„Die Zauberflöte“ in Bremen: Im Würgegriff der Königin der Nacht | ndr.de
AUDIO: Mit Puls auf der Stuhlkante: „Die Zauberflöte“ in Bremen (4 Min)
Stand: 28.08.2025 13:59 Uhr
Witzige Ideen und eine mitreißende Interpretation ließen am Mittwochabend bei Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ alle den Atem anhalten. Beim Musikfest Bremen war eine halbszenische Aufführung mit der Deutschen Kammerphilharmonie und mit Operngrößen wie Elsa Dreisig und Kathryn Lewek zu erleben.
Diese Zauberflöte im Bremer Konzertsaal Die Glocke macht richtig Spaß. Mit vielen kleinen, witzigen Ideen gelingt es Regisseur Romain Gilbert, die wirre, rätselhafte Geschichte vom orientierungslosen, liebeskranken Tamino lebendig werden zu lassen – ganz ohne Bühnenbild: Wenn sich etwa beim Klang des Glockenspiels die wilden Kerle plötzlich wie Revuegirls unterhaken und mit sonnigem Blick „Das klinget so herrlich!“ tirilieren, oder der zum Schweigen verdonnerte Papageno, gesungen von Äneas Humm, den Simon and Garfunkel Klassiker „Sound of Silence“ singt.
Auch ohne Bühnenbild: Der Zauber geht nicht flöten
Die Deutsche Kammerphilharmonie und das Gesangsensemble in der Bremer Glocke unter der Leitung von Tarmo Peltokoski.
Herausragend an diesem Abend ist Kathryn Lewek als Königin der Nacht. 300 mal hat sie die Partie schon gesungen, mehr als 60 mal allein an der New Yorker Metropolitan Opera. Ihr Auftritt, ihre Koloraturen, ihre Mimik sind düster, abgründig und furios. Man sitzt auf der Stuhlkante – mit Puls. Sie packt ihre Tochter Pamina und das Publikum wie Darth Vader am Hals, ohne sie zu berühren.
Elsa Dreisig als Pamina verkörpert lyrisch und zauberhaft als heitere Unschuld das Gegenstück ihrer Mutter. Äneas Humm ist viel mehr als nur ein Comic Relief mit leicht verstimmter Vogelfängerflöte. Im Laufe des Abends singt er sich frei und wird zu einem musikalischen Motor des Geschehens.
Das Festival mit Veranstaltungen in der Hansestadt und ausgewählten Spielorten im gesamten Nordwesten setzt bewusst auf stilistische Vielfalt und Bandbreite.
Lebendiger Orchester-Sound
Der junge finnische Dirigent Tarmo Peltokoski führt die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen manchmal mit dynamischen, mitreißenden Disco-Moves, dann zeigt er aber auch nur mit einem kaum merklich zuckenden Ringfinger den Holzbläsern, wie es laufen soll. Im Orchester entsteht ein schwebender, lebendiger Sound bar jeder Zopfigkeit. Dopplereffekte zischen durch die Streicher. Und mit einem Händchen für guten Effekt steht der Solo-Flötist im Rampenlicht Tamino zur Seite. Dieser herausragende, mitreißende, musikalisch umwerfende Abend hat die gute alte Zauberflöte noch einmal besonders zum Leuchten gebracht.
Schikaneders Frauenbild fragwürdig
Ja, die Hymnen der Aufklärung von Vergebung und Menschlichkeit, die das Chorwerk Ruhr unter der Leitung von Michael Alber und auch Manuel Winckhler als Sarastro zelebrieren sind zeitlos schön. Aber bei Lichte besehen sind manche Texte des Librettisten Emanuel Schikaneder und insbesondere sein Frauenbild nicht wirklich gut gealtert. Bei der Arie des Monostatos oder Zeilen wie „Ein Weib tut wenig, plaudert viel“ blicken sich im Publikum auch ältere Zuschauerinnen und Zuschauer ein bisschen ratlos und auch erschrocken an. Auch wenn an diesem Abend vor allem die Musik das Sagen hatte, lohnt es sich, noch einmal über die Tonalität dieser weltberühmten Oper jenseits der Kinderschallplattennostalgie ins Gespräch zu kommen.
Am 29. August ist die Aufführung in der Hamburger Elbphilharmonie zu sehen.
Ob zu Hause oder unterwegs, lassen Sie sich mit dem NDR Podcast „Klassik to Go“ bestens auf ein Werk einstimmen.
Das Festival ist mit 18 Konzerten gestartet. Das Programm hat bis Anfang September viel zu bieten – von Arp Schnitger bis zur Techno-Marching-Band.
Die Hansestadt Bremen, aber auch ganz Nordwest-Niedersachsen werden bespielt, und zwar von großen Namen.