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Es geschah etwas abseits der breiten Aufmerksamkeit, ist aber doch ein großer Erfolg für Offenbach: die Informationstechnische Servicestelle der gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG) hat vor einem Jahr ihr neues Hauptquartier im ehemaligen Siemensgebäude am Kaiserlei bezogen. Im Interview berichten Geschäftsführer Stefan Haibach und Unternehmenskommunikations-Chefin Monika Niedermeier über den Standort Offenbach, die Aufgaben und Herausforderungen ihres Unternehmens.

Wie kam es dazu, dass sich ITSG für den Umzug nach Offenbach entschied?

Haibach: Zum einen war unser Mietvertrag im Rainbow Center in Heusenstamm ausgelaufen. Da die Räume nicht mehr unseren Vorstellungen entsprachen, haben wir im Sommer ´23 entschieden, dort auszuziehen. Wir haben uns mehrere Büroflächen angeguckt im Großraum Offenbach. Wichtig war uns eine gute Erreichbarkeit, mehr Nähe zum urbanen Zentrum. Gerade jüngere Leute wollen gern mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, also haben wir nach etwas gesucht, was zentral liegt. Natürlich muss auch die entsprechende Infrastruktur vorhanden sein, wir benötigen ein sehr leistungsfähiges Netz für unsere digitalen Prozesse und die Sicherheit aller anfallenden Daten. Unser neuer Standort im Kaiserlei erfüllt all das voll und ganz. Kaum hat festgestanden, dass wir nach Offenbach ziehen, hat uns Herr Oberbürgermeister Schwenke zusammen mit Frau Niermann von der Wirtschaftsförderung zum Essen eingeladen. Das haben wir nicht erwartet und so noch nie erlebt, wir waren sehr positiv überrascht. Dabei sind wir in Offenbach nicht mal der größte Gewerbesteuerzahler. Man kümmert sich sehr, das ist wirklich klasse.

Sie verfügen hier über das gesamte fünfte Stockwerk. Haben Sie sich im Vergleich zu vorher vergrößert?

Haibach: Nein, wir haben uns sogar verkleinert. Wir hatten in Heusenstamm 4100 Quadratmeter, jetzt sind es 3200. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Firma sich verkleinert hätte, die ist gewachsen. Es liegt an unserer Regelung mit 40 Prozent Anwesenheit, 60 Prozent Homeoffice. Da braucht man weniger Fläche. Wir haben keine festen Arbeitsplätze, sondern Desksharing, jeder hat sein Schränkchen mit seinen Sachen drin, kann sich seinen Platz aussuchen. Der Vermieter hat alles nach unseren Bedürfnissen umgebaut. Damit Mitarbeiter gern herkommen, braucht es attraktive Angebote.

Niedermeier: Genau, wir fördern zudem auch alternative Mobilität durch das Deutschlandticket als Jobticket, zusätzlich besteht die Möglichkeit zum Jobrad-Leasing, das nehmen auch viele in Anspruch. Wir haben noch einen zweiten Standort in Berlin, wegen der physischen Nähe dort zu Dachverbänden und Auftraggebern. Es wird viel gereist zwischen den Standorten, das ist hier typisch, und klappt seit dem Umzug auch unkomplizierter durch die schnelle Anbindung zum Frankfurter Hauptbahnhof.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie an Ihren beiden Standorten?

Niedermeier: Hier sind es 170, am früheren Standort waren es noch 150. In Berlin sind es 40.

Da schließt sich direkt die Frage an: Was machen diese Menschen – was macht die ITSG?

Haibach: Im Grundsatz: Wir versuchen, bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu helfen. Da ist viel zu tun und das hat mehrere Blöcke. Zum einen im Verhältnis zwischen Arbeitgebern mit der Sozialversicherung, da spielen wir eine entscheidende Rolle. Wenn Arbeitgeber eine Meldung bei der Sozialversicherung abgeben, jemand angemeldet oder abgemeldet wird, geht diese Meldung immer über den Server der ITSG. Sie wird von hier an die Krankenkassen verteilt, auch die Rückmeldung von den Krankenkassen geht wieder über uns und wir verteilen sie an die Arbeitgeber. Wir sind die zentrale, technische Schnittstelle. Gegründet wurden wir infolge eines entsprechenden Gesetzentwurfs des Bundesgesundheitsministeriums 1996. Es begann als Ein-Mann-Betrieb in Rodgau, damals wurden 3,5-Zoll-Disketten eingespielt, in den Briefumschlag gesteckt, per Post verschickt, eingelesen, der Inhalt gelöscht, die Diskette nachhaltig zurückgeschickt (lacht).

