Mehrere Fälle von sexualisierter Gewalt könnte es in der evangelischen Kirche in Wuppertal gegeben haben. Sieben Monate lang haben Actenscreener insgesamt 24 Stunden in der Woche im Archiv des Wuppertaler Kirchenkreises gesessen und rund 7500 Personalakten aus den letzten 80 Jahren auf Hinweise sexualisierter Gewalt durchgesehen. Dabei wurden in sieben Akten klare Hinweise gefunden.
Alle Personalakten wurden von sieben externen Fachkräften, darunter drei ehemalige Kripobeamte, durchgesehen und auf Auffälligkeiten geprüft. Dazu zählen laut Angaben der evangelischen Kirche „plötzlichen Kündigungen, Beschwerdebriefen oder versteckten Formulierungen, die auf sexuell übergriffiges Verhalten hindeuteten“.
Die auffälligen Akten würden nun zur Prüfung bei der Evangelischen Kirche im Rheinland liegen. Diese habe unabhängige Staatsanwälte mit der vertieften Sichtung beauftragt. „Die Juristen schätzen die Relevanz nicht nur strafrechtlich, sondern auch im Hinblick auf das institutionelle Versagen der Kirche ein“, teilt die evangelische Kirche in Wuppertal in einem Statement mit.
Frank Gartmann ist einer der ehemaligen Kripobeamten, der die Akten mitgeprüft hat. Für ihn seien die Akten ein Spiegelbild der Gesellschaft, die sich laut ihm viele Jahrzehnte nicht mit sexualisierter Gewalt auseinandersetzen wollte. Zwar habe es, so sagt es Gartmann, in manchen älteren Akten „Hinweise auf ein unschickliches Verhalten“ von Pfarrern oder Jugendmitarbeitenden gegeben, die weitere Recherche sei jedoch ins Leere gelaufen. „Das wurde bewusst nicht schriftlich festgehalten“, so Gartmann.
Auch Superintendentin Ilka Federschmidt meldet sich zu Wort: „Zu oft fühlte sich niemand letztverantwortlich für die Aufklärung. Es fehlte ein klares Leitungshandeln. Wie schon in der ForuM-Studie festgestellt, wurden Betroffene oft im Sinne eines falsch verstandenen theologischen Verständnisses von Vergebung dazu gedrängt, dem Täter zu verzeihen.“ Mit dem intensiven Aktenstudium zeige die Kirche nun, dass sie die Aufklärung sehr ernst nehme, so Federschmidt. „Gleichwohl ist uns bewusst, dass die Akten nur bedingt aussagekräftig sind. Wir brauchen die Mithilfe von Betroffenen, Angehörigen und Zeitzeugen“, betont sie.