Manchmal führen Ideen, die sich zuerst etwas abwegig anhören, zu den besten Erlebnissen. Wie die Idee, vom Rathaus Spandau bis zu mir nach Hause, nach Tempelhof, zu laufen. Als ich das erste Mal darüber nachdachte, versprach ich mir von der Joggingstrecke wenig. Durch Autofahrten verbinde ich mit dem Weg zwischen den beiden Bezirken große Straßen mit diversen Ampeln, viele Abgase und wenig Grün. Zusammengefasst also eine Strecke, bei der sich wohl die wenigsten sagen würden: Die möchte ich gern einmal zu Fuß zurücklegen.

Trotzdem unternahm ich den Versuch einer Streckenplanung mit der App Komoot. Lediglich Start- und Zielort legte ich fest, für den Weg dazwischen ließ ich der App freie Hand. Und war über das Ergebnis überrascht. Die vorgeschlagene Strecke war 21,5 Kilometer lang und damit sicherlich nicht die kürzeste Verbindung, dafür zeigte die Karte kaum Abschnitte an, die an Straßen entlang führten. Und so war ich schnell überzeugt, nach dem Treffen mit meiner Mutter (inklusive Zimtschnecke, damit der Kohlenhydratspeicher vor dem Lauf gut gefüllt ist) den Rückweg zu Fuß anzutreten.

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Halbmarathon durch Berlin: Gut, um neue Orte zu entdecken

Eine Freundin hatte sich spontan entschlossen, mich auf dem Halbmarathon durch Berlin zu begleiten, und so viel sei vorweggenommen: Ich war froh über die Begleitung. Nicht nur, weil die Zeit immer schneller vergeht, wenn man sich auf längeren Läufen unterhalten kann. Sondern auch, weil abgelegene Strecken ohne andere Menschen zwar schön sind, aber als allein laufende Frau auch schnell ein unwohles Gefühl aufkommen kann. Obwohl ich, auch das sei gesagt, in Berlin noch nie bedrohliche Situationen während des Joggens erlebt habe.

Obwohl ich in Spandau aufgewachsen bin und bis heute Familie dort habe, stellte ich nach dem Start schnell fest, dass ich einige Teile des Bezirks offensichtlich noch nicht kenne. Die Route führte uns über einen schmalen Wiesenweg in den Schanzenwald, von dem ich vorher noch nie gehört hatte. Der Schanzenwald mit der „Murellenschlucht“ ist ein Naturschutzgebiet in zugegebenermaßen überschaubarer Größe. Das Laufen dort war trotzdem die erste positive Überraschung der Strecke und beinhaltete sogar einen kleinen, steilen Anstieg – es war mehr oder weniger der einzige auf der gesamten Tour.

Lauf Spandau Tempelhof

Die Halbmarathon-Strecke führt zu großen Teilen am Wasser, wie hier an der Spree entlang.
© BM | Jessica Hanack

Hinter dem U-Bahnhof Ruhleben war dann relativ schnell die Spree erreicht, der wir über einige Kilometer gefolgt sind. Auch dieser Weg (der eigentlich seit Jahren als Spree-Rad- und Wanderweg ausgebaut werden soll, aber unter anderem aufgrund von Geldmangel bis heute nur als einfacher Pfad existiert) war vollkommen anders als das, was ich mit einer Autofahrt nach Spandau verbinde. Es war ruhig, nur wenige andere Läufer und Spaziergänger kamen uns entgegen, während wir zwischen Fluss und Kleingärten langsam auf die Innenstadt zusteuerten.

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Berlin gilt als Stadt weiter Wege, kann aber zu Fuß durchquert werden

Hinter dem Schloss Charlottenburg – von dem ich gar nicht mehr in Erinnerung hatte, wie schön es mitsamt des Parks ist – wurde es etwas städtischer. Die Orientierung zu behalten, war aber erfreulich einfach: Es ging immer weiter am Wasser entlang, zunächst an der Spree, dann am Landwehrkanal, bis wir den Park am Gleisdreieck erreichten. Und obwohl ich hier regelmäßig laufe, habe ich auch in diesem Park, dank der Streckenplanung, noch einen neuen Weg über ein ehemaliges Gleis entdeckt.

Lauf Spandau Tempelhof

Im Park am Gleisdreieck führt die Strecke über ein ehemaliges Gleis.
© BM | Jessica Hanack

Vom Park am Gleisdreieck sind es nur noch knapp drei Kilometer bis zu meiner Wohnung, sodass nach knapp zweieinhalb Stunden das Ziel erreicht war. Die Route ließ mich mit ein wenig Erstaunen zurück. Weil Berlin immer als große Stadt mit weiten Wegen gilt, aber es eben doch möglich ist, innerhalb weniger Stunden einmal durch die halbe Stadt zu laufen. Und zwar so, dass es sich gar nicht nach einer Millionen-Metropole anfühlt. Sicher ist: Es lohnt sich, unbekannte Strecken auszuprobieren und neue Ecken von Berlin kennenzulernen. Für mich wird es sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich einen derartigen Versuch unternehme. Auch dann, wenn die Route auf den ersten Blick wenig vielversprechend erscheint.