Zehn Tage sind seit dem Treffen europäischer Spitzenpolitiker mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump im Weißen Haus vergangen. Auf beiden Seiten des Atlantiks wurden seither Planungen für die militärische Unterstützung der Ukraine nach einem Waffenstillstand oder im Fall eines Friedensabkommens mit Russland mit neuem Schwung vorangetrieben. Das läuft unter dem Schlagwort Sicherheitsgarantien. Am Donnerstag tauschten sich die Generalstabschefs der Koalition der Willigen darüber aus. Als Nächstes sollen die nationalen Sicherheitsberater konferieren, bevor dann die Staats- und Regierungschefs Entscheidungen fällen müssen – über die Entsendung von Truppen in die Ukraine. Um Sicherheitsgarantien geht es auch, wenn sich die EU-Verteidigungsminister an diesem Freitag in Kopenhagen beraten. So will die Außenbeauftragte Kaja Kallas künftig ukrainische Soldaten in der Ukraine ausbilden lassen.

Von dem eilends organisierten Gipfel mit Trump sind die Europäer mit gemischten Gefühlen zurückgekehrt. Einerseits nahmen sie die Zusage des US-Präsidenten mit, dass Amerika nun bereit sei, sich auch militärisch in einer Koalition der Willigen zum Schutz der Ukraine zu engagieren. Zwar nicht an vorderster Front und nicht mit Kampftruppen, aber doch in „substantieller Form“, wie aus Teilnehmerkreisen zu hören ist. „Wir sind bereit, ihnen zu helfen“, hatte Trump nach den Beratungen öffentlich gesagt, „insbesondere wahrscheinlich über die Luft, denn niemand sonst verfügt über das, was wir haben“.

Trump sieht Russland anders als Europa

Andererseits ist den Europäern deutlich geworden, dass Trump und ein Teil seiner Berater ganz anders auf Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin blicken als sie. Die Amerikaner sehen Russland nicht als imperiale Macht, welche die Ordnung Europas infrage stellt, sondern als Großmacht, mit der sie wieder ins Geschäft kommen wollen. Das auch im ganz konkreten wirtschaftlichen Sinn, etwa bei der Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen. Der Krieg in der Ukraine steht dem im Weg. Während die Europäer Russland dauerhaft eindämmen wollen, rollt Amerika ihm den roten Teppich aus – wie beim Treffen Trumps mit Putin in Alaska zu sehen war. Daran nahmen auch die Wirtschaftsberater des US-Präsidenten teil. Hier besteht die Gefahr, dass Amerika und Europa in unterschiedliche Richtungen marschieren.

Das zeigt sich schon jetzt, wenn es um Sanktionen geht. Trump hat zwar Strafzölle gegen Indien verhängt, Moskau aber bisher verschont. Dagegen hat die Europäische Union mit ihren Arbeiten für das nächste Sanktionspaket gegen Russland begonnen. Anfang September wird ein Vorschlag der Kommission erwartet. Erste Beratungen dazu finden statt, wenn die Außenminister am Samstag in Kopenhagen tagen. Der F.A.Z. liegt ein Papier der dänischen Ratspräsidentschaft vor, das die Debatte strukturieren soll. Es stellt weitere Sanktionen gegen den russischen Energie- und Finanzsektor sowie unterstützende Dritte zur Debatte, außerdem noch mehr Listungen von Schiffen der Schattenflotte. Spannend ist, dass die Dänen erstmals darüber reden wollen, Ausfuhren von kriegsrelevanten Gütern in Drittstaaten komplett zu verbieten. Bisher stehen nur einzelne Unternehmen auf einer schwarzen Liste. Die rechtliche Option für ein Komplettverbot wurde mit dem 11. Sanktionspaket geschaffen; die natürlichen Kandidaten wären China, Hongkong, Indien und die Türkei, wie aus einer Übersicht der Dänen hervorgeht.

