Es dürfte der bislang größte Flop in der sowieso schon zweifelhaften Polit-Karriere von Ferhat Sentürk sein: Keine Teilnehmer, nur eine Handvoll Journalisten und Streamer haben sich in Berlin vor dem S-Bahnhof Neukölln eingefunden, wo der Ex-AfD-Politiker aus Aachen vorgeblich für Gaza demonstrieren will. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort: Mehr als 30 Einsatzwagen sind angerückt, um die Demo zu begleiten. Später werden es knapp 20 Menschen sein, die sich dem Protest anschließen.
Sentürk hat mehrfach Neonazi-Demonstrationen in Berlin organisiert. Schon da fiel er mit israelfeindlichen Sprüchen auf, zudem veröffentlichte er auf Tiktok einen holprig gerappten Gewaltaufruf gegen Juden. Nachdem er seinen Rückzug aus der rechten Szene verkündet hatte, erhielt Unterstützung von zwei Streamern aus der propalästinensischen Szene. Die Medienaktivisten luden ihn zu einem gemeinsamen Stream ein.
Zwei junge Männer verlesen um 15 Uhr die Versammlungsauflagen, eine Frau mit Kinderwagen huscht schnell und desinteressiert an den Kameras vorbei.
Verdammt bizarr
ein Passant über die Demo in Neukölln
Wie um diese Tageszeit üblich, strömen zahlreiche Passanten aus dem S-Bahnhof Neukölln. Viele verstehen nicht, was das Polizeiaufgebot soll, da keine Versammlung wahrnehmbar ist. Lediglich die arabische Musik aus einer Lautsprecherbox deutet darauf hin, dass hier etwas stattfinden soll. Seit 15 Uhr läuft dasselbe Lied.
Zwei junge Männer lesen und 15 Uhr die Versammlungsauflagen vor.
© Dominik Lenze
Als eine Fotografin einem Passanten erklärt, dass hier ein Ex-Rechter für Gaza demonstrieren will, aber niemand gekommen ist, staunt dieser nicht schlecht: „Verdammt bizarr“, sagt der junge Mann und widmet sich wieder seinem Radler.
Sentürk läuft derweil durch die Gegend und gibt rechten Streamer Interviews, dann wechselt er die Straßenseite und streitet mit einer kleinen Gegendemo, einer Handvoll Menschen mit Israel-Fahnen. Gegen 15.30 Uhr ruft Sentürk dazu auf, dass alle, die mit ihm demonstrieren wollen, auf seine Straßenseite kommen sollen. Es kommen etwa zehn Personen.
Begleitet von der Polizei zieht die Demo los.
© Dominik Lenze
Als es gegen 16 Uhr zu regnen beginnt, zieht Sentürks Demo los. Nachdem sich noch ein paar Frauen nach dem Einkauf im nahe gelegenen Supermarkt angeschlossen haben, sind es schließlich knapp 20 Teilnehmer, inklusive Sentürk.
Sentürk fordert Soli für Sentürk
Am Freitag distanzierte sich der Neuköllner Ortsverband der Linken von der Palästina-Demo des früheren AfD-Politikers. „Faschisten wie Sentürk haben keinen Platz bei uns in Neukölln“, hieß es in einem Social-Media-Beitrag. Auch andere propalästinensische Gruppen distanzierten sich auf Social-Media: „Das ist keine Palästinasolidarität. Das ist eine Neonazi-Demo“, schrieb ein linker Account auf X.
Der Gegenwind sei „absolut verwerflich“, erklärte Sentürk. In einem Interview, das er selbst in sozialen Netzwerken veröffentlichte, betonte er, das Thema Gaza sei zu groß für politische Instrumentalisierung. Er rufe deshalb zu Solidarität auf – „nicht nur mit Palästina, sondern auch mit meiner Person“.
Rund 800 Polizistinnen und Polizisten sind an diesem Sonnabend in Berlin im Einsatz, um mehrere Großveranstaltungen zu begleiten: Der größere Teil der Einsatzkräfte, etwa 500, sei für die Sentürk-Demo und eine weitere Palästina-Versammlung in Mitte eingeteilt, wie eine Polizeisprecherin im Vorfeld auf Anfrage mitteilte.
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Zum Potsdamer Platz mobilisiert für 17 Uhr das vom Verfassungsschutz beobachtete „Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee“, angemeldet ist die Versammlung von einer Privatperson. Nach Angaben des Berliner Verfassungsschutzes handelt es sich hierbei um eine Dachorganisation, unter der sich auch Anhänger der Terrororganisation Hamas sammeln. Angemeldet für diese Versammlung sind laut Polizei 250 Personen.
Anders als bei Sentürk hält die Linke hier Distanz bislang nicht für nötig: Der Ortsverband Neukölln hatte das „Nationalkomitee“ Anfang August zu einem Sommerfest eingeladen, ein Vertreter hielt dort eine Rede.