Interview | Hertha-Neuzugang Jennifer Cramer
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„Man merkt eben doch immer wieder, dass man etwas älter ist“
Bild: Hertha BSC
Nach 16 Jahren bei Turbine Potsdam beginnt für Jennifer Cramer bei Hertha BSC ein neues Kapitel. Die ehemalige Nationalspielerin will das junge Team mit ihrer Erfahrung zum Aufstieg führen, muss dabei allerdings auch Generationenkonflikte überwinden.
rbb|24: Frau Cramer, nach 13 Jahren endete im Sommer Ihre Zeit bei Turbine Potsdam. Von Champions-League-Finale bis Abstieg – Sie haben mit dem Verein einiges erlebt, waren bis zuletzt Kapitänin. Nun lief Ihr Vertrag aus. Warum kam es zum Abschied?
Jennifer Cramer: 13 Jahre sind eine wirklich lange Zeit. Ich habe mit dem Verein so gut wie alles durchgemacht. Für mich war es aber einfach an der Zeit, nochmal etwas Neues zu machen und neue Impulse zu bekommen. Da kam mir Hertha BSC sehr gelegen, weil es ein toller Verein ist, der vor allem auch in meiner Nähe ist.
Das Ende in Potsdam hätten Sie sich aber sicherlich etwas anders vorgestellt, oder? Turbine stieg nicht nur in die 2. Liga ab, für das letzte Saisonspiel waren Sie auch noch suspendiert worden.
So einen Abschied wünscht sich niemand. Weder sportlich noch persönlich. Nach so einer langen Zeit wünscht man sich einfach ein Stück weit Anerkennung. Aber ich habe einen Haken dahinter gemacht und freue mich auf alles, was jetzt bei Hertha BSC auf mich zu kommt.
Statt in der 2. Bundesliga geht es für Sie bei Hertha BSC nun eine Klasse tiefer in der Regionalliga weiter. Brauchte es dafür viel Überzeugungsarbeit?
Nein. Ich habe gesehen, was die Mädels draufhaben. Dass so ein junges Team in der letzten Saison Zweiter wurde, ist aller Ehren wert. Deswegen war für mich klar, dass ich dort meine Erfahrung weitergeben und den jungen Spielerinnen helfen will, den nächsten Schritt zu gehen.
Jennifer Cramer
Mit Ihren 32 Jahren sind Sie nun plötzlich „Oldie“ in einem sehr jungen Team [der Altersschnitt liegt bei 20,8 Jahren; Anm. d. Red.]. Wie sehen Sie Ihre Rolle?
Ich versuche den Mädels im Training immer mal einen Rat zu geben, wenn mir etwas auffällt. Das nehmen sie bisher auch wirklich gut an. Aber auch im Spiel will ich auf dem Feld als Anführerin agieren und dem Team eine gewisse Sicherheit geben.
Hertha-Spielerin Jennifer Cramer läuft über den Platz | Bild: Hertha BSC
Sie waren kurz in Italien, Hertha BSC ist nun erst Ihre zweite Karrierestation außerhalb von Potsdam. Fällt Ihnen die Eingewöhnung im neuen Umfeld schwer?
Ich bin eher ein ruhigerer Mensch und nicht diejenige, die sofort auf alle zugeht. Das macht es vielleicht etwas schwieriger. Aber ich glaube, wenn man mich erstmal kennt, kommt man gut mit mir klar. Die Mädels machen mir es ganz leicht. Trotzdem ist etwas Neues anfangs oft nicht so einfach – gerade, wenn man ein paar Jährchen älter ist als alle anderen. Da muss man erstmal auf einen Nenner kommen.
Klingt so, als wäre das mit den jungen Wilden aus der Gen Z manchmal nicht so ganz leicht. Oder haben Sie bereits den ein oder andern TikTok-Tanz gelernt?
(lacht) Das gab es zuletzt schon bei Turbine bei den jungen Spielerinnen. Da merkt man eben doch immer wieder, dass man etwas älter ist und teilweise auch über ganz andere Dinge gesprochen wird. Auch die Wortwahl ist manchmal eine völlig andere. Aber man gewöhnt sich daran und ab und zu muss ich einfach einhaken und sagen: Jetzt sprecht mal vernünftig! (lacht). Dann passt das schon.
Jennifer Cramer
Das Team ist im Vergleich zur vergangenen Saison weitestgehend gleich geblieben. Trotzdem gab es mit Ihnen und Inga Buchholz zwei erfahrene Neuzugänge, zudem übernahm Tobias Kurbjuweit den Trainerposten von Manuel Meister. Wie eingespielt ist das alles schon?
Für die kurze Zeit, die wir zusammen sind, sind wir bereits sehr gut eingespielt. Viele Spielerinnen kannten sich bereits, aber auch mit dem neuen Trainer passt es super. Wir konnten das, was er von uns erwartet, in den Testspielen weitestgehend umsetzen. Man hat von Spiel zu Spiel eine Steigerung gesehen und ich bin überzeugt, dass wir für den Saisonstart bereit sind.
Was ist für Sie und Ihre Teamkolleginnen in dieser Spielzeit drin?
Ich traue der Mannschaft den Aufstieg zu. Unser Anspruch und unsere Ambitionen sind sicherlich höher gesteckt als bei manch anderen Clubs. Das müssen wir annehmen. In genau solchen Spielen kann man sich eigentlich nur selbst schlagen. Das sind die Spiele, in denen man das Tempo und die Intensität hochhalten muss, um sich selbst zu fordern. Und dann gibt es auch noch Teams, die eine Herausforderung für uns sind.
Nächste Saison könnte es dann also zum Duell mit Turbine kommen…
(lacht) Das würde ich mir wünschen.
Ist Richtung Karriereende irgendwann auch nochmal eine Rückkehr zu Turbine Potsdam denkbar oder ist dieses Kapitel endgültig abgeschlossen?
Man soll niemals nie sagen. Aber ich bin hier gut angekommen und sehr zufrieden. Und wer weiß, was mit diesem Verein so alles möglich ist. Es gibt so viel Potenzial. Ich sehe mich in Zukunft auf jeden Fall eher bei Hertha BSC.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.