Die Staatsanwaltschaft hat im Zuge der AWO-Affäre eine weitere Anklage wegen Untreueverdachts erhoben. Drei ehemaligen Hauptverantwortlichen werden mehr als 260 Taten vorgeworfen.

Das AWO-Logo vor einem Haufen Euo-Scheine

Im AWO-Skandal geht es um Millionenbeträge.
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Die AWO-Affäre wird weiter strafrechtlich aufgearbeitet. Nach Angaben der Frankfurter Staatsanwaltschaft vom Donnerstag ist gegen drei Hauptverantwortliche eine weitere Anklage erhoben worden.

Dabei handelt es sich um den 68 Jahre alten früheren Geschäftsführer der AWO Frankfurt, Jürgen Richter, und dessen 66 Jahre alte Ehefrau, Hannelore Richter, die bis Anfang 2020 Geschäftsführerin der AWO Wiesbaden war und zugleich als Sonderbeauftragte der AWO Frankfurt fungierte.

Ebenfalls angeklagt ist der 55 Jahre alte frühere stellvertretende Geschäftsführer der AWO Wiesbaden, Murat B. Ermittelt wird wegen Untreueverdachts und weiterer Straftaten.

Scheinverträge und unzulässige Kassenentnahmen

Den drei Angeklagten werden insgesamt 262 Straftaten zur Last gelegt, die sie als Täter oder Gehilfen oder Anstifter begangen haben sollen. Dabei handelt es laut Staatsanwaltschaft um „Vorwürfe der eigen- oder fremdnützigen Untreue durch den Abschluss von Scheinverträgen, unzulässige Kassenentnahmen, Kreditkartenzahlungen oder andere ungerechtfertigte Zahlungen“.

Nach hr-Informationen gehört auch der prominenteste Fall in der AWO-Affäre zu den Anklagepunkten: die Vorteilsgewährung des damaligen Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann, weswegen der frühere SPD-Politiker abgewählt und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Ebenfalls angeklagt wurde die Untreue gegenüber der AWO bezogen auf die Wahlkampfhilfe, die Hannelore Richter für Feldmann geleistet haben soll.

Außerdem gehören das mutmaßliche Scheinarbeitsverhältnis des ehemaligen Wiesbadener Sozialdezernenten Christoph Manjura in Wiesbaden dazu und die Scheinbeschäftigung der Tochter eines CDU-Stadtverordneten in Wiesbaden.

Wiesbadens Sozialdezernent Christoph Manjura (SPD)

Eine Vielzahl der angeklagten Punkte bezieht sich auf Minijobs, die das Ehepaar Richter und Murat B. eigenen Familienangehörigen oder ihnen nahestehenden AWO-Mitarbeitern gewährt haben sollen, ohne dass diese dafür arbeiten mussten. Darunter fällt auch der Minijob, für den Zübeyde Feldmann in einem Wiesbadener AWO-Altenheim bezahlt wurde, obwohl sie dort nicht gearbeitet hat.

Scheindarlehen, teure Dienstwagen, Bonuszahlungen

Ebenfalls zur Anklage gebracht wurden Scheindarlehen, die Mitarbeiter der AWO den Kreisverbänden gewährt haben sollen und für die sie im Gegenzug mit Minijobs belohnt wurden. Auch die sogenannten „Ehrenamtspauschalen“, mit denen dem Führungszirkel besondere nahestehende Personen „belohnt“ wurden, hat die Staatsanwaltschaft als Untreue gewertet.

Auch die Aufreger der teuren Dienstwagen bei den Kreisverbänden Frankfurt und Wiesbaden wurden zur Anklage gebracht. Demnach geht es um die sogenannte Car Alowance, mit der sich der damalige Chef der AWO Frankfurt, Jürgen Richter, seinen privaten Jaguar als Dienstwagen hat rückvergüten lassen. Die Car Alowance des damaligen Geschäftsführers in Wiesbaden, Murat B., wurde ebenso angeklagt.

Geschäftsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Frankfurt mit dem AWO-Logo hinter Zweigen eines Baumes

Auch Bonuszahlungen und Sondervergütungen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt als Untreue gegenüber den gemeinnützigen Vereinen gewertet. Dabei geht es unter anderem um eine jährliche Vergütung von 70.000 Euro, die Hannelore Richter bekommen haben soll. Sie wurde neben ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin des Kreisverbandes Wiesbaden als Flüchtlingsbeauftragte im Kreisverband Frankfurt beschäftigt.

Dazu kommen kleinere Fälle mutmaßlicher Untreue, die in der Öffentlichkeit für große Aufregung gesorgt haben, wie eine Magenverkleinerung, die sich Hannelore Richter laut Wiesbadener Kurier von der AWO hat bezahlen lassen. Außerdem werden ihnen Vereiteln der Zwangsvollstreckung, Bestechung und Begünstigung vorgeworfen.

Einzug von 2,5 Millionen Euro beantragt

Mit der Anklageschrift beantragt die Staatsanwaltschaft auch, Taterträge in Höhe von insgesamt mehr als 2,5 Millionen Euro einzuziehen. Das sind die Vermögenswerte, die Anfang 2020 nach einer Hausdurchsuchung bei den drei nun Angeklagten beschlagnahmt wurden.

Das Landgericht Frankfurt muss nun über die Eröffnung eines Hauptverfahrens entscheiden. Allerdings gehen Beobachter davon aus, dass der Prozess des nun angeklagten großen Untreueverfahrens noch lange auf sich warten lassen wird. Das Verfahren umfasst nach hr-Informationen rund 100.000 Seiten Akten.

Vor mehr als drei Jahren hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt beim Landgericht den ersten großem Komplex zur Anklage gebracht. In dem weiteren Verfahren aus dem Ermittlungskomplex wegen des Verdachts des Betrugs im Zusammenhang mit dem Betrieb von zwei Flüchtlingsunterkünften ist noch keine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gefallen.

Prozess in weiter Ferne

Wie das Landgericht dem hr am Donnerstag auf Anfrage bestätigt, ist der große AWO-Betrugsprozess bislang noch nicht zur Anklage zugelassen. Dem Vernehmen nach soll dies Ende des Jahres geschehen.

Zu diesem langen „Zwischenverfahren“ hat mit beigetragen, dass das Gericht die 2022 erhobene Anklage in ihrer ursprünglichen Fassung nicht zulassen wollte. Nachdem die Staatsanwaltschaft diese überarbeitet hatte, kam es an der Spitze der Strafkammer mehrfach zu Richterwechseln. Derzeit arbeitet sich die dritte Vorsitzende Richterin in den Fall ein. Die Akte umfasst ca. 40.000 Blatt.

Angesichts des Umfangs beider Verfahren gilt es in Justizkreisen als unwahrscheinlich, dass der Betrugs- und der Untreueprozesse parallel verhandelt werden können. Insofern liegt ein Prozess in der am Donnerstqag bekannt gewordenen Anklage noch in weiter Ferne.

Es gilt die Unschuldsvermutung.

Das Bürogebäude des AWO Kreisverbandes in Frankfurt. An der roten Hauswand steht in großen Lettern "AWO FFM".

Sendung:
hr INFO,

28.08.25, 13:00 Uhr

Quelle: hessenschau.de

Veröffentlicht am 28.08.25 um 10:18 Uhr