Nach der Sperrung der Bahnlinie Berlin-Hamburg stehen Bahnreisende in der Region vor der nächsten Zumutung. Denn auch die wichtige Hauptstrecke zwischen Berlin und München wird ab dem 24. September von der Deutschen Bahn für drei Monate gesperrt: ICEs werden umgeleitet und sind dadurch über eine Stunde länger unterwegs. Und die Städte Jüterbog und Luckenwalde sind nur noch mit Ersatzbussen erreichbar.

Doch während die Brandenburger Landesregierung erst am Freitag die Bedeutung des Landes als „Pendlerland“ hervorhob, und die Bahn die Sperrung der Bahnlinie zwischen Berlin und Hamburg schon Monate vorab mit einer umfangreichen Medienkampagne begleitet hatte, sind dieses Mal auch geübte Bahnreisende völlig unvorbereitet ins kalte Wasser geworfen worden.

Fahrgastverband: Verspätungen „deutlich größer“ als auf der Strecke nach Hamburg

„Besonders gravierend: Die Fahrzeitverlängerungen ab Berlin Richtung München und Frankfurt sind sogar deutlich größer als die Verlängerungen Richtung Hamburg“, heißt es in einer Mitteilung des Fahrgastverbands „Pro Bahn“. „Damit trifft diese Sperrung nicht nur den Regionalverkehr, sondern auch zwei der wichtigsten Fernverkehrsachsen aus Berlin heraus.“

ICE-Totalausfall zwischen Berlin und Hamburg Wittenberge, ein Ort bleibt auf der Strecke

Konkret fordert der Verband einen Ersatzverkehr im Generalsanierungs-Standard: „Bus- und Umleitungsverkehre müssen denselben Qualitätsmaßstab erfüllen wie zwischen Berlin und Hamburg.“ Zudem müsse die Bahn einen Baukalender veröffentlichen, der mehrere Monate vorausschaue. Fahrgäste sollten nicht kurzfristig von mehrmonatigen Sperrungen überrascht werden, heißt es von „Pro Bahn“ weiter.

Infrastrukturministerium: Strecke ist kein hochbelasteter Korridor

Die Sprecherin des Potsdamer Infrastrukturministeriums, Aud Krubert, wies die Kritik in Teilen zurück. Die laufenden und geplanten Baumaßnahmen entlang der sogenannten Anhalter Bahn seien Teil des regulären Baugeschehens der DB InfraGO. Sie seien im üblichen Verfahren mit den Aufgabenträgern kommuniziert worden und auch – wie bei anderen Bauprojekten – über die Kanäle des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) öffentlich zugänglich.

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„Anders als bei hochbelasteten Korridoren wie der Strecke Hamburg-Berlin, für die eine intensivierte und ressortübergreifende Kommunikation vorgesehen ist, erfolgte hier keine vergleichbar ressourcenstarke Abstimmung“, erläuterte Krubert. Dies hänge mit der bundesweiten Fokussierung der DB InfraGO auf die sogenannten Hochleistungskorridore zusammen, was die Kapazitäten aller Beteiligten stark binde. Das Land Brandenburg sei hier nicht eingebunden, weise die Bahn aber auf die starke Belastung der Fahrgäste hin.

SPD fordert viergleisigen Ausbau der Anhalter Bahn bis Jüterbog

Die SPD-Verkehrspolitikerin Martina Maxi Schmidt sprach von einem „massiven Eingriff in den Bahnverkehr“. „Ich erwarte von der Deutschen Bahn eine frühzeitige und transparente Kommunikation sowie einen verlässlichen Ersatzverkehr“, sagte Schmidt auf Anfrage dieser Zeitung. „Fahrgäste haben ein Recht auf Planungssicherheit – gerade bei solchen Maßnahmen.“

Der Jüterboger SPD-Landtagsabgeordnete Erik Stohn sagte unserer Redaktion, die Sperrung sei „ärgerlich für Pendler, aber auch für Menschen, die die Region touristisch erreichen wollen“. Denn trotz teilweisem Einsatz von Expressbussen erhöhe sich die Fahrzeit für drei Monate erheblich.

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„Ich bin aber der Hoffnung, dass wir gerade wegen der Verbindung der Arbeiten mit der Generalsanierung zwischen Berlin und Hamburg dann sehr lange von Streckensperrungen verschont sind und die Bauarbeiten in der angekündigten Zeit bleiben“, so Stohn. Dass aus Gleisbauarbeiten solch massive Einschnitte in der Bedienung einer der Bahnhauptstrecken in ganz Ostdeutschland folgten, liege auch daran, dass das Schienennetz unterdimensioniert sei und mehr Resilienz und Kapazität brauche. Die SPD Teltow-Fläming fordere deswegen einen viergleisigen Ausbau der Anhalter Bahn bis Jüterbog.

CDU fordert engmaschige Überwachung des Ersatzverkehrs

Und auch die CDU-Opposition fordert zu politischem Handeln auf: „Wir fordern das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung und Verkehrsminister Tabbert auf, den Schienenersatzverkehr (SEV) auf der Anhalter Bahn genauso engmaschig zu überwachen, wie er es für den Schienenersatzverkehr auf der Strecke Hamburg–Berlin angekündigt hat“, sagte die Verkehrspolitikerin Nicole Walter-Mundt.

„Das heißt: tägliches Lagebild, klare Qualitätskennzahlen (Pünktlichkeit, Platzangebot, barrierefreie Kapazitäten), Reservebusse für Spitzenzeiten, funktionierende Anschlüsse sowie transparente Echtzeit-Information über App, Internet und an den Haltestellen.“ Man sei aber angesichts der Erfahrungen auf der Hamburger Bahn eher skeptisch, dass es nun im Süden reibungslos laufen werde.