USA würde „Befähiger“ schicken

Zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine heißt es in Verhandlungskreisen übereinstimmend, dass die Vereinigten Staaten intern den Einsatz sogenannter strategischer Befähiger angeboten hätten. Das betreffe Überwachung und Aufklärung, Führungsfähigkeiten sowie Luftverteidigung und würde wohl auch eine gewisse Präsenz von US-Kräften in der Ukraine bedeuten. Die Amerikaner würden eigene Flugzeuge, Logistik und Radarstationen stellen, um einen „Luftschild“ für die Ukraine zu unterstützen, berichtete die „Financial Times“ am Dienstag, der aber von den Europäern durchgesetzt werden müsste. Eine Einschätzung lautet, dass Trump mit solchen Angeboten der Koalition der Willigen neues Leben eingehaucht habe. Schließlich hatten alle Partner ein größeres eigenes Engagement davon abhängig gemacht, dass die USA mit im Boot sind.

Die Europäer müssten im Gegenzug bereit sein, die Ukraine bis an die Zähne zu bewaffnen, damit sie sich selbst gegen russische Angriffe verteidigen kann. „Stählernes Stachelschwein“ wird dieses Modell genannt. Man müsse in Verhandlungen mit Russland unbedingt darauf dringen, sagt ein Kenner, dass der ukrainischen Armee keinerlei Beschränkungen auferlegt würden, was ihre eigene Verteidigung und die Unterstützung durch Partner betreffe.

Die Europäer müssten zudem bereit sein, eigene Kampftruppen in der Ukraine zu stationieren, um Russland abzuschrecken – nicht an der Front, wohl aber im Westen des Landes. Das hat Trump öffentlich schon als Bedingung genannt. Andrij Jermak, der Stabschef des ukrainischen Präsidenten, sagte Anfang der Woche, dass man über vier bis fünf Brigaden spreche. Das wäre eine Größenordnung von etwa 20.000 Soldaten und schon deshalb anspruchsvoll, weil die Einheiten alle paar Monate rotieren müssten. Faktisch wäre dadurch etwa die dreifache Zahl an Kräften gebunden.

Keine NATO-Garantie für die Ukraine

Intern ist oft von einem „Stolperdraht“ die Rede, was allerdings eine fragwürdige Analogie darstellt. So wurde einst die Stationierung alliierter Truppen in Westberlin beschrieben. Sie hätten einen Angriff des Warschauer Pakts zwar nicht stoppen können. Doch hätte jede Aggression sofort den NATO-Bündnisfall ausgelöst. Eine solche Garantie dürfte die Ukraine kaum bekommen. Nicht von der NATO, das hat Trump ausgeschlossen. Und wohl auch nicht von den europäischen Partnern einer Koalition der Willigen. Schließlich haben sie bisher peinlich darauf geachtet, nicht in einen direkten militärischen Konflikt mit Russland gezogen zu werden. Auf keinen Fall wollen sie an der Kontaktlinie stehen.

Das relativiert auch die Rede von Sicherheitsgarantien nach dem Vorbild von Artikel 5 des NATO-Vertrags. Trumps Sondergesandter für Russland, Steve Witkoff, hatte nach dem Treffen in Alaska gesagt, dass Putin mit einer daran angelehnten Regelung „leben könne“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen griff das sogleich auf. Tatsächlich wird intern aber eher von Japan und Südkorea als Vorbild gesprochen. Beide Staaten haben Sicherheitsabkommen mit den USA geschlossen, in denen sich Washington zu ihrer Verteidigung gegen einen Angriff von außen verpflichtet hat. Das geht freilich mit der Stationierung von Zehntausenden US-Soldaten einher – was Trump für die Ukraine ausdrücklich ablehnt.

In Kopenhagen werden sich die Verteidigungsminister mit einem weniger robusten Szenario beschäftigen. Die Außenbeauftragte Kallas will das Mandat der EU-Ausbildungsmission auf die Ukraine ausdehnen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte sich schon vor einem Jahr bereit erklärt, eigene Ausbilder dorthin zu entsenden und eine Koalition von Willigen anzuführen. Daraus geworden ist bisher nichts. Die EU-Staaten scheuten das Risiko, selbst zum Ziel von Angriffen zu werden.