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Europa ist heute eine der beliebtesten Urlaubs- und Migrationsdestinationen. Beides ist ein großes Plus. Wir leben in Gesellschaften, um die uns viele beneiden. © Arne Immanuel Bänsch/dpa
Die Menschen haben wenig Vertrauen in Europa. Wie gewinnen wir das zurück? Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Glück ist immer auch eine Frage des Timings. Für Europa ist jetzt die Zeit, eine neue Geschichte über sich zu erzählen. Nachdem die einstigen, heute sehr unfreundlichen Supermächte kein rosiges Zukunftsbild für Europa zeichnen, müssen wir es selber machen.
Dafür können wir aus einem reichen Schatz an Geschichten schöpfen. Europa ist eine Frau in der griechischen Mythologie. Der Kontinent hat tiefe Kriegsnarben. Er hat die Welt beherrscht und ist als Imperial- und Kolonialmacht untergegangen. Reue für die unzähligen Gräueltaten empfinden die meisten Europäer und Europäerinnen auch heute. Auf diesem Fundament ist ein überstaatliches Friedensgebilde entstanden, das die schönste Hymne der Welt hat – alle Menschen werden Brüder und heute politisch korrekterweise auch Schwestern.
Europa sollte aufhören, eine Zwergengeschichte zu erzählen
Europa ist heute eine der beliebtesten Urlaubs- und Migrationsdestinationen. Beides ist ein großes Plus. Wir leben in Gesellschaften, um die uns viele beneiden. Trotzdem haben die Menschen in Europa wenig Vertrauen. Wie gewinnen wir das zurück?
Zunächst sollten wir die Zwergengeschichte, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg über uns erzählt haben, abstreifen. Menschen sind glücklicher in starker und einflussreicher Gesellschaft. Dafür braucht man nicht nur Panzer und Drohnen, sondern auch eine potente Filmwirtschaft und eine Plattformökonomie, die uns von unseren europäischen Träumen nach Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit und Nachhaltigkeit erzählt. Wir brauchen Ersatz für Amazon, Instagram, Tiktok & Co.
Europa braucht auch eine Künstliche Intelligenz, die unsere Werte verteidigt
Wir brauchen auch eine Künstliche Intelligenz, die unsere Werte verteidigt und nicht die Taschen von Peter Thiel, Sam Altman oder Elon Musk füllt. Wir brauchen eine transparente Politik, die ihre Spuren digital offenlegt und gleichzeitige europaweite Wahlen, die uns alle für eine bestimmte Zeit auf einen gemeinsamen politischen Weg einschwört. Und wir brauchen Städte und Gemeinden, jenseits der digitalen Cyberwelten, in denen wir unsere Ideen von Zusammensein und Privatsphäre, von Generationgerechtigkeit und Naturverbundenheit ausleben. Europa ist ein großes Friedensprojekt, jeder, der daran teilhaben kann, sollte sich glücklich schätzen und mitwirken. Das Mindeste ist es, Steuern zu zahlen, Ehrenämter auszuüben und demokratisch zu wählen. Die europäische Geschichte hat ein Happy-End!
Die Autorin ist Soziologin. Sie arbeitet an der Constructor University in Bremen.
Hilke Brockmann © Privat