US-Präsident Donald Trump mit Polizisten und Nationalgardisten in Washington am 21. August 2025 [AP Photo/Jacquelyn Martin]
1907 schilderte der große sozialistische Schriftsteller Jack London in seinem Roman Die eiserne Ferse, wie eine kapitalistische Oligarchie eine gnadenlose Diktatur errichtet, um die Arbeiterklasse zu zerschlagen. London schrieb:
Die Oligarchie wünschte Gewalttätigkeiten und ließ darum ihre Agents provocateurs los. … Elftausend Männer, Frauen und Kinder wurden in den Straßen von Sacramento niedergeschossen oder in ihren Häusern ermordet.
Fast 120 Jahre später sehen sich die Arbeiterklasse und Jugend in den Vereinigten Staaten mit der zunehmenden Bedrohung eines „Eisernen Stiefels“ konfrontiert.
Die Trump-Regierung treibt mit unnachgiebiger Entschlossenheit ihren Kurs voran, eine Präsidialdiktatur zu errichten. Dies nach den vergangenen zwei Wochen Trump-Maßnahmen, die in den USA historisch beispiellos sind, noch zu leugnen, wäre Blindheit, Selbsttäuschung oder offene Kollaboration. Der Präsident hat Washington in eine Polizei- und Militärgarnison verwandelt und überträgt dieses Modell nun auf das ganze Land.
Am Montag erließ Trump eine Verordnung mit dem Titel „Zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Kriminalitätsnotstands im District of Columbia“. Am 11. August hatte Trump einen angeblichen „Kriminalitätsnotstand“ ausgerufen. Das jetzige Dekret ermöglicht weitere Schritte in Richtung Diktatur – etwa den Einsatz eines Online-Portals zur Rekrutierung von ehemaligen Polizisten, Soldaten und Bürgerwehren für den Einsatz in Washington und „anderen Städten, in denen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verloren gegangen ist“. Im Klartext: Trump schafft eine paramilitärische Truppe, die außerhalb traditioneller Strukturen operiert, seinem persönlichen Befehl untersteht und die Erlaubnis hat, tödliche Gewalt anzuwenden.
In der Verordnung wird der Verteidigungsminister angewiesen, „unverzüglich eine Spezialeinheit innerhalb der Nationalgarde des District of Columbia zu schaffen und mit der Ausbildung, Besetzung, Einstellung und Ausrüstung zu beginnen“ und sicherzustellen, dass die Nationalgarde jedes Bundesstaates „ausgerüstet, ausgebildet, organisiert und verfügbar“ ist, um schnell landesweit mobilisiert werden zu können. In der Praxis wird damit eine ständige Militär- und Polizei-Truppe geschaffen, die dem Präsidenten zur Verfügung steht und gegen Proteste, Streiks und politische Opposition überall im Land eingesetzt werden kann.
Die nominellen Gründe für diese Maßnahmen – dass die Städte von Kriminalität überschwemmt würden, was den Behauptungen einer „Invasion“ von Einwanderern in die USA folgt – sind offensichtliche Lügen. Auch lassen sich diese Maßnahmen nicht einfach mit Trumps egozentrischem Narzissmus oder seiner langjährigen Bewunderung für Hitler erklären. Trump handelt im Namen einer Finanzoligarchie, die mit den verfassungsmäßigen Herrschaftsformen bricht.
Welche politischen Gründe könnten die Regierung und die herrschende Klasse dazu veranlassen, Soldaten in amerikanischen Städten einzusetzen, um „zivile Unruhen“ zu bekämpfen? Bei der Beantwortung dieser Frage darf man nicht von den beteiligten Persönlichkeiten ausgehen, sondern muss sich auf die wesentlichen Klassenprobleme stützen, die dem Zusammenbruch der amerikanischen Demokratie zugrunde liegen.
In rein finanzieller Hinsicht ist der amerikanische Kapitalismus mit einer unhaltbaren wirtschaftlichen Situation konfrontiert. Die Staatsverschuldung beläuft sich auf 37 Billionen Dollar und wird voraussichtlich auf über 40 Billionen Dollar ansteigen, wenn Trump die Steuersenkungen für Unternehmen und Superreiche verlängert. Die Regierung verzeichnet bereits jährliche Defizite von 1,5 bis 2 Billionen Dollar.