Das kann man sich in der heutigen digitalen Welt gar nicht mehr vorstellen…

Haibach: Oh ja. Eines unserer Hauptgeschäfte ist mittlerweile der Betrieb von Rechenzentren. Das machen wir für verschiedene Organisationen der Kassenwelt, haben dafür in mehreren Datenzentren in Frankfurt und Offenbach unseren eigenen „Cage“. Auch deshalb ist uns das Rhein-Main-Gebiet als Standort so wichtig. Im Laufe der Jahre sind viele Themen dazugekommen. Mit Einführung der elektronischen Gesundheitskarte vor rund 15 Jahren war die Vergabe einer eindeutigen Krankenversichertennummer nötig, um Gesundheitsdaten jedem Versicherten eindeutig zuordnen zu können. Dabei konnte man nicht einfach auf die bereits vorhandene Rentenversicherungsnummer zurückgreifen, da diese dem Sozialgeheimnis unterliegt. Mit einem speziellen Verschlüsselungsverfahren generiert die ITSG aus der Rentenversicherungsnummer eine Krankenversichertennummer – eindeutig, pseudonymisiert und lebenslang gültig. Jeder trägt also ein Stück ITSG in seiner Brieftasche. Also alle gesetzlich Versicherten, für die Privaten machen wir derzeit etwa 50 Prozent, aber das wird sich ausweiten. Außerdem entwickeln und zertifizieren wir die Melde-Software.

Klingt, als bräuchten Sie vor allem IT-Experten in Ihren Reihen. Bilden Sie hier am Standort eigentlich auch aus?

Niedermeier: Wir bilden aus und suchen auch neue Auszubildende. In Offenbach fürs Büromanagement, in Berlin bilden wir zum Fachinformatiker für Systemintegration aus. Es würden auch andere Stellen möglich sein, aber wir bleiben bei diesen Kernthemen, denn wir wollen gewährleisten, dass die entsprechende Manpower zur Verfügung steht. Ausbildende zu haben, um sie dann allein zu lassen, das machen wir nicht. Die Auszubildenden, die wir bisher hatten, sind auch geblieben, das ist uns wichtig. Grundsätzlich sind bei uns aber viele Berufe vertreten, wie Produktmanager, Softwareentwickler, Systemadministratoren, Leute für Informationssicherheit und Datenschutz, für die Qualitätssicherung, für die Verwaltung. Ja, ein Großteil ist IT.

Haibach: IT ist ein Feld, das viele Leute zum Quereinstieg nutzen. Wir haben hier Stuckateure, Theologen, es ist spannend, wo manche Mitarbeiter ihren beruflichen Ursprung haben. Der Bedarf an IT-Leuten ist höher, als der Markt hergibt. Der Fachkräftemangel ist leider momentan auch bei uns ein Problem. Wir versuchen, auch an Leute aus dem Ausland zu kommen, haben bewusst zwei Damen aus der Ukraine eingestellt. Was mitunter schwierig ist, ist die Unterstützung seitens der Behörden, es gibt viele bürokratische Hindernisse. Dabei müsste es doch auch im Interesse des Landes sein, dass man die Leute schneller an Bord kriegt. Ohne Migranten funktioniert es in unserer Branche auf Dauer nicht. Wir brauchen den Zuzug.

Was unternehmen Sie noch, um neue Mitarbeiter zu akquirieren?

Niedermeier: Wir gehen an die Hochschulen, stellen uns Absolventen vor, haben eine Kooperation mit einer Fachschule in Weilburg. Die haben dieselben Fragen: Was ist die ITSG, wofür stehen diese vier Buchstaben? Es ist erklärungsbedürftig. Wir sind natürlich nicht so exponiert wie große Player wie die Telekom. Sich da die Zeit zu nehmen, sich zu präsentieren, das hilft. Es gibt durchaus Leute, die einen anderen Fokus haben, die nicht in einen Dax-Konzern wollen – mit einem sechsstelligen Gehalt und Dienstwagen. Die sagen, sie wollen was Sinnhaftes machen, in einem mittelständischen Unternehmen mit familiärer Atmosphäre. Das ist das große Pfund, das wir haben, mit dem wir wuchern können: Wir sehen zu, das Gesundheitswesen zu digitalisieren, dadurch Verwaltungskosten zu minimieren. Das kommt jedem einzelnen in Deutschland zugute.

blo 010825 Offenbach ITSG Kaiserlei Stefan Haibach und Monika NiedermeierDas Wandbild symbolisiert die Aufgaben der ITSG: Geschäftsführer Stefan Haibach und Kommunikations-Chefin Monika Niedermeier sind froh über den Standort in Offenbach. © Sommer, FrankZur Person

Stefan Haibach, 56 Jahre, verheiratet, drei Kinder, wohnt in Weilburg. Er absolvierte eine klassische Lehre zum Sozialversicherungsfachangestellten bei der AOK, kam dort in die Direktion, war sieben Jahre in Bonn. Es folgte eine Tätigkeit für das Unternehmen ICW (InterComponentWare AG) mit den Schwerpunkten elektronische Gesundheitsakten und Gesundheitsmanagement-Systeme. Im November 2008 wechselte er zur ITSG, die damals 25 Mitarbeiter hatte. Geschäftsführer der ITSG ist er seit 2022.

Monika Niedermeier, 51 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, wohnt in Wiesbaden. Die gelernte Onlineredakteurin ist seit dem Jahr 2020 fest bei der ITSG, dort zuständig für die Unternehmenskommunikation. Zuvor war sie im Projektmanagement tätig, elf Jahre als freie Mitarbeiterin der ITSG.