Auswertung für Stuttgart: Armut, Lärm, Dreck und Hitze - Im „Stuttgarter T“ kommt das alles zusammen In einigen Vierteln in der Stuttgarter Innenstadt kommen Hitze, Lärm und schlechte Luft mit sozialen und gesundheitlichen Problemen zusammen. (Archivbild) Foto: Imago/Arnulf Hettrich

An manchen Orten in Stuttgart ist es besonders heiß, laut und schmutzig, gleichzeitig wohnen dort viele Menschen mit wenig Geld. Daten der Stadt zeigen, wo genau das der Fall ist.

In 18 Stuttgarter Nachbarschaften in der Innenstadt und im Neckartal sind die Menschen gleich doppelt und dreifach belastet: Ein Monitoring der Stadtverwaltung zeigt erstmals, in welchen Stadtvierteln die Einwohner besonders stark von Umwelt-Ungerechtigkeit betroffen sind. In diesen Vierteln ist das Leben durch große Hitze im Sommer, einen Mangel an Grünflächen, nächtlichen Lärm und Luftschadstoffe besonders belastend, während gleichzeitig der Gesundheitszustand relativ vieler Menschen schlecht ist und vergleichsweise viele als arm gelten.

Im sogenannten Quartiersmonitoring vergleicht die Stadt dafür 347 Stadtviertel, also Nachbarschaften mit durchschnittlich 1400 Einwohnern. Es zeigt: 17 der auffälligen Stadtviertel stehen in Sachen Umweltgerechtigkeit deutlich schlechter da als der Stuttgartschnitt, hinzu kommt das Innenstadtgebiet vom Leonhardsviertel bis zum Olgaeck, das als einziges die höchste Stufe („stark überdurchschnittlich“) erreicht.

Daten der Stadt Stuttgart gehen ins Detail

Neben der Frage, wie belastend Umgebung und Klima dort sind, fließen auch gesundheitliche Faktoren ein: Gemessen wird das unter anderem an der Zahl von Kindern mit Auffälligkeiten bei der Vorschuluntersuchung, dem Anteil an Seniorinnen und Senioren und der Zahl früher Todesfälle. Unter dem sozialen Blickwinkel betrachtet die Stadt nicht nur das Einkommen der Menschen, sondern zum Beispiel auch, wie viele schon seit langer Zeit oder ohne Berufsausbildung arbeitslos gemeldet sind oder Anspruch auf die städtische Bonuscard haben.

Auf der Karte zeigt sich: Die besonders belasteten Stadtviertel liegen alle an einer Achse von der Innenstadt bis nach Bad Cannstatt und entlang einer Achse von den Neckarvororten bis nach Zuffenhausen. Dort sieht die Stadtverwaltung schon länger Problemzonen – so sehr, dass es dafür einen Namen gibt: In einer Präsentation der Stadtverwaltung ist vom „Stuttgarter T“ die Rede, angelehnt an ihre Anordnung auf dem Stadtplan.

Die Analyse verknüpft erstmals detaillierte Daten über die soziale und gesundheitliche Situation der Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit der Frage, wer in der Stadt bereits heute von Klimafolgen wie großer Hitze betroffen ist und wo besonders viel Handlungsbedarf besteht. Die Stadt strebt auf Grundlage der Daten „gerechte, gesundheitsfördernde und nachhaltige Stadtentwicklungsplanung“ an, erklärt eine Sprecherin. In belasteten Gebieten will die Stadt beispielsweise durch Verkehrsberuhigung oder mehr öffentliche Begegnungsflächen und Sportmöglichkeiten gegensteuern. Zugleich soll dort die Gesundheitsversorgung der Bewohner gefördert werden – ein Beispiel, das die Stadt nennt, sind mehrsprachige Gesundheitslotsen.

Stuttgart ist eine vergleichsweise reiche Stadt, aber…

Die Daten bestätigen einen statistischen Zusammenhang, den Forscher in zahlreichen Städten vorfinden: Dort, wo die Umgebung besonders laut, heiß und umweltbelastet ist, leben häufiger sozial benachteiligte Menschen. Ihnen fehlen häufig die Mittel, um sich vor Lärm und Hitze zu schützen, zum Beispiel durch besser isolierte oder klimatisierte Wohnungen. Umgekehrt leben Reiche häufiger in deutlich angenehmeren, grüneren Umgebungen – ein Phänomen, das man zum Beispiel auch in Berlin kennt. Auch schlechtere Gesundheit und soziale Probleme gehen oft Hand in Hand.

Zwar ist Stuttgart eine vergleichsweise reiche westdeutsche Stadt, doch zwischen den Höhenlagen und dem Neckartal sind Unterschiede in Einkommen oder Gesundheit spürbar und spiegeln sich in der Quartiersanalyse wider. „Wir wollen dem ungünstigen Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Lage entgegenwirken“, sagt Stefan Ehehalt, Leiter der städtischen Gesundheitsamts. Mit dem Quartiersmonitoring könne man den Effekt städtischer Maßnahmen messen. „Dafür müssen wir genau hinschauen.“

Datengrundlage

Stadtviertel
Die Stadtviertel beruhen auf einer Neugliederung, die Stadtverwaltung und Gemeinderat im Jahr 2019 beschlossen haben. Das Stuttgarter Stadtgebiet wurde dabei in 457 sozialstrukturell zusammenhängende Nachbarschaften aufgeteilt. Sie sind mit ihren durchschnittlich 1400 Einwohnern deutlich überschaubarer als die ihnen übergeordneten Stadtteile und Stadtbezirke, und eignen sich damit besser für kleinräumigere, präzisere Analysen.

Monitoring
Der erste Teil des Quartiersmonitorings zum Thema Armut wurde bereits 2021 abgeschlossen, nun sind mit den Gesundheits- und Umweltanalysen weitere Daten hinzugekommen. Insgesamt 110 Stadtviertel sind allerdings so dünn besiedelt, dass sie im Quartiersmonitoring nicht berücksichtigt werden.