Berlin – Von der öffentlichen Hand leben, aber für Hunderttausende einkaufen: Ein arbeitsloser Familienvater aus Weißensee gibt in sechs Wochen fast 300 000 Euro für Kokain und Cannabis aus. Vor Gericht gibt er sich geläutert.
Kriminalgericht, Saal 504. Angeklagt: Kadir E. (33). Türke. Verheiratet. Drei Kinder. Lebt in Weißensee. Kein Beruf. Seit Jahren ohne Arbeit. Seit Jahren Sozialhilfe.
Am 23. Februar 2024 wird der Familienvater verurteilt: 3 Jahre und 6 Monate Knast. Es geht um fette Drogenkäufe. Von März bis Mai 2020 gab der Familienvater dafür im Schnitt über 6500 Euro aus – am Tag!
Arm wie eine Kirchenmaus, schmeißt aber mit Geld um sich – kann das sein? Doch die Beweise gegen ihn waren erdrückend – und stammten von ihm selbst.
So wurde der Sozialhilfe-Empfänger überführt
Das kam so: Wer damals als Krimineller etwas auf sich hielt, nutzte EncroChat. Ein Kryptodienst, teuer, aber abhörsicher. Bis er 2020 von französischen Ermittlern geknackt wurde. Die belauschten die Kriminellen wochenlang, ohne dass die das merkten. Die Protokolle gingen an Ermittler in aller Welt: harte Beweise, auf dem Silbertablett präsentiert. EncroChat hatte 60.000 Nutzer. Allein in Berlin gibt es deshalb 191 Beschuldigte. Kadir E. ist einer davon.
Ihm war die Strafe zu hoch. Der Staatsanwaltschaft war die Strafe zu niedrig. Beide gingen erfolgreich in Revision. Der Bundesgerichtshof entschied: neue Verhandlung.
Drogen-Dealer gibt sich geläutert
Er lebt immer noch von Sozialhilfe. Nehme jetzt aber keine Drogen mehr und pflege seine Schwester, sagt er. Der Staatsanwalt beantragt 4 Jahre Haft: hohe kriminelle Energie, Straftaten unter einschlägiger Bewährung, „einträgliches Geschäftsmodell“, leben von Sozialhilfe und „nebenher ganz gut verdienen“.
Der Verteidiger beantragt 3 Jahre Haft: „Er lässt sich jetzt nicht nur von Sozialgeldern querfinanzieren, er macht jetzt auch etwas: Kümmert sich um seine schwer kranke gewalttätige Schwester. Das ist bemerkenswert!“
Das Urteil
Urteil im Namen des Volkes: 3 Jahre und 6 Monate Haft, Einziehung von 291.475 Euro aus Taterlösen bleibt angeordnet.