Als die Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein im großen Konferenzraum am Nordwall in Krefeld startet, ist der Saal bis zum letzten Platz gefüllt. „Dass diese Veranstaltung bereits vor drei Wochen ausgebucht war und wir eine Warteliste eröffnen mussten, trotz Urlaubszeit und Grillwetter, zeigt, wie sehr das Thema unter den Nägeln brennt“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz zur Begrüßung.
Besagtes Thema ist das der Energiewende und der Strompreise in Deutschland insgesamt – und damit auch in der Region. Die Verantwortlichen wollen einen Überblick darüber geben, was zum Thema Strom und Energie aktuell zu erwarten ist. Neben dem Geschäftsführer der sehr energieintensiven Simpelkamp-Gießerei, Georg Geier, sind unter anderem NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne), der Obmann des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Bundestag, CDU-Mann Klaus Wiener, sowie der Zukunftsforscher Oliver Leisse mit dabei.
Spannender Impulsvortrag zu KI
Als erstes steht ein Impulsvortrag auf dem Programm: Oliver Leisse spricht zuerst nicht über Energie – sondern nimmt Künstliche Intelligenz (KI) in den Fokus. Was der Forscher sagt, ist durchaus beeindruckend, streckenweise beängstigend, an anderen Stellen aber auch utopistisch. KI, so betont er, sei eine dauerhafte Veränderung der gesamten Welt, vom Kleinen bis zu großen Wirtschaftsunternehmen. Und, kurz gesagt, Deutschland und Europa hätten in der Frage den Anschluss vollständig verpasst. „In den USA, die gern mit klaren Formulierungen die Dinge überspitzen, gibt es aktuell das geflügelte Wort ‚AI or die‘, also nutze KI oder stirb. Das ist sicher eine leichte Überspitzung, zeigt aber die Wichtigkeit“, sagt Leisse. So werde im Silicon Valley längst nicht mehr daran gezweifelt, dass die Künstliche Intelligenz alles, was wir kennen, über den Haufen werfen werde.
KI verschlingt große Mengen Strom
„Die jeweils neuste Version von ‚ChatGPT‘ und Elon Musks KI ‚Grok‘ reklamieren, dass sie in jedem Themenbereich mindestens PhD-Level erreichen. Also das eines promovierten Experten. Mittlerweile gibt es auch hochstehende Medizinexperten, die sich mit den KIs austauschen, um auf Augenhöhe zu diskutieren“, betont Leisse. Dann spannt er den Bogen zum Hauptthema des Abends, spricht über den gigantischen Energiebedarf von Großrechenanlagen für Künstliche Intelligenz. „Die bereits geplante nächste Generation von ‚Grok‘ soll bis zu 1,96 Gigawatt an Strom verbrauchen, das ist so viel wie eine Großstadt“, sagt der Forscher.
Strom als wichtigste strategische Ressource
Damit habe die KI direkte Auswirkung auf die Energiewende. Strom sei die wichtigste strategische Ressource der Zukunft, betont Leisse. China zum Beispiel habe bereits eine 100-prozentige Redundanz, also eine doppelt so große Kapazität zur Stromerzeugung, wie aktuell notwendig. Davon sei Deutschland meilenweit entfernt.
Im Panel geht es dann mehr um die Gegenwart: um Strompreise und die Ausgestaltung der Energiewende. Während NRW-Ministerin Mona Neubaur stets die Führungsrolle des Bundeslandes in dieser Frage betont, kürzere Genehmigungsverfahren für Windräder und eine starke Fokussierung auf das Thema hervorhebt, ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Wiener vor allem darauf bedacht, den Fokus von erneuerbaren Energien wegzulenken. So verweist er darauf, dass die Lösung „all electric“ aus seiner Sicht unerfüllbar sei. „Wir haben zwar aktuell rund 60 Prozent unserer Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen realisiert, aber unser Primärenergiebedarf ist rund sechsmal so hoch. Das bedeutet, dass wir aktuell nur zehn bis zwölf Prozent unserer Primärenergie aus Erneuerbaren beziehen“, betont er. Außerdem plädiert er für „neue Generationen von Atomkraftwerken“, beschwört „Technologieoffenheit“ und damit auch eine weitere Nutzung fossiler Energieträger.
Hohe Strompreise bedrohen die Wirtschaft
Nach der Diskussion richtet Georg Geier, Geschäftsführer der Siempelkamp Maschinenfabrik, einen deutlichen Appell an die Politik. Bei allen Prozessen müsse die Wirtschaftlichkeit von Unwurternehmen im Blick behalten werden. „Wir haben Transformationsprozesse zu leisten und wollen das auch. Wir wollen Prozesse umstellen, aber das kostet Geld. Geld, das wir nicht haben, wenn wir für Energie so viel zahlen“, betont er. „In Unternehmen wie dem unseren arbeiten aber 100.000 Menschen in Deutschland. Die zahlen zwischen drei und 3,5 Milliarden Euro Steuern und Sozialabgaben. Verlören sie ihre Jobs, würden sie 1,5 Milliarden Transferleistungen kosten. Für das Delta von fünf Milliarden ließen sich viele Energiezuschüsse zahlen – und die braucht es im Moment, um die Unternehmen in die Lage zu versetzen, die nötigen Prozesse zu stemmen“, sagt Geier und liefert damit ein Schlusswort, das den größten Applaus des Abends erhält.