Die USA sind offenbar bereit, sich mit ihrem Militär an einer möglichen europäischen Schutztruppe in der Ukraine zu beteiligen – allerdings nur in einer begrenzten, helfenden Rolle. Bei Gesprächen zwischen ranghohen europäischen und amerikanischen Regierungsvertretern in den vergangenen Tagen hat die US-Seite dem Vernehmen nach angekündigt, europäische Bodentruppen bei der Aufklärung und der Führung zu unterstützen – im Militärjargon: Intelligence, Surveillance and Reconnaissance (ISR) und Command and Control (C2) – sowie bei der Logistik und der Luftverteidigung.
Nach einem Bericht der Financial Times ist dieses Angebot daran gekoppelt, dass europäische Länder „Zehntausende“ Soldaten in die Ukraine entsenden, um ein Friedensabkommen dort abzusichern, sollte dieses zustande kommen. Eine solche Truppe ist ein zentrales Element der Sicherheitsgarantien, durch welche die Europäer verhindern wollen, dass Russland die Ukraine in Zukunft noch einmal angreifen kann. Eine Beteiligung Amerikas an der Truppe wiederum gilt in vielen europäischen Ländern als Voraussetzung dafür, eigene Militäreinheiten abzustellen.
Die US-Zusage gilt als wichtiger Fortschritt aus europäischer Sicht
Aus europäischer Sicht ist die Unterstützungszusage ein wichtiger Fortschritt. Noch im Frühjahr hatte die frisch ins Amt gekommene Trump-Regierung die Europäer wissen lassen, dass sie nicht gedenke, sich an einer Schutztruppe in der Ukraine zu beteiligen oder dieser auf irgendeine Art und Weise militärische Rückendeckung zu geben. Vorige Woche schloss US-Präsident Donald Trump dann zwar die Beteiligung amerikanischer Bodentruppen aus, ließ aber die Tür für einen – wie er sagte – Beitrag „aus der Luft“ offen. Dieser scheint sich nun zu konkretisieren.
Das US-Militär verfügt über Aufklärungs- und Führungsfähigkeiten, die jene der Europäer weit übertreffen. Für eine europäische Truppe wäre amerikanische Hilfe in diesem Bereich daher hochwillkommen. Gleiches gilt für die Logistik, also das Bewegen von Material und Truppen.
Unklar ist, was die USA im Rahmen der Luftverteidigung beizusteuern bereit sein könnten. Denn die Regierung in Washington hat ganz offensichtlich keinerlei Interesse daran, sich in eine Lage zu begeben, in der amerikanisches Militär in eine direkte Konfrontation mit russischem geraten könnte. Je aktiver sich die USA an der Verteidigung des ukrainischen Luftraums beteiligen, desto größer ist allerdings das Risiko, dass genau das passiert.
Kiew möchte vier bis fünf Brigaden, die eine Koalition der Willigen für die Ukraine bereitstellen könnte
Sicher ist, dass die Bodentruppen aus Europa kommen sollen, entsandt von der sogenannten Koalition der Willigen, die von London und Paris angeführt wird. Die Regierung in Kiew hat Berichten zufolge die Entsendung von vier bis fünf Brigaden vorgeschlagen, das entspricht ungefähr 20 000 bis 25 000 Soldaten. Diese sollen nach einem Friedensschluss nicht an der ehemaligen Frontlinie stationiert werden, sondern in zweiter oder dritter Linie – hinter einer möglichen außereuropäischen Blauhelm-Truppe in einer Pufferzone, vor allem aber hinter einer von starken ukrainischen Kräften besetzten Verteidigungslinie. Diese würde es im Fall eines weiteren russischen Angriffs demnach zuerst treffen, bevor möglicherweise europäische Truppen in Kämpfe verwickelt werden.
Im Moment sind alle Spekulationen über Sicherheitsgarantien und eine Schutztruppe allerdings nur das – Spekulationen. Denn es ist weder bekannt, welchem US-Beitrag genau Trump zustimmen wird. Noch weiß man, ob dieser Beitrag dann robust genug ausfällt, dass die Europäer es wagen, eine nennenswerte Anzahl ihren Soldaten in die Ukraine zu schicken. Zudem ist unklar, ob die Europäer tatsächlich eine Truppe in der Größenordnung von vier bis fünf Brigaden zusammenbekommen und unterhalten könnten.
Und schließlich sieht man in diplomatischen Kreisen in Brüssel bisher „keinerlei Vorbereitungen“ in Russland, den Krieg zu beenden. Ohne eine halbwegs belastbare Einigung mit Moskau über ein Ende der Kämpfe sind alle Pläne für eine Schutztruppe Makulatur.