Im Restaurant „Ciao Bella“ im Erdgeschoss des Neubrandenburger Marktplatzcenters ist auch am frühen Nachmittag einiges los. Obwohl die Mittagszeit vorbei ist, kommen immer noch hungrige Gäste an die Tische, und auch draußen können sich Gäste hinsetzen und Essen bestellen. Die Außenterrasse mit Tischen und Stühlen hat sich der neue Chef im Restaurant erst vor kurzem genehmigen lassen. Für ihn war es ein weiter Weg, der ihn von einem Dorf in der Türkei bis nach Neubrandenburg führte. Deshalb wollte er genau darüber schreiben.
Seine Geschichte beginnt in Anatolien
Obwohl Mehmet Rasit Canbulat sein Buch „Von Antalya nach Mecklenburg“ genannt hat, beginnt seine Geschichte eigentlich im tiefsten Osten Anatoliens. In einem kleinen Dorf namens Karabag wurde er 1981 geboren. Wer sein Buch liest, erfährt einiges über die Traditionen seiner Heimat und über den Konflikt zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen PKK. Als er in die erste Klasse kam, starb seine Mutter. Mit Vater, Geschwistern und Stiefmutter zog er dann nach Istanbul.
Die Lebensbedingungen für die Familie waren dem Buch zufolge nicht einfach, Mehmet Rasit Canbulat hat Maiskolben auf der Straße verkaufen müssen, anstatt zur Schule zu gehen, so schreibt er. Irgendwann habe es ihn raus in die Urlaubsregionen der Türkei gezogen, vor allem nach Antalya. Obwohl er keine Chance hatte, die Schule zu besuchen, weil er als ältester Sohn mit für die Familie sorgte, suchte er sein Glück im Tourismus. Seine Kenntnisse in touristischen Berufen eignete er sich in der Praxis an. Auch Englisch habe er zwischendurch gelernt.
Gastronom, Barkeeper und Animateur
Dieser Teil seines Lebens ist von zahlreichen Rückschlägen, aber auch Erfolgen geprägt. Mehmet Rasit Canbulat konnte offenbar seine Chefs oft davon überzeugen, dass er etwas konnte, selbst dann, wenn er es nicht konnte. Dann beobachtete er schnell, wie es andere machten und orientierte sich daran. Im Gespräch mit dem Nordkurier gibt er zu, dass er manche schwierige Situationen noch nicht einmal beschrieben habe. Einmal habe er am Strand auf dem Sand übernachten müssen.
„Ich wollte nicht so viel Dramatisches schreiben. Die Welt ist schon in einer schwierigen Lage und ich wollte, dass die Leute mit dem Buch abschalten können“, so Mehmet Rasit Canbulat. Ein wenig dramatisch wird es im Buch dann aber doch, wenn er von seiner sehr kurzen Zeit als Barkeeper schreibt. Sehr kurz, weil er den Job wegen eines Missgeschicks nach nur einer Nacht verloren habe. Nach vielen Jobs als Gastronom habe er es schließlich geschafft, an einem Urlaubsort im Winter und an einem anderen im Sommer als Animateur zu arbeiten. Diese Tätigkeit übte er nun mit Leidenschaft aus.
Die Liebe führte ihn nach Deutschland
Nach vielen Jahren, in denen er sich durchkämpfte, hatte er in dieser Phase seines Lebens endlich Stabilität. Bei einem Spaziergang traf er schließlich seine spätere Ehefrau Heike. Er habe ihr geholfen, den Weg zu ihrem Hotel zu finden. Sie hielten Kontakt, waren eigentlich nur Freunde, doch irgendwann wurde mehr draus.
„Von Antalya nach Mecklenburg“ von Mehmet Rasit Canbulat gibt es im Thalia im Marktplatzcenter in der Nähe der Kassen für 14,90 Euro. Einen kleinen Hinweis für Käufer, dass der Autor in der Nähe arbeitet, gibt es gleich dazu. (Foto: Sebastian Graulich)
Sie heirateten schließlich, und so kam Mehmet Rasit Canbulat nach Deutschland. Zunächst ging es erstmal nach Berlin. Er lernte fleißig Deutsch, um irgendwann arbeiten zu können. Dass es dabei auch manchmal zu Missverständnis kommen konnte, wenn er glaubte, etwas richtig verstanden zu haben, wird im Buch auf sehr humorvolle Weise beschrieben.
Missverständnisse und Konflikte
Eine Nachbarin sei von Kindern als Frau Meckertante bezeichnet worden. Er glaubte, dass das tatsächlich ihr Nachname gewesen sei. Eines Tages wollte er ihr eine selbstgemachte Speise vorbeibringen. Vorher hörte er bei einer anderen Nachbarin das Wort „fressen“, von dem er gedacht habe, es sei das normale Wort für „essen“. Er übergab der Nachbarin, die er mit Frau Meckertante ansprach, das Essen mit der Bemerkung, das könne sie „fressen“. Es brauchte viel Unterstützung durch seine Frau Heike, damit sich die Wogen einigermaßen glätten konnten.
Anekdoten wie diese gibt es noch einige in dem Buch. Sie sind aber nicht nur humorvoll, sie zeigen auch, wie schwer die Integration manchmal sein kann. Integration bedeutet für Mehmet Rasit Canbulat nach eigenen Worten, die Sprache zu lernen und die Gesetze und die Kultur des Gastlandes zu achten. Beide Seiten müssten aufeinander zugehen. Er habe in einer Arbeitsstelle erlebt, wie eher gegen ihn gearbeitet worden sei. So würde Integration schwerfallen. Das sei aber nicht nur in Deutschland so, gibt er zu. Gerade in dörflichen Gebieten in Ostanatolien sei es nicht anders. Wenn man sich besser kennenlernt, könnte man das ändern, meint er.
Ein Dorf in Mecklenburg
Zwischendurch lebