Stand: 29.08.2025 19:00 Uhr

Nach dem Tod einer 16-Jährigen am Bahnhof von Friedland hat die Polizei Göttingen einen Mann festgenommen. Er wird verdächtigt, die Jugendliche gegen einen Güterzug gestoßen zu haben. Behrens fordert genaue Aufarbeitung.

Wie die Staatsanwaltschaft Göttingen am Freitag mitteilte, wurde ein Unterbringungsbefehl wegen des Verdachts auf Totschlag gegen den 31-Jährigen erlassen. Der Mann mit irakischer Staatsangehörigkeit sei nun in einer Psychiatrie untergebracht. Es bestehe Fluchtgefahr. Zuvor hieß es, er befinde sich in Untersuchungshaft. Der Staatsanwaltschaft zufolge sind durch Untersuchungen eindeutige DNA-Spuren des 31-Jährigen an der rechten Schulter der Getöteten entdeckt worden. Man könne davon ausgehen, dass es sich hierbei nicht nur um eine leichte Berührung gehandelt habe, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Buick dem NDR Niedersachsen. Der Beschuldigte müsse schon „etwas kräftiger zugegriffen haben, um eine solche Spur zu verursachen“, so Buick. Laut Staatsanwaltschaft gebe es keine Verbindung zwischen dem Tatverdächtigen und dem Opfer. Der 31-Jährige schweigt nach Angaben der Ermittler bisher.

Nennung von Nationalitäten: Das gilt für Medien

  • Grundsätzlich bekennen sich die deutschen Print- und Onlinemedien mit Ziffer 12 des Pressekodex zu einem Diskriminierungsverbot. Bei der Berichterstattung über Straftaten soll die Zugehörigkeit der Täter oder Täterinnen zu ethnischen, religiösen oder anderen Gruppen daher in der Regel nicht erwähnt werden – es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.
  • In jedem einzelnen Fall ist daher abzuwägen, ob für die Nennung einer Gruppenzugehörigkeit ein begründetes öffentliches Interesse besteht oder die Gefahr der diskriminierenden Verallgemeinerung überwiegt. Ein begründetes öffentliches Interesse liegt unter anderem vor, wenn es sich um eine besonders schwere oder außergewöhnliche Straftat handelt, die Biografie eines Verdächtigen für die Straftat von Bedeutung ist oder sie von einer größeren Gruppe mit einem großen Anteil gemeinsamer Merkmale begangen wurde.

Verdächtiger randalierte am Bahnhof

Der Vorfall hatte sich am 11. August gegen 16 Uhr ereignet. Die Polizei hatte zunächst von einem Unfall gesprochen. Neuen Informationen der Staatsanwaltschaft zufolge war die Polizei kurz vor der Tat zum Bahnhof gerufen worden, weil der 31-Jährige dort randaliert haben soll. Nach Ankunft der Beamten hätte der Mann sie zum Bahnsteig geführt, wo die Leiche der 16-Jährigen lag. Gegenüber der Polizei habe der Mann die Tat bestritten und behauptet, die Tote auf dem Bahnsteig gefunden zu haben. Ein freiwilliger Alkoholtest habe 1,35 Promille ergeben. Da die Beweismittel zur damaligen Zeit nicht ausreichten, war der 31-Jährige am Tattag aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen worden.

Schuldfähigkeit des Verdächtigen wird geprüft

Allerdings verhielt sich der 31-Jährige nach Angaben der Staatsanwaltschaft kurz nach seiner Entlassung aggressiv in seiner Unterkunft für Geflüchtete in Friedland (Landkreis Göttingen). Gegen 18.40 Uhr sei die Polizei zur Unterkunft gerufen worden. Anschließend sei der Mann bis Freitag in einer Klinik untergebracht worden. Der Behörde zufolge wurde bei dem 31-Jährigen in der Vergangenheit eine „paranoide Schizophrenie“ diagnostiziert. Seine Schuldfähigkeit werde derzeit geprüft.

