Das Ausbildungsjahr hat begonnen, doch für viele Jugendliche und Betriebe ist die Suche noch nicht zu Ende. Während die einen nach dem passenden Start ins Berufsleben Ausschau halten, hoffen die anderen auf motivierte Nachwuchskräfte. Die gemeinsame Zwischenbilanz der Essener Arbeitsmarktpartner – Agentur für Arbeit Essen, JobCenter Essen, IHK zu Essen, DGB und Kreishandwerkerschaft Essen – macht deutlich: Auch nach dem offiziellen Ausbildungsbeginn gibt es noch viele Chancen für beide Seiten.
Die Kennzahlen zum Ausbildungsmarkt im Einzelnen:
Das Ausbildungsplatzangebot im aktuellen Ausbildungsjahr liegt unter dem Niveau des Vorjahres. So wurden der Agentur für Arbeit Essen seit Oktober 2024 insgesamt 2.466 freie Ausbildungsstellen gemeldet, 335 weniger als im vorhergehenden Ausbildungsjahr. Hier spiegelt sich in Teilen die wirtschaftliche Situation wider.
Auf der anderen Seite meldeten sich in diesem Jahr 3.634 Jugendliche und junge Erwachsene bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit Essen, um sich bei der Suche nach dem passenden Ausbildungsplatz unterstützen zu lassen. Gegenüber dem vergangenen Ausbildungsjahr bedeutet das einen Zuwachs von 51 Bewerberinnen und Bewerbern. Damit kamen rein rechnerisch auf eine/n Bewerber/in 0,69 Ausbildungsstellen.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch 909 Ausbildungsstellen unbesetzt, 161 weniger im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die meisten unbesetzten Ausbildungsstellen gibt es im Handel (Kaufmann/-frau im Einzelhandel 136 und Verkäufer/in 97), gefolgt von Zahnmedizinischen Fachangestellten (63).
Aktuell sind noch 1.246 Bewerber/innen auf der Suche nach einer Ausbildung, 230 mehr als im Juli 2024. Hoch im Kurs bei den noch suchenden Jugendlichen stehen Ausbildungen in den Bereichen Kaufmann/-frau für Büromanagement (106), KfZ-Mechatroniker/PKW-Technik (60), und Verkäufer/in (55).
Die Industrie- und Handelskammer verzeichnet im August für Essen 1.740 neue Ausbildungsverträge, ein Minus von 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei entwickeln sich kaufmännische Ausbildungsverträge positiv (+1,8 %), während technische Ausbildungen rückläufig sind (-7,5 %).
Zum Start des Ausbildungsjahres bleibt der Essener Ausbildungsmarkt in Bewegung. Zu den Chancen und Herausforderungen die Statements der Arbeitsmarktpartner:
Andrea Demler, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Essen:
„Unsere diesjährigen Zahlen zeigen: Das Interesse der Jugendlichen an einer dualen Berufsausbildung ist da. Diejenigen, die zum jetzigen Zeitpunkt einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag in der Tasche haben, stellen ihre berufliche Zukunft damit auf solide und zukunftsfähige Beine. Und für alle, die noch suchen, gilt: Es bestehen weiterhin viele Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden – auch nach Beginn des Ausbildungsjahres.
Die Realität auf dem Ausbildungsmarkt ist allerdings herausfordernd: Die Zahl der gemeldeten Stellen ist rückläufig, die Berufswünsche der Jugendlichen unterscheiden sich oft von dem Angebot am Ausbildungsmarkt. Damit wird die Suche nach dem passenden Ausbildungsplatz immer anspruchsvoller. Deshalb unterstützen wir alle Jugendlichen, die noch keinen Platz gefunden haben und entwickeln gemeinsam mit unseren Partnern und Arbeitgebenden neue Angebote. Unser Sommer-Ausbildungscamp ist ein Beispiel, wie erfolgreich das funktionieren kann. Zwei Drittel der Teilnehmenden konnten wir über Praktika und direkte Kontakte zu den Betrieben in Ausbildung vermitteln.