Die Zinszahlungen für diesen Schuldenberg werden voraussichtlich innerhalb des nächsten Jahrzehnts zum größten Einzelposten der Bundesausgaben werden und sogar den gigantischen Militärhaushalt übertreffen. Diese unaufhaltsame Zunahme der Schuldenlast ist nicht nur die Folge jahrzehntelanger Steuersenkungen für die Reichen, sondern auch der Tatsache, dass riesige Summen in Rettungspakete und imperialistische Kriege investiert wurden.
Die Pflichtausgaben machen fast zwei Drittel des Haushalts aus: die staatliche Rentenversicherung (Social Security) etwa 20 Prozent, Medicare weitere 15 Prozent und Medicaid und verwandte Programme weitere 14 Prozent. „Diskretionäre“ Ausgaben – also alle Ausgaben außerhalb dieser Programme – machen weniger als ein Drittel aus, wobei allein die Militärausgaben 13 Prozent und alle anderen Programme zusammen nur 14 Prozent verschlingen.
Aus Sicht der herrschenden Klasse dürfen die Militärausgaben nicht gekürzt werden, sondern müssen vielmehr ansteigen, da Washington seinen Kriegskurs in der ganzen Welt eskaliert. Auch wird die Finanzaristokratie keine Eingriffe in ihren Reichtum akzeptieren. Trumps „Big Beautiful Bill“ verspricht den Unternehmen und Superreichen sogar weitere Billionen. Die Trump-Regierung ist zwar aktiv dabei, alle nicht verteidigungsrelevanten diskretionären Ausgaben zu streichen, aber selbst das wird das Haushaltsdefizit nicht beheben.
Was also bleibt, ist ein massiver Angriff auf die zentralen Sozialprogramme – Rentenversicherung, Medicare und Medicaid –, die Millionen Menschen ein Mindestmaß an finanzieller Absicherung, Gesundheitsversorgung und Würde geben. Trump verspricht zwar immer wieder, die Rentenversicherung (Social Security) nicht anzutasten, doch diese Behauptung ist noch unglaubwürdiger als seine anderen Lügen. Finanzminister Scott Bessent, ein Milliardär der Wall Street, prahlte letzten Monat, dass die Klauseln in Trumps Haushaltsgesetz „eine Hintertür für die Privatisierung der Social Security“ bieten würden.
Diese Kürzungen werden verheerendeAuswirkungen auf die breite Masse der Bevölkerung haben. Die staatlichen Renten sind die Haupteinkommensquelle für Millionen von Rentnern und Menschen mit Behinderung. Eine Kürzung um 25 bis 30 Prozent würde einem durchschnittlichen Rentner 6.000 bis 7.000 Dollar pro Jahr wegnehmen und Millionen in die Armut treiben. Kürzungen bei Medicare und Medicaid würden für ältere und behinderte Menschen einen sprunghaften Anstieg der medizinischen Selbstkosten bedeuten und zur Schließung von Pflegeheimen und häuslichen Pflegeprogrammen führen, auf die Millionen angewiesen sind. Medicaid und Unterstützungsprogramme wie das Lebensmittelhilfeprogramm SNAP, die ergänzende Einkommenssicherung SSI und Steuergutschriften für Kinder, die Arbeiterfamilien und Kindern helfen, werden bereits ausgehöhlt.
Trump spricht für eine herrschende Klasse, die entschlossen ist, den gesamten Verlauf der modernen amerikanischen Geschichte umzukehren und alle sozialen Errungenschaften, die seit dem Bürgerkrieg erkämpft wurden, zunichte zu machen. Es ist kein Zufall, dass Trump versucht, Helden der Konföderation – also der Sklavenhalterstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg – wieder zu glorifizieren.
Zehntausende Arbeiter werden entlassen. Das öffentliche Bildungs- und Gesundheitswesen steht vor beispiellosen Kürzungen. Alles, was von den Reformen des New Deal und der Great Society übrig geblieben ist, soll abgeschafft werden. Das Ziel ist nichts weniger als die Zerstörung aller begrenzten Zugeständnisse, die der Kapitalistenklasse im 20. Jahrhundert abgerungen wurden.
Die Regierung bereitet sich auf einen unvermeidlichen Ausbruch von Massenopposition gegen diese Angriffe vor. Die herrschende Klasse ist überzeugt, dass die Zerstörung von Arbeitsplätzen, Renten, Gesundheitsversorgung und Lebensgrundlagen zu Aufständen führen wird, insbesondere in den Städten. Seit Jahren beschäftigt sich der Staat mit der Gefahr von Unruhen in den Städten. Trumps Dekrete sollen sicherstellen, dass ein solcher Widerstand mit militärischer Gewalt und Unterdrückung beantwortet wird.
