der Europäischen Gemeinschaft“, wie Weinberg sagt. Schlafen will der Dresdner meist im Zelt, dazu ist er als Selbstversorger unterwegs.
Überrascht von der Weite der Wildnis in Europa
Norwegen, Schweden, Finnland liegen schon hinter Weinberg. Die unberührte und menschenleere Natur, in der zwischen Städten auch mal 100 Kilometer und mehr liegen können, hat ihn „positiv überrascht. Da ist Göteborg ein komplettes Kontrastprogramm“, erklärte er am Dienstag. Da hatte er diese schwedische Großstadt aber auch schon wieder hinter sich gelassen und war in Dänemark unterwegs.
Geschichten hat Weinberg schon einige eingesammelt, so unter anderem über Jenny S., die als Sami in Lappland auf der einen Seite ein ganz gewöhnliches Leben lebt, auf der anderen aber mit ihrer Familie die alten Traditionen bewahrt. Eine andere Geschichte handelt von Ni Nolin, die in Schweden in einem Ort wohnt, in dem es schon lange keine Kinder mehr gibt. Jetzt aber ist die Unternehmerin, die auch Kinderbücher schreibt, schwanger. Nach 65 Jahren wird in diesem Landstrich also wieder ein erstes Kind geboren werden.
An Tag 11 in Skandinavien ließ Weinberg seine Fans wissen: „Heute Bärenjäger getroffen. Das war komisch.“ Er spürt aber bei seinen Begegnungen auch immer, „dass sich die Menschen ihrer lokalen Region sehr verbunden fühlen“. Zwar würden die meisten von ihnen Europa „kaum wahrnehmen“. Die Freiheit, die Europa bietet, würden aber alle enorm schätzen. Fabian Wittich, den Weinberg in Norwegen getroffen hat, bringt es so auf den Punkt: „Europa ist riesig, aber trotzdem klein, wenn man in zehn, elf Tagen mit dem Fahrrad von Deutschland bis ans Nordkap kommt.“ (juerg)
Ein Livetracking zur Tour gibt es hier.