Das zeigt: So entstehen Chancen und Win-win-Situationen für beide Seiten. Jede heute besetzte Ausbildungsstelle ist ein Beitrag zur Fachkräftesicherung von morgen. Daher appellieren wir weiterhin an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: Melden Sie Ihre Ausbildungsstellen, bilden Sie aus. Seien Sie flexibel und geben Sie auch den Menschen eine Chance, die vielleicht nicht auf den ersten Blick perfekt ins Profil passen. Die Gründe für ein Mismatch können ganz vielfältig sein. Doch Qualifikationen lassen sich entwickeln. Wir beraten und unterstützen dabei, auch mit Blick auf Fördermöglichkeiten. Verschärfend für die Betriebe kommt hinzu, dass es durch den Wechsel zu G9 im kommenden Jahr weniger Bewerberinnen und Bewerber aus dem Gymnasialbereich geben wird. Der Nachwuchs wird also knapper, die Bewerberauswahl drängender, nicht auszubilden ist keine Alternative.
Die jungen Menschen möchten wir ermutigen, auch Berufe auszuloten, die vielleicht nicht ganz oben auf der Wunschliste stehen: Seid flexibel und bereit, euch auszuprobieren und meldet euch bei uns. Unsere Beraterinnen und Berater unterstützen euch auf diesem Weg. Außerdem bieten wir mit unseren wöchentlichen Speeddatings „Face to Face“ spezielle Begegnungs- und Vermittlungsformate an, bei denen sich Ausbildungsinteressierte und ausgewählte Firmen unkompliziert kennenlernen können. Gemeinsam mit der IHK laden wir am 10. September zu einem weiteren großen Speeddating ein. Ebenfalls auf Mitmachen, Erleben und direkte Begegnung setzt „Road to Future – Next Stop Ausbildung“ am 18. September, eine Veranstaltung des Ausbildungskonsens‘ Essen, die mittlerweile zu einer festen Größe der Berufsorientierung in Essen geworden ist. Wir sehen: Die Vermittlung von Ausbildungsstellen wird individueller, aufwändiger und persönlicher. Aber sie funktioniert, wenn alle an einem Strang ziehen.“
Thomas Mikoteit, Abteilungsleiter JobCenter Essen:
„Die Suche nach einem Ausbildungsplatz wird für Jugendliche wieder schwieriger, die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen sinkt, gleichzeitigt steigt die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber wieder. Es geht deshalb darum, beide Seiten mit ihren Vorstellungen und Ansprüchen gut zusammenzuführen. Viele unserer jungen Menschen haben noch keine gefestigte Vorstellung von ihrer beruflichen Zukunft. Die Gründe sind durchaus vielschichtig, aber unsere Jugendberufsagentur in Essen verfügt über ein großes Repertoire an Unterstützungsmöglichkeiten, um einen Beruf zu finden, der zu den individuellen Neigungen und Fähigkeiten passt. Es geht darum, Arbeit und Ausbildung für Jugendliche anschaulich zu machen und Schwellenängste zu nehmen: Unsere JBA schafft das mit ihrer regelmäßigen Schulberatung und mit innovativen Vermittlungsformaten, Speeddatings mit jeweils 15-20 Arbeitgebenden oder geführten, ungewöhnlichen Ausbildungsplatz-Touren.“
Robert Schweizog, Leiter Geschäftsfeld Bildung & Prüfung der IHK zu Essen:
„Essen steht bei den Ausbildungsverträgen trotz leichter Rückgänge deutlich besser da als NRW insgesamt. Das liegt auch daran, dass wir keinen Mangel an Bewerbungen haben. Essen hat Lust auf Ausbildung!
