Es gibt verschiedene Wege, wie Transfergerüchte entstehen. Mal lanciert der Berater eines Spielers einen möglichen Wechsel oder das Interesse eines anderen Clubs, mal ist es der aufnehmende oder abgebende Verein, mal rotieren Informationen auch über nicht unmittelbar beteiligte Akteure. In der Regel stellt sich dabei die Frage: Welche Seite hat ein Interesse daran, dass schon vor der Unterschrift berichtet wird?
Im Fall des 1. FC Magdeburg und des FC St. Pauli hatte mit Sicherheit keine Seite Interesse daran, was nun passiert ist. In Kurzform: Magdeburgs Sport-Geschäftsführer Otmar Schork lässt am Mittwochabend beim Regionalliga-Spiel der U23 gegen BFC Dynamo (4:3) seinen Laptop aufgeklappt, mehrere Fans fotografieren das geöffnete Outlook-Programm ab und entdecken zufällig ein Transferangebot des Kiezclubs für Stürmer Martijn Kaars.
Transfermarkt: Interne E-Mail zwischen St. Pauli und Magdeburg geleakt
Am Donnerstag verbreitete sich das Foto in diversen Fan-Foren. Zu sehen ist eine tagesaktuelle E-Mail von St. Paulis U-23-Leiter Carsten Rothenbach, der sich im Auftrag von Sportchef Andreas Bornemann beim 1. FCM meldet. Der Text beginnt mit einer freundlichen Anrede, angehängt ist ein PDF-Dokument, das, wie es heißt, ein konkretes Transferangebot enthalte – und eine Frist, bis zu deren Ablauf es gültig bleibe. Im weiteren Text geht es um Details der Abwicklung, etwa um den Medizincheck und den möglichen Zeitpunkt einer Vertragsunterschrift.
Martijn Kaars (26) soll den FC St. Pauli im Angriff verstärken.
© picture alliance / Foto Huebner | Foto Huebner
Der weitere Ablauf gestaltete sich offenbar simpel, schließlich verkündete St. Pauli noch am Donnerstagabend den Transfer offiziell. „Martijn Kaars ist ein vielseitiger Stürmer, der unser gesuchtes Profil sehr genau erfüllt. Als Mittelstürmer hat er seine Qualitäten unter Beweis gestellt, kann aber auch gefährlich über die Außen kommen. Auf dem Platz zeigt er eine spannende Kombination aus Geschwindigkeit und intensiven Metern sowie Abschlussstärke“, sagte Sportchef Andreas Bornemann.
St. Pauli gab offenbar drei Angebote für Kaars ab
In welchem finanziellen Bereich sich das offenbar zweimal nachgebesserte Ablöseangebot bewegt, war aus der E-Mail nicht ersichtlich. Grundsätzlich dürfte sich die Summe für den Niederländer aber grob im Bereich seines Marktwerts von vier Millionen Euro bewegen, zumal er in Magdeburg noch über diese Saison hinaus unter Vertrag stand.
Mit 19 Toren und sechs Assists in 33 Zweitligaspielen bringt Kaars eine beeindruckende Quote aus der vergangenen Saison mit, traf auch in den ersten drei Zweitligaspielen dieser Saison bereits zweimal. Mit seinem hohen Tempo und gefährlichen Tiefenläufen hinter die gegnerische Kette passt er optimal ins Anforderungsprofil der Kiezkicker.
„Gefährlich im Abschluss, dazu stark im defensiven Verhalten und Pressing – diese Kombination passt optimal zu unserer Spielidee. Martijn Kaars ist ein enorm fleißiger Stürmer, aktiv und viel unterwegs. Was mir besonders wichtig ist: Er schaltet schnell um, sowohl offensiv als auch defensiv. Ich freue mich, dass er bei uns an Bord ist“, freut sich auch St.-Pauli-Coach Alexander Blessin auf Kaars.
Magdeburg-Sportchef zeigt sich empört
Magdeburgs Sport-Geschäftsführer Schork war derweil weniger begeistert. „Der 1. FC Magdeburg ist zutiefst empört darüber, dass ein Foto einer E-Mail ohne Einverständnis und von außen durch ein Fenster, das durch eine fast komplett heruntergelassene Jalousie verdunkelt war, angefertigt und verbreitet wurde. Hierfür gibt es klare gesetzliche Regelungen, die eine Veröffentlichung oder Weitergabe solcher Inhalte ausdrücklich verbieten. Aus diesem Grund haben wir bereits Anzeige bei der Polizei erstattet. Mit diesem Verhalten hat diejenige Person, die das Foto gemacht hat, dem FCM massiven Schaden zugefügt. Auch ist das Verhalten keineswegs im Sinne unserer treuen Fans“, wird Schork in einer Mitteilung des Clubs zitiert.
„Wir stellen uns ernsthaft die Frage, welche Formen die Effekthascherei mittlerweile angenommen hat. Offensichtlich wird bewusst in Kauf genommen, Persönlichkeitsrechte zu verletzen, um kurzfristige Aufmerksamkeit zu erlangen. Diese Entwicklung kritisieren wir aufs Schärfste.“