Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hat am Montag die umstrittenen Atommülltransporte vom rheinischen Jülich ins Zwischenlager Ahaus im Münsterland genehmigt. Die Beförderungsgenehmigung ist sofort vollziehbar und befristet bis zum 31. August 2027. Mit dem Transport von 152 Castor-Behältern durch Nordrhein-Westfalen steht einer der größten Atommülltransporte auf der Straße seit Jahrzehnten an. Zwei Castor-Testfahrten führten durch Duisburg – über die Berliner Brücke (A59). Obwohl diese Strecke für Schwertransporte nicht mehr infrage kommt, hält der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) es für wahrscheinlich, dass der Atommüll durch Duisburg rollen soll.
Die Streckenführung unterliegt der Geheimhaltung. Darum beobachteten Atomkraftgegner und Umweltschützer im November 2023 genau, auf welchem Weg der leere Castor-Behälter nachts von Jülich nach Ahaus transportiert wurde. Zu übersehen war der Schwertransport nicht, Massen an Polizeifahrzeugen und ein Helikopter begleiteten den Konvoi. Zweimal rollte die Kolonne etwa 170 Kilometer von Jülich über die Autobahnen 44, 46, 57, 52, 3, 59 und 31 über Duisburg und Bottrop nach Ahaus.
Castor-Transporte sind für Duisburgs marode Berliner Brücke (A59) zu schwer
Der Zickzackkurs in Duisburg führte zunächst über die A3 (Richtung Oberhausen). Im Kreuz Kaiserberg wechselten die Fahrzeuge (einmal ausgebremst durch eine Panne) auf die A40 (Richtung Venlo), dann im Kreuz Duisburg auf die A59 (Richtung Dinslaken), danach im Kreuz Duisburg-Nord auf die A42 (siehe Karte). Dieser Weg ist allerdings inzwischen für Schwerlastverkehr verboten: Die marode Berliner Brücke ist seit Oktober 2024 bekanntlich für Lkw ab 40 Tonnen gesperrt, weil erhebliche Mängel an der Tragfähigkeit festgestellt wurden.
Die gesamte Castor-Transporteinheit ist etwa 30 Meter lang und wiegt beladen alles in allem 130 Tonnen.
© JEN mbH
Ein beladener Castor aus Jülich wiegt 25 Tonnen, eine beladene Transporteinheit insgesamt 130 Tonnen, erklärte 2023 ein Sprecher der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN). Gewicht und Ausmaß der Transportfahrzeuge dürften auch der Grund dafür gewesen sein, dass die Testfahrten ab Kaiserberg nicht schnurstracks nach Norden über die A3 führten: An den Brücken des „Spaghettiknotens“ wird noch jahrelang gebaut, die A3 ist hier ein Nadelöhr – offenbar gibt es dort kein Durchkommen für die Castor-Transporte.
Atommüll auf Straßen: BUND warnt vor maroder Infrastruktur und Anschlägen
„Beim Blick auf die Landkarte gibt es eigentlich nur eine Alternative“, sagt Kerstin Ciesla, stellvertretende BUND-Landesvorsitzende. Die Duisburgerin meint den großen Bogen über die A57 (bis Kreuz Kamp-Lintfort) und die A42 mit der Beeckerwerther Rheinbrücke. Am Wegesrand der A42 liegen Richtung Oberhausen Moers, Duisburg-Beeckerwerth, -Beeck, -Bruckhausen, -Alt-Hamborn, -Obermeiderich und -Neumühl. Ciesla spricht von einer „Mutmaßung“. Denn Auskunft geben die Genehmigungsbehörden aus Sicherheitsgründen nicht.
Allerdings weiß auch Ciesla: „Wenn es erstmal ein, zwei Castor-Transporte gab, weiß eh fast jeder, woher die fahren.“ Sie vermutet, dass die Transporte nicht nur wegen des Gewichts über Autobahnen geleitet werden müssen: „Autobahnen sind auch leichter zu bewachen“. Dennoch warnt Ciesla vor Sicherheitsrisiken wie der maroden Infrastruktur und möglichen Anschlägen. „Es ist einfach zu gefährlich, 288.161 bestrahlte Brennelemente durch das dicht besiedelte Ruhrgebiet zu transportieren.“
Gewerkschaft der Polizei: „Sinnlose Mammutaufgabe“
Der BUND NRW hat am Mittwoch beim BASE Widerspruch gegen die Beförderungsgenehmigung eingelegt. „Mit dem Widerspruch wurde auch Akteneinsicht in die vom Transportunternehmen Orano NCS GmbH eingereichten sicherheitstechnischen Unterlagen und die der Genehmigung zugrunde liegenden Verwaltungsvorgänge verlangt“, erklärt die Umweltschutzorganisation.
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„Von den überflüssigen Transporten geht ein erhebliches Risiko für Mensch und Umwelt aus“, kritisiert Ciesla. Es sei skandalös, dass das Bundesamt durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung den Rechtsweg abschneiden wolle. „Dabei sind die für den Sofortvollzug angeführten Gründe an den Haaren herbeigezogen“, meint die Duisburgerin. Im Genehmigungsbescheid hatte das BASE die sofortige Vollziehung unter anderem mit den notwendigen erheblichen polizeilichen Schutzmaßnahmen begründet.
Kerstin Ciesla, Vorsitzende des BUND in Duisburg und stellvertretende Vorsitzende des BUND NRW, warnt vor den Risiken durch die „überflüssigen Transporte“.
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Als „sinnlose Mammutaufgabe“ hatte der NRW-Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Patrick Schlüter, die Transporte mit Begleitschutz kritisiert. Die Politik drücke sich um die Frage der Endlagerung und lasse Atommüll lieber von einem Zwischenlager ins nächste fahren, sagte er der Rheinischen Post. Die Polizei werde vor enorme Herausforderungen gestellt. Das Protestpotenzial lasse sich nicht abschätzen, man müsse immer auf alles vorbereitet sein. (mit dpa)