Hermann: Das kommt öfter vor. Ich mache zum Beispiel Konzerte mit Jens-Peter Enk. Er ist Kirchenmusikdirektor – wir machen aber nicht nur Kirchenmusik. Mir ist wichtig, dass es möglichst niederschwellig ist, dass jeder kommen kann. Ich sage auch: Ihr müsst nicht irgendeinem Reglement folgen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt klatschen. Fühlt, was ihr fühlt – wenn ihr weinen müsst, dann weint ihr, und wenn ihr lachen müsst, dann lacht ihr. Wir haben vergangenen November ein Trostkonzert in der Unterbarmer Kirche veranstaltet. Dieses Thema ist mir sehr wichtig, weil ich selbst früh mit dem Tod konfrontiert war. Anderen Menschen einen Raum für Trauer zu geben, finde ich wichtig. Trauer kann vieles sein – man kann weinen und verzweifelt sein, aber sie kann auch eine Leichtigkeit haben. Sie darf alles haben, was man fühlen kann. Es gibt keine Restriktionen. Die Endlichkeit des Lebens gibt mir manchmal sogar Kraft, weil ich weiß, wie wertvoll das Leben ist. Das versuche ich in meine Stücke einzubringen. Ich habe auch ein Gedicht geschrieben, „Der kleine blaue Vogel“. Zu diesem Zeitpunkt war ich sehr traurig, habe dann aber das Gedicht verfasst und meine Traurigkeit von der Seele geschrieben. Der besagte blaue Vogel ist sehr traurig, entdeckte aber, dass er alles in sich trägt, um fliegen zu lernen und das Nest auch ohne die Eltern verlassen kann. Das habe ich dann in einem Konzert vorgetragen. Danach kam eine Mutter eines Studenten aus dem inklusiven Studio des Schauspiel Wuppertal, dem Studiyou, zu mir und sagte, das Gedicht habe ihr Mut gemacht in Bezug auf ihren Sohn – dass er es schaffen wird, auch wenn die Eltern irgendwann nicht mehr da sind. Das hat mich sehr berührt, auch, dass ein so kleiner Text diese Wirkung haben kann. Ich musste mich sehr überwinden, sie zu zeigen, aber gerade das ist wichtig: Gedanken nach außen zu tragen, damit jemand anderes gestärkt wird.