Es ist eine etwas seltsame Szene. Da ist der junge Musiker, der am Klavier sitzt und mit Ehrfurcht, ja sehnend, in Richtung des gealterten Schriftstellers blickt. Doch der Literat erwidert seinen Blick nicht. Er schaut geradeaus, wirkt abwesend. Ist es die Musik, die ihn in Bann nimmt? Oder lässt ihn das Spiel des Jungen kalt und unberührt? Schwer zu sagen.
Der junge Musiker, den der Maler Moritz Daniel Oppenheim in Öl porträtiert hat, ist Felix Mendelssohn Bartholdy, ein musikalisches Genie, aus einer jüdischen Familie stammend. Und der alte Schriftsteller ist Johann Wolfgang von Goethe, die Institution des deutschen Kulturlebens.
Das Machtgefälle zwischen dem Meisterdichter der Klassik und dem jungen Musiker ist auf diesem Gemälde von 1864 nicht zu übersehen. Und es zeigt, so sieht es Mirjam Wenzel, die Direktorin des Jüdischen Museums in Frankfurt, das ambivalente Verhältnis Goethes zum Judentum. In seinem Freundeskreis bewegten sich einige Juden, zu denen der Schriftsteller ein gutes Verhältnis pflegte. Für ihre Gleichberechtigung streiten wollte er trotzdem nicht. Von Ressentiments war der Schriftsteller nicht frei. „Was die Frage der jüdischen Emanzipation betrifft, spielte Goethe alles andere als eine rühmliche Rolle“, sagt Wenzel.
Bereits seit den Achtzigerjahren wird das Gemälde „Felix Mendelssohn Bartholdy trifft Goethe“ im Jüdischen Museum gezeigt – als Leihgabe eines Frankfurter Sammlers. Das soll sich nun ändern, das Werk soll für die Museumssammlung angekauft werden. Die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums initiiert deshalb eine Kampagne, um Spenden für den Kauf zu sammeln.
Liberaler Publizist: Moritz Daniel Oppenheim hat auch Ludwig Börne porträtiert.Picture Alliance
Auf 250.000 Euro wurde der Wert des Oppenheim-Gemäldes geschätzt. „Eine ordentliche Summe“, sagt Werner D’Inka, der Vorsitzende des Fördervereins. Doch der frühere F.A.Z.-Herausgeber ist zuversichtlich, dass sich genügend Unterstützer für den Ankauf finden werden. An diesem Donnerstag, dem 276. Geburtstag Goethes, beginnt die Spendenkampagne mit einer Veranstaltung für geladene Gäste im Museum.
Das Jüdische Museum besitzt rund 60 Oppenheim-Werke. Schon Georg Heuberger, der Gründungsdirektor des Hauses, hatte damit begonnen, seine Werke zu sammeln. Zwei Räume in der Dauerausstellung sind heute dem Schaffen des Künstlers, der das jüdische Leben im 19. Jahrhundert in seinen Bildern festhielt, gewidmet.
Porträtist des jüdischen Bürgertums
Oppenheim, 1800 in Hanau geboren, gilt als erster jüdischer Maler der Neuzeit. Er war der erste Jude, der eine akademische Ausbildung als Künstler absolvieren konnte: Oppenheim studierte zunächst in Hanau, dann an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München und später in Paris.
In Frankfurt wurde er zum Porträtisten des jüdischen Bürgertums, das sich immer mehr emanzipieren konnte. Der Künstler arbeitete für die Bankiersfamilie Rothschild, schuf Porträts von Heinrich Heine, Ludwig Börne und dem Philologen Jakob Weil. Populär machte ihn seine Serie der „Bilder aus dem altjüdischen Familienleben“. Als Holzstiche reproduziert erreichten die Szenen damals ein Massenpublikum.
Das Ölbild „Felix Mendelssohn Bartholdy trifft Goethe“ soll nun auch deshalb angekauft werden, weil das Bild, sollte es auf den freien Markt gelangen, wohl noch teurer würde. Die Preise für Oppenheim-Werke sind, seit Kunsthistoriker und Museen sich intensiver mit ihm beschäftigen, gestiegen. „Dieses Gemälde gehört nach Frankfurt“, sagt Erik Riedel, der Ausstellungsleiter des Museums. „Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass das auch so bleibt.“ Auf der Website www.juedischesmuseum.de ist zu erfahren, wie man für den Ankauf spenden kann.