80 Jahre lang waren die sterblichen Überreste des tschechischen Widerstandskämpfers Josef Doskočil und die von sechs tschechischen Fallschirmjägern am Münchner Friedhof am Perlacher Forst bestattet und konnten nicht in der Nähe ihrer Familien in heimatlicher Erde liegen. Vor Kurzem hat eine tschechische Militärmaschine ihre Gebeinekisten in München abgeholt, um sie in der Heimat zu bestatten. Die Bayerische Staatskanzlei umrahmte den Transport mit einem Ehrenkonvoi und Polizeieskorte, Flaggen und einem roten Teppich am Flughafen.
Wichtig für die Angehörigen und Nachkommen
Für die Tschechin Helena Novotna war das ein großer Tag, auf den sie seit Jahren gewartet hat. Sie hat die Namen und die Grabstellen der sieben Landsmänner akribisch recherchiert und immer wieder darauf gedrungen, sie zu repatriieren. „Ich tue diese Arbeit, weil ich es als eine moralische Verpflichtung gegenüber den Opfern und ihren Familien ansehe“, sagt die 32-Jährige. „Sie haben schließlich während der NS-Besatzung ihr Leben für die Befreiung unseres Landes gegeben.“
Pavel Kugler vom tschechischen Verteidigungsministerium kümmert sich um Kriegsveteranen und Kriegsgräber. Ihn freut die Umbettung vor allem für die Angehörigen und Nachkommen: „Für die Blutsverwandten bedeutet dies den Abschluss ihrer Familiengeschichte“, sagt er. „In den Familien wurde das Schicksal ihrer Vorfahren besprochen, sie erinnern sich immer wieder an sie, und für die Familien ist es wichtig, dass die sterblichen Überreste ihrer Vorfahren an die Orte zurückkehren, an denen sie geboren wurden oder aufwuchsen.“
Urgroßvater darf nicht umgebettet werden
Die tschechischen Fallschirmjäger sollten aus einer britischen Maschine bei München abspringen, um Widerstand zu organisieren und den britischen Geheimdienst mit Informationen zu versorgen. Doch die Maschine wurde abgeschossen. Helena Novotna lag besonders der Widerstandskämpfer Josef Doskočil am Herzen, denn er war ein Freund ihres Urgroßvaters. Beide haben im „Protektorat Böhmen und Mähren“ politischen Widerstand gegen die nationalsozialistischen Besatzer geleistet, beide wurden vom Volksgerichtshof in Nürnberg zum Tode verurteilt und beide wurden im Gefängnis München-Stadelheim mit der Guillotine enthauptet.
Ihren Urgroßvater Karel Hladeček kann sie leider nicht nachhause holen, da er in einem Sammelgrab liegt – die Münchner Friedhofsverwaltung weigert sich, das Grab zu öffnen, weil andere Gebeine zu dicht liegen. Eine archäologische Untersuchung mit DNA-Proben will die Stadt bislang nicht in Erwägung ziehen.
Nach 80 Jahren: Nur noch große Knochen und der Schädel
Fast 80 Jahre mussten die Überreste der sieben Tschechen im Land des ehemaligen Feindes liegen – am Friedhof am Perlacher Forst in der Sektion 124. Der NS-Staat hat die Familien nämlich oft nicht einmal informiert, wo ihre Angehörigen liegen. Viele der Opfer hat die Münchner Friedhofsverwaltung in den 50er Jahren aus Platz- und Kostengründen in ein Sammelgrab umgebettet – wieder ohne die Angehörigen zu fragen.
Peter Lippert von der Münchner Friedhofsverwaltung erklärt, dass bei der Exhumierung der sieben Tschechen zunächst ein Bagger die ersten Schichten abhob und dann Arbeiter das Erdreich mit der Schaufel systematisch durchsuchten: „Von der Kiste war nichts mehr übrig“, erklärt Lippert. „Nach fast 80 Jahren ist das Holz verwittert, und auch die Knochen werden im Erdreich abgebaut. Gefunden haben wir bloß noch vereinzelte Großknochen und den Schädel.“
Holocaustforscher: Besser an die Toten erinnern
Der Holocaustforscher Alexander Korb weiß, dass noch viele Menschen aus dem In- und Ausland hier am Friedhof liegen, die von den Nazis hingerichtet wurden – oft aus politischen Gründen. Deshalb würde er sich wünschen, dass hier noch besser daran erinnert wird und dass man die Familien darüber informiert.
„Ich war in letzter Zeit einige Male hier auf dem Friedhof und ich war jedes Mal sehr bewegt, wenn ich vor Gräbern der Scholl-Geschwister stand. Die Vergangenheit hat mich dann immer mit voller Wucht eingeholt“, sagt Korb. „Abgesehen davon gibt es noch viele Angehörige, die am Leben sind und die Gräber derer, die sie nie kennenlernen durften, aufsuchen wollten.“