Das Bild zu diesem Kommentar habe ich natürlich nicht ohne Grund ausgewählt. Es soll meine provokante These ein wenig untermauern: Politik ist auch heute nur was für alte, weiße Männer, wie in den schwarz-weißen Zeiten der Bonner Bundesrepublik. Klingt als diskussionswürdiges Klischee doch schon mal ganz gut – aber stimmt es denn auch? Dominieren „die Alten“ weiterhin auch die Entscheidungen im Altkreis Halle, machen ihr eigenes Ding – und niemanden sonst interessiert es noch?
In diesen Wochen stellt das „Haller Kreisblatt“ die Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahl am 14. September vor: Partei, Alter, politisches Anliegen und mehr. Wir haben die Daten sorgsam gesammelt – also brauchte ich nur einen Taschenrechner und etwas Zeit, um sie mir etwas genauer anzuschauen. Nach ein wenig Tippen, Addieren und Dividieren steht fest: Kommunalpolitik in Halle wird auch in den kommenden fünf Jahren nichts für junge Leute sein: Bei 54,37 Jahren lag das Durchschnittsalter der Anwärter in den 19 Wahlkreisen.
Das CDU-Team weist demnach ein Durchschnittsalter von 54,05 Jahren auf, die SPD ist mit 47,42 Jahren jüngste Fraktion, die Grünen bringen es auf 52,89 Jahre, die FDP liegt bei 57,61 Jahren und die UWG sogar bei 60,05. Interessant bei den Liberalen übrigens: Sie stellen drei Kandidatinnen und Kandidaten auf, die älter als 80 Jahre sind, haben aber zumindest ein paar „Jungspunde“ in den Zwanzigern dabei.
Kommunaler Politik in Halle fehlt die Perspektive der Jugend
Kommunalpolitikerinnen und -politiker diskutieren – hier im Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung – Weichenstellungen für Halles Zukunft.
(© Nicole Donath)
Die Frage der Politik als Männerdomäne ist in Halle nicht ganz so leicht zu beantworten: 54 Männer treten an, 40 Frauen. Klar, das bedeutet ein männliches Übergewicht von gerundet 57 zu 43 Prozent – aus diesem Ergebnis lässt sich allerdings auch nicht ableiten, dass weibliche Stimmen in der Haller Politik nicht vorkommen werden. Das lässt sich auch aus der Zusammensetzung des aktuellen Rates nicht ableiten.
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Die Altersdiagnose indes steht fest. Gerade die kleineren Fraktionen tun sich bei der Nachwuchssuche noch schwerer, stellen zum Teil seit Jahrzehnten immer wieder die gleichen Aspiranten auf, um alle Wahlkreise zu besetzen – was im Umkehrschluss natürlich den Altersschnitt weiter nach oben treibt. Es fehlt schlicht an politischem Nachwuchs.
Und was fangen wir mit diesem Befund jetzt an? Politik soll auch im Lokalen die Zukunft gestalten und jungen Menschen in unseren ländlichen Kommunen eine Perspektive bieten – damit sie ihrer Heimat auch treu bleiben. Wie aber sollen das Politikerinnen und Politiker leisten, die die Sorgen und Nöte dieser Generation gar nicht kennen? Neue Impulse und Gedanken finden in einem solchen, geschlossenen System nur wenig Raum.
Verantwortung lastet auf der älteren Generation
Das impliziert allerdings auch den Vorwurf, dass sich Kommunalpolitik nicht um junge Menschen schert – und das wiederum wäre zu kurz gedacht. Die Mitglieder des Stadtrates und der Parteien im Altkreis interessieren sich – oft schon seit vielen Jahren – für die Wünsche und Probleme der Menschen in ihrer Heimat. Idealerweise hören sie zu und fragen nach. Aber bestimmte Perspektiven werden ihnen weiter verschlossen bleiben. Und da genügt es eben nicht, plakativ zu fordern: Politik muss wieder interessant für junge Menschen werden.
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Weil die – und das gehört zur Wahrheit eben auch dazu – sich nicht unbedingt zuerst für ihr Dorf interessieren. Sie drängen raus aus dem Ländlichen, haben Träume. Und zurück bleibt eine ältere Generation, die das Leben vor Ort gestalten muss. Aber was ist eigentlich so falsch daran? In vielen Lebensbereichen sorgen Menschen jenseits der 65 längst mit dafür, dass der Laden bei uns noch läuft. Weil sie noch arbeiten, sich in der Betreuung einbringen. Angesichts des demografischen Wandels ist das unverzichtbar. Viele von ihnen haben die Zeit – anders als zum Beispiel viele Eltern zwischen 30 und 50, die beide berufstätig sind – und vor allem eine sonst oft unterschätzte Ressource: Lebenserfahrung. Fest steht: Es werden engagierte Menschen sein, die sich ab dem 14. September wieder für Halle einsetzen.
Am Problem, dass unsere Entscheidungsträger die Gesellschaft in ihrer Vielfalt und vor allem die Perspektive der Jugend nicht ausreichend abbilden können, ändert das allerdings nichts. Das ist ein Stück weit auch das Schicksal des ländlichen Raums.
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