Stand: 28.08.2025 06:00 Uhr
Zu viel Fleisch zu essen, schadet dem Klima. Doch Agrarminister Rainer (CSU) bezweifelt diesen Zusammenhang offenbar. Ein Rostocker Grillprofi spricht dagegen offen über negative Folgen und Genuss.
„Wir haben hier ein Rinderherz-Carpaccio und ein Rinderherzragout“, erklärt Grillprofi Oliver Suppá aus Rostock das, was vor ihm sorgsam auf weißen Tellern angerichtet liegt. Damit möchte er und sein Team, die „Barbecue Allstars“, die Jury der Deutschen Grillmeisterschaft überzeugen.
Ende Juli nahmen sie in Dessau an dem bundesweiten Wettbewerb teil. In seinem Alltag gibt Suppá Grillkurse und verkauft das passende Zubehör. Fleisch mag er schon seit seiner Kindheit. Es schmeckt ihm wegen der Röstaromen besonders vom Grill, erklärt der 48-Jährige dem ARD-Magazin Panorama.
Deutsche essen dreimal so viel Fleisch wie empfohlen
„Esst weniger Fleisch, aber dafür gutes“, sagt Grillprofi Suppá. Denn dass Fleisch klimaschädlich ist, sei „nicht abzustreiten.“
Mit seiner Liebe zum Fleisch ist Suppá nicht allein. Mehr als ein Kilogramm Fleisch essen die Menschen in Deutschland im Schnitt pro Person und Woche. Doch schon länger wird nicht mehr nur über den Geschmack von Fleisch diskutiert, sondern auch über die negativen Folgen für Klima und Gesundheit.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, wöchentlich nicht mehr als 300 Gramm Fleisch und Wurst zu essen, um etwa die Risiken für Herz-Kreislauf-Krankheiten und Dickdarmkrebs zu senken.
Emissionen von Rindern, aus Gülle und trockengelegten Mooren
Klimaforscher Lotze-Campen: Es geht bei Fleischverzicht nicht darum, die Gesellschaft zu quälen, sondern darum, Klimaschäden zu verhindern.
Das Umweltbundesamt (UBA) weist außerdem darauf hin, dass die Tierhaltung eine entscheidende Quelle klimaschädlicher Treibhausgase sei. Aus dem Verdauungstrakt von Rindern entweichen große Mengen an Methan. Dazu kommen Lachgasemissionen aus Wirtschaftsdüngern wie Gülle und Mist.
Sehr klimaschädlich ist auch die Nutzung trockengelegter Moore für die Rinderhaltung oder das Abholzen von Wäldern, um Futtermittel wie Soja auf den frei gewordenen Flächen anzubauen.
Aus trockengelegten Mooren entweichen klimaschädliche Treibhausgase. Deshalb müssen sie vernässt werden – für die Landwirtschaft ein Prozess wie der Kohleausstieg.
Deshalb sind die Pariser Klimaschutzziele ohne eine andere Ernährung mit weniger tierischen Produkten nicht zu erreichen, erklärt der Klimaforscher und Agrarökonom Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Forscher: Um Klimaziele zu erreichen, muss weniger Fleisch gegessen werden
Suppá beim Vorbereiten des nächsten Gangs – Kalbherz – bei der Deutschen Grillmeisterschaft.
Die schädlichen Folgen des Fleischkonsums stehen während der Grillmeisterschaft natürlich nicht im Mittelpunkt. Dennoch blendet Suppá sie auch nicht aus. Ein hoher Fleischkonsum sei wegen gesundheitlicher Aspekte bedenklich, so der Grillprofi, und auch den Klimawandel könne man ja nicht leugnen.
Unter einem Pavillondach bereitet er mit seinem Team den nächsten Gang für die Jury vor und schneidet Rinderbrust aus dem Smoker in Scheiben. Unter großem Zeitdruck müssen sie hier sieben Gänge zubereiten, darunter auch ein vegetarischer Gang und ein Dessert. 29 Teams treten insgesamt bei der Meisterschaft an. Trotz seiner Grillleidenschaft versuche er weniger Fleisch zu essen, sagt Suppá, aber ganz verzichten möchte er auf keinen Fall.
Für Klimaforscher Lotze-Campen, selbst auch gelernter Landwirt, ist eine Reduktion des Fleischkonsums auf jeden Fall zentral. Anders sei es schlicht nicht möglich, das Ziel von Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Er empfiehlt, den Fleischkonsum in Deutschland um 70 Prozent zu senken – „also eine Ernährungsweise für einen gesunden Planeten und gesunde Menschen“.
Agrarminister: Mehrwertsteuer auf Fleisch soll reduziert bleiben
Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU).
Um dafür Anreize zu schaffen, fordern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen schon länger, Fleisch steuerlich nicht weiter zu begünstigen und den reduzierten Mehrwertsteuersatz von derzeit sieben Prozent auf den normalen Satz von 19 Prozent anzuheben. Das hat kürzlich auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz erneut gefordert.
Doch der Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung, Alois Rainer (CSU), spricht sich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus. Am Rande einer Veranstaltung erklärt er Panorama, Klimaschutz sei der gesamten Bundesregierung ein wichtiges Ziel, mit dem Fleischkonsum habe das aber seines Erachtens nichts zu tun.
Zu viel Fleisch schadet dem Klima. Doch weder Landwirtschaftsminister Rainer noch Klimaschutzminister Schneider wollen das offenbar klar benennen. Scheuen sie beim Thema Fleisch die Fakten? Von Oda Lambrecht.
„Wer Fleisch essen möchte, soll das auch tun dürfen“
Leugnet der Minister damit Fakten zum Klimawandel? Auf schriftliche Nachfrage des NDR schreibt ein Ministeriumssprecher lediglich allgemein, es sei wissenschaftlich belegt, dass sich Konsumverhalten auf das Klima auswirke. Rainer habe zum Ausdruck bringen wollen, dass Klimaschutz mehr umfasse als Konsumverhalten, und dass die Bundesregierung den Menschen keine Vorgaben beim Konsum mache. „Wer Fleisch essen möchte, soll das auch tun dürfen“, heißt es in der Antwort. Ob der Minister den hohen Fleischkonsum für klimaschädlich hält oder nicht, lässt das Ministerium dagegen auch auf erneute Nachfrage offen.
Grillprofi Oliver Suppá glaubt, dass es immer noch Tabuthemen gebe, die Politiker nicht anfassten, um es sich mit der Bevölkerung nicht zu verscherzen. „Ob es die Autos sind, ob es das Fleisch ist, die Bratwurst oder was auch immer“, sagt Suppá. Auch wenn er weiter Fleisch genießen möchte, sagt der Grillprofi, müsse man sich am Riemen reißen, reduzieren und für Kinder und Zukunft Sorge tragen.
Inzwischen sitzen er und sein Team eng nebeneinander auf Bierbänken und schauen gespannt zu einer großen Bühne, von der jetzt die Ergebnisse verkündet werden. „Platz 2 der Profis geht an die Barbecue Allstars!“ Das Team aus Rostock jubelt und lässt sich unter lauten „Vizemeister, Vizemeister“-Rufen feiern.
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