Diese grundlegende Klassendynamik erklärt auch die Rolle der Demokratischen Partei. Auch wenn es Meinungsverschiedenheiten über Trumps Methoden geben mag, akzeptieren beide Parteien des Großkapitals, dass drastische Veränderungen in der Sozialpolitik auf Kosten der Arbeiterklasse durchgesetzt werden müssen. Die Unterschiede sind taktischer Natur. In der Hauptfrage – wer für die sich verschärfende Krise des amerikanischen Kapitalismus bezahlen soll – gibt es keine Differenzen.
Die Presse behandelt Trumps Erlässe als kaum mehr als seine neuesten Schrullen. Die Demokraten konzentrieren ihre Kritik auf das Verfahren, als ob die Zerstörung der verfassungsmäßigen Ordnung eine Frage von Trumps Persönlichkeit wäre. Kein einziger führender Demokrat hat offen erklärt, dass der Präsident eine Diktatur errichtet, oder die Klassenkräfte hinter seiner Politik aufgezeigt. In Wirklichkeit fürchten die Demokraten vor allem, dass Trumps dreiste Maßnahmen eine unkontrollierbare Bewegung von unten provozieren werden.
Diese Tatsache verdeutlicht die entscheidende Rolle der Arbeiterklasse in der sich entwickelnden politischen Krise. Arbeiter, die glauben, dass Trumps gewaltsame Angriffe auf Einwanderer oder sein verlogener Kreuzzug gegen „Kriminalität“ nichts mit ihnen zu tun haben, irren sich gewaltig. Die autoritäre Herrschaft wird auf alle gesellschaftlichen Bereiche ausgeweitet werden.
Um die Sparpolitik, imperialistischen Kriege und diktatorischen Maßnahmen durchzusetzen, nimmt die herrschende Klasse in erster Linie die Arbeiterklasse ins Visier – ihre Arbeitsplätze, ihren Lebensstandard, die Sozialleistungen und demokratischen Rechte. Streiks werden verboten und jede Form des Widerstands gegen das Diktat der Oligarchie kriminalisiert werden.
Arbeiter, Jugendliche und alle fortschrittlichen Kräfte der Gesellschaft müssen sich der politischen Realität stellen und eine Strategie zur Verteidigung der demokratischen Rechte zu entwickeln. Das ist die dringlichste Aufgabe. Wie die WSWS am 20. August schrieb:
Da es innerhalb der etablierten politischen Strukturen keine Opposition gibt, muss sich das Zentrum des Widerstands gegen Trump in die Arbeiterklasse verlagern. Die grundlegenden politischen Fragen, die beantwortet werden müssen, sind: Was muss die Arbeiterklasse mit Unterstützung der Studierenden und aller fortschrittlichen Kräfte der Gesellschaft tun, um die Errichtung einer Diktatur in den Vereinigten Staaten zu verhindern? Welche neuen Formen der organisierten Massenaktion, einschließlich eines Generalstreiks, sind erforderlich, um die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse zu verteidigen? Welche Veränderungen in der wirtschaftlichen und sozialen Struktur des Landes sind notwendig, um die Macht der Finanz- und Konzernoligarchie zu brechen?
Als Lincoln im Jahr 1861 dem Aufstand der Sklavenhalter entgegentrat, gelangte er zu dem Schluss, dass die demokratischen Grundsätze der Unabhängigkeitserklärung nur durch eine Revolution bewahrt werden konnten, die die wirtschaftliche Grundlage der Konföderierten, die Sklaverei, zerstörte. Genau 160 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs bringt die Bedrohung durch eine faschistische Militär- und Polizeidiktatur die Notwendigkeit auf die Tagesordnung, die wirtschaftliche Grundlage der Macht der Oligarchen, den Kapitalismus, zu beenden und durch Arbeitermacht und Sozialismus zu ersetzen.
Die Socialist Equality Party in den USA und ihre deutsche Schwesterpartei Sozialistische Gleichheitspartei rufen alle, die dieser Analyse zustimmen, auf, Mitglied zu werden und den Kampf gegen Diktatur und für den Sozialismus aufzunehmen.
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