Was bedeutet Unterbringungsbefehl?

Eine Unterbringung nach § 126 a StPO bedeutet die einstweilige Unterbringung einer Person in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, wenn dringende Gründe vorliegen, dass sie eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit begangen hat. Außerdem muss eine dauerhafte Unterbringung zu erwarten sein und die öffentliche Sicherheit diese erfordern. Es handelt sich um eine vorläufige Maßnahme. Sofern sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens herausstellt, dass eine nach § 126 a StPO untergebrachte Person voll schuldfähig ist, wird der Unterbringungsbefehl in einen Haftbefehl umgewandelt und die Person in eine Haftanstalt verlegt.

Abschiebung des Verdächtigen seit März 2025 möglich

Der Mann ist laut Staatsanwaltschaft im Sommer 2022 in Braunschweig erstmals von der Bundespolizei kontrolliert worden – er habe dabei sein Asylbegehren geäußert. Den Angaben zufolge wurde der Asylantrag des 31-jährigen Irakers im Dezember 2022 abgelehnt. Seine Abschiebung nach Litauen ist seit März 2025 möglich, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt habe, verbüßte der Mann Anfang Juli 2025 eine 20-tägige Ersatzfreiheitsstrafe.

Amtsgericht Hannover: Antrag auf Abschiebehaft wurde nicht nachgebessert

Ein Antrag auf Abschiebehaft durch die Ausländerbehörde sei im Juli vom Amtsgericht Hannover abgelehnt worden. Nach Angaben des Amtsgericht Hannover ist es nicht möglich gewesen, die Abschiebehaft zu verhängen. Ein Gerichtssprecher verwies auf hohe rechtliche Hürden. Die Landesaufnahmebehörde habe dem Betroffenen im Vorfeld zudem keine Frist zur Ausreise gesetzt. Im Antrag auf Anordnung der Abschiebehaft sei die Fluchtgefahr nicht ausreichend begründet worden, erklärte der Sprecher auf Anfrage von NDR Niedersachsen. Die Landesaufnahmebehörde hätte aber die Möglichkeit gehabt, den Antrag nachzubessern – das sei nicht geschehen. Daraufhin hätte sich der 31-Jährige Ende Juli erneut als Asylsuchender in Friedland gemeldet. Zu einer Vorladung sei er nicht erschienen.

Behrens: Fall darf nicht missbraucht werden

Der Fall zeige einmal mehr die massiven Probleme des sogenannten Dublin-Verfahrens, sagte Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Freitag. Im Dublin-Verfahren ist die Verteilung von Asylsuchenden in Europa geregelt. Der 31-Jährige hätte somit nicht mehr in Deutschland, sondern in Litauen seien sollen. „Es ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar, dass sich Personen jahrelang in Deutschland aufhalten, obwohl ein ganz anderer EU-Staat für sie zuständig ist“, so die SPD-Politikerin. Behrens forderte, genau aufzuarbeiten, warum der Verdächtige nicht nach Litauen überstellt wurde. Die Ministerin warnte aber davor, den Fall zu missbrauchen, um Hass zu säen.

Polizei warnte vor Falschmeldungen

Die Familie der Auszubildenden aus dem thüringischen Heilbad Heiligenstadt (Landkreis Eichsfeld) hatte sich nach Polizeiangaben an mehrere politische Parteien gewandt, um Unterstützung bei der Aufklärung zu bekommen. Zuletzt hatten laut Polizei Gerüchte zu dem Fall in den sozialen Medien kursiert. Die Beamten hatten daher um Besonnenheit gebeten und vor Falschmeldungen gewarnt.

Flatterband mit der Aufschrift: "Polizeibasperrung".

Der Unfall hat sich laut Polizei im Bahnhof von Friedland (Landkreis Göttingen) ereignet. Der genaue Hergang sei noch unklar.