Menschen mit psychischen Problemen leiden häufig nicht nur wegen ihrer Krankheit, sondern auch wegen Vorurteilen in der Bevölkerung. Glaubt man der CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat, sind diese Vorurteile im Stadtteil Paunsdorf besonders groß. Zumindest wurden dessen Einwohner*innen in Stellung gebracht, um gegen den Antrag „Kunst auf Rezept“ zu schießen.

Die Idee scheint simpel: Ärzt*innen sollen Patient*innen freiwillige kulturelle Angebote verschreiben, um deren Gesundheit zu fördern. Grünen-Stadträtin Chantal Schneiß beschrieb das in der Ratsversammlung am 27. August als „sinnvolle Ergänzung zu medizinischen und therapeutischen Behandlungen“. Die gelernte Krankenpflegerin verwies dabei auf die Weltgesundheitsorganisation, die schon 2019 positive Effekte von Kunst und Kultur erkannt hatte.

Im tiefen Leipziger Osten sind diese Erkenntnisse möglicherweise noch nicht bekannt. Das deutete zumindest CDU-Stadtrat Julian Schröder an, als er Schneiß dazu einlud, ihn in seinen Wahlkreis in Paunsdorf zu begleiten und die Leute zu fragen, „was sie von Kunst auf Rezept halten“.

Grüne und CDU werfen sich gegenseitig Spaltung vor

Schröder sah im Grünen-Antrag sogar das Gegenteil von Gesundheitsförderung: Dieser und ähnliche Anträge seien „Gift“ für das gesellschaftliche Klima. Leider fand sich im Stadtrat spontan kein Toxikologe, der die Ausführungen von Krankenpflegerin Schneiß und Sozialpädagoge Schröder hätte ergänzen können.

Inhaltlich äußerte sich der CDU-Stadtrat nicht zum Antrag. Er störte sich aber an einer angeblichen Tendenz von Grünen-Anträgen: mehr Verwaltung, mehr Ausgaben, mehr Bürokratie. Und das in einer Zeit, in der Leipzig darauf wartet, dass der Haushalt genehmigt wird.

Grünen-Stadträtin Katharina Krefft sprach anschließend von einem „unangemessenen Beitrag“ und warf wiederum Schröder vor, die Gesellschaft spalten zu wollen. Der Vorschlag der Grünen koste nichts. Fraktionskollegin Schneiß wollte diese Aussagen eigentlich ergänzen, musste aber eingestehen, den „Faden verloren“ zu haben, weil die Rede von Schröder „unterirdisch“ gewesen sei.

Die Kostenfrage

Schließlich widersprach CDU-Stadtrat Falk Dossin der Behauptung, dass es nichts kosten würde. Sowohl das von den Grünen ursprünglich beantragte Modellprojekt als auch die wissenschaftliche Begleitung würden Geld oder zumindest Ressourcen kosten.

Was einerseits vermutlich stimmt, andererseits aber keine große Rolle mehr spielte, weil die Grünen den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung stellten. Dort hieß es lediglich: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die Angebote und Möglichkeiten von Kunst und Kultur bei psychischen Belastungs- beziehungsweise Ausnahmesituationen verstärkt in die Kommunikation aufzunehmen und insbesondere gegenüber niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zu bewerben.“

Die große Mehrheit im Rat fand das sinnvoll. Nur CDU und AfD behielten die Wähler*innen in Paunsdorf im Blick und stimmten gegen den modernen Ansatz zur Gesundheitsförderung.