Nach drei Monaten sind im Prozess um den Streit zwischen zwei Bauarbeitern in Ludwigsburg am Landgericht Stuttgart die Plädoyers gehalten worden.

Am vorletzten Tag im Prozess um versuchten Mord gegen einen 42-jährigen Bauarbeiter sind im Landgericht Stuttgart beim Angeklagten und dessen Angehörigen mehrfach die Tränen geflossen. Staatsanwalt Sven Reiss hielt in seinem Schlussplädoyer am in der Anklage erhobenen Vorwurf des versuchten Mordes fest, forderte jedoch mit drei Jahren und zwei Monaten eine Strafe, die am unteren Ende des rechtlichen Rahmens liegt.

Der Verteidiger Marc Jüdt hingegen sah nach der Beweisaufnahme nur den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung als erwiesen an und hielt eine Bewährungsstrafe von maximal zwei Jahren für angemessen. Vor den Plädoyers hatte der Vorsitzende Richter Norbert Winkelmann den rechtlichen Hinweis erteilt, dass für die 19. Große Strafkammer auch eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht komme.

Angeklagter zahlt im Zuge des Täter-Opfer- Ausgleichs 4000 Euro

Der Staatsanwalt Reiss erklärte, er halte die Schilderung des 52-jährigen Kollegen und Opfers des Angeklagten für glaubhaft. Der Angeklagte habe seine Aussage im Prozess geändert und angepasst. Er halte sich für schuldlos, habe aber andererseits einen Täter-Opfer-Ausgleich von 4000 Euro an den Kollegen bezahlt. „Das passt für mich irgendwie nicht zusammen“, betonte Reiss.

Nach den Aussagen beider Beteiligter war es am 6. Dezember vergangenen Jahres auf einer Baustelle in der Wernerstraße in Ludwigsburg zum wiederholten Male zum Streit zwischen dem Angeklagten und seinem zehn Jahre älteren Kollegen gekommen, weil Letzterer ihn beleidigt und die Qualität seiner Arbeit kritisiert habe.

Es war zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, bei dem sich beide gegenseitig mit einem Cuttermesser und einer Akkubohrmaschine verletzt hatten. Anschließend waren beide zum Vorarbeiter gelaufen, der sie jedoch wieder an die Arbeit geschickt hatte.

Als der 52-Jährige dann jedoch ganz oben auf der Leiter gestanden habe und weiterarbeiten wollte, habe er gehört, wie der Angeklagte hinter ihm gerufen habe „Ich bringe dich um“. Als er sich umdrehte, habe er einen Schlag auf den Kopf bekommen. Es sei ihm noch gelungen, die Leiter weiter herunterzuklettern.

Auf der zweituntersten Stufe habe er einen erneuten Schlag mit einem Metallspieß abbekommen und sei dann zu Boden gestürzt. „Diese Aussage passt zum Verletzungsbild, das der Sachverständige festgestellt hat“, erklärte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer weiter.

Platzwunden am Kopf und Rückenschmerzen

Der Angeklagte habe den Tod seines Kollegen in Kauf genommen, da er mit einem gefährlichen Werkzeug gegen dessen Kopf geschlagen habe, als dieser nicht sicher auf der Leiter gestanden sei. Für ihn spreche jedoch, dass er keine Vorstrafen habe, 4000 Euro als Ausgleich bezahlt habe und der Kollege keine Spätfolgen von dem Angriff davontrug, sondern nur zwei Platzwunden am Kopf sowie Schmerzen an Schulter und Rücken erlitten habe.

Rechtsanwalt Jüdt hielt hingegen die Aussagen seines Mandanten für glaubhaft. Er habe Angst gehabt, dass der Kollege ihn noch einmal angreifen werde, nachdem beide vom Vorarbeiter weggeschickt worden waren. Er habe den 52-Jährigen zwar geschlagen, aber nicht, um ihn zu verletzen oder gar zu töten, sondern nur, um den Streit endgültig zu beenden.

War das Urteilsvermögen des Angeklagten eingeschränkt?

Bis heute sei dem Angeklagten nicht klar, warum er nicht einfach weggelaufen und die Polizei angerufen habe. Sein Urteilsvermögen sei möglicherweise getrübt gewesen, da er am Morgen erfahren hatte, dass es Komplikationen bei der Operation seiner Tochter gegeben habe und diese möglicherweise erblinden könne. Für den Angeklagten spreche jedoch der Täter-Opfer-Ausgleich, und dass er sich bei seinem Kollegen entschuldigt habe. Dieser habe die Entschuldigung auch angenommen.

Das Urteil will die 19. Große Strafkammer nach dem nun mehr als dreimonatigen Prozess am 1. September verkünden.