Noch mehr wäre möglich, wenn die Erwartungen der Unternehmen und die Profile der jungen Generation besser zueinander passten. Betriebe legen weiterhin Wert auf Grundlagen wie Mathematik, Deutsch und ein verlässliches Arbeitsverhalten. Die Generation Z bringt dafür Stärken in IT, Medien, Fremdsprachen und Teamarbeit ein. Wenn Unternehmen diese Kompetenzen gezielt nutzen und junge Menschen zugleich ihre Basiskompetenzen festigen, gelingt das Match auf dem Ausbildungsmarkt künftig noch besser.“
Nadine Sasek, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Essen:
„Das Handwerk in Essen legt bei den Ausbildungszahlen zu und zeigt sich bei den neuen Ausbildungsverträgen in diesem Sommer ausgesprochen stabil – mit klaren Aufwärtssignalen.
Bis Juli 2025 wurden 7,5 Prozent mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen als zum Vorjahreszeitpunkt. Besonders das Metallhandwerk hat sich deutlich vom Vorjahr abgesetzt. Das ist ein klares Signal, dass sich die Investitionen in die Berufsorientierung auszahlen. Auch die traditionell starken Bereiche wie das Kfz- und Elektrohandwerk, der SHK-Bereich, das Friseur- sowie das Dachdeckerhandwerk entwickeln sich solide und bestätigen die Stärke des Essener Handwerks.
Für den August liegen die endgültigen Zahlen noch nicht vor. Nach jetzigem Stand ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Aufwärtstrend fortsetzen wird. Die Bilanz macht deutlich: Das Essener Handwerk behauptet sich als verlässlicher Partner für Ausbildung und Fachkräftesicherung. Frühzeitige berufliche Orientierung ist dabei von entscheidender Bedeutung. Sie eröffnet Jugendlichen konkrete Perspektiven, macht die Vielfalt handwerklicher Berufe sichtbar und führt Betriebe und Nachwuchskräfte zusammen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei die enge Zusammenarbeit mit den Berufsberaterinnen und Berufsberatern der Agentur für Arbeit sowie die Klima-Tour der Ausbildungsoffensive an weiterführenden Schulen, die zusätzliche Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt.
Ebenso wichtig ist die klare Botschaft der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Eine duale Ausbildung eröffnet ebenso vielfältige Karriere- und Entwicklungschancen wie ein Studium. Mit zusätzlichen Angeboten wie dem Essener Kulturticket für Auszubildende wird diese Wertschätzung auch ganz praktisch deutlich: Auszubildende profitieren von denselben Vergünstigungen wie Studierende und erfahren so Anerkennung und Teilhabe.
Trotz der guten Entwicklung gilt: Viele Betriebe in Essen suchen weiterhin Auszubildende. Wer sich kurzfristig für eine Ausbildung im Handwerk entscheidet, hat beste Chancen auf einen Einstieg – und auf eine berufliche Zukunft mit Perspektive.“
Jan Mrosek, Gewerkschaftssekretär DGB MEO:
„Wir als Deutscher Gewerkschaftsbund in Essen stellen fest: Viele junge Menschen finden keinen Ausbildungsplatz, während gleichzeitig zahlreiche Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben. Dieses Missverhältnis darf nicht länger hingenommen werden. Wir brauchen endlich einen roten Faden in der Berufsorientierung, damit Jugendliche sich in der Vielzahl von Ausbildungsplätzen und ergänzenden Angeboten besser zurechtfinden können. Sie müssen die Chance erhalten, auch Alternativen in den Blick zu nehmen, anstatt ausschließlich an einem einzelnen Wunschberuf festzuhalten.
Gleichzeitig muss das Angebot an Ausbildungsplätzen weiter gestärkt werden. Ein Markt, in dem Angebot und Nachfrage oberflächlich im Gleichgewicht erscheinen, führt noch lange nicht zu einem funktionierenden Matching. Angesichts der immer wiederkehrenden Rufe nach Fachkräften ist klar: Die Nachfrage ist da, jetzt müssen die passenden Strukturen geschaffen werden.“