Bochum – Ein Kioskbesitzer soll auf offener Straße einen Familienvater erstochen haben – 29 Jahre später wird er freigesprochen! Weil die Tat juristisch nur als Totschlag gilt und der längst verjährt ist.

Knapp 30 Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Opel-Mitarbeiter Reinhardt Schönig (†54) sprach das Bochumer Schwurgericht den mutmaßlichen Täter Andrzej F. (59) am Freitag frei. Trotzdem sind die Richter überzeugt: Der ehemalige Kioskbetreiber stach in der Nacht zum 2. März 1996 in Bochum-Wattenscheid (Nordrhein-Westfalen) mit einem Messer immer wieder auf den Familienvater ein – in Schulter, Brust, ins Gesicht, ein Stich traf direkt ins Herz. Schönig verblutete auf dem Gehweg.

Opel-Arbeiter Reinhardt Schönig (†54) wurde auf dem Heimweg erstochen. Sein mutmaßlicher Killer wurde freigesprochen

Opel-Arbeiter Reinhardt Schönig (†54) wurde auf dem Heimweg erstochen. Sein mutmaßlicher Killer wurde freigesprochen

Foto: privat

Mann erstochen! Gericht sieht keine Mordmerkmale

Doch weil die Kammer keine Mordmerkmale sah, wertete sie die Tat nur als Totschlag – und der verjährt nach 20 Jahren, Mord dagegen nie. Richterin Petra Schönenberg-Römer sprach von einem „unbefriedigenden Ergebnis“. Es gebe keine Zweifel, dass F. mit „absolutem Vernichtungswillen“ auf sein Opfer eingestochen habe.

Mit diesem Messer wurde Reinhardt Schönig 1996 erstochen. An der Tatwaffe soll die DNA des Polen Andrej F. festgestellt worden sein

Mit diesem Messer wurde Reinhardt Schönig 1996 erstochen. An der Tatwaffe soll die DNA des Polen Andrej F. festgestellt worden sein

Foto: Björn Kanka

Mehr zum ThemaPolizei suchte 26 Jahre nach dem Killer

Die grausame Tat erschütterte damals die ruhige Nachbarschaft. Anwohner hörten in jener Nacht Schreie, sahen zwei Männer: einer flüchtete, der andere brach zusammen. 150 Meter weiter fand die Polizei einen blutigen Anorak und die Tatwaffe. Doch der Täter war verschwunden.

Mit diesem Phantombild suchte die Polizei lange vergeblich nach dem Killer

Mit diesem Phantombild suchte die Polizei lange vergeblich nach dem Killer

Foto: Polizei

Kommissar Axel Pütter (71) leitete damals die Ermittlungen, sagte: „Das war eines der brutalsten Verbrechen, mit denen ich in 21 Jahren zu tun hatte.“ Erst ein europaweiter DNA-Abgleich 2022 brachte den Durchbruch: Spuren an Jacke und Dolch führten nach England. In Leeds wurde der Pole Andrzej F. im Sommer 2022 festgenommen. Im Januar 2025 wurde F. nach Deutschland ausgeliefert – kurz darauf begann der Prozess um den Cold Case.

In diesem Haus bei Leeds wohnte Andrzej F. bis zu seiner Festnahme mit Frau und Tochter

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Foto: Andreas Wegener

Sein Verteidiger Michael Emde zu BILD: „Das Gericht geht von einer Täterschaft aus, kann aber kein Mordmerkmal feststellen.“ Aus seiner Sicht sei jedoch auch die Täterschaft nicht nachweisbar. Das einzige Beweismittel seien DNA-Spuren – und die ließen sich nicht eindeutig mit der Tat in Verbindung bringen. Es sei erschreckend, wie wenig nötig sei, um ein Gericht zur Überzeugung einer Täterschaft ohne vernünftige Zweifel zu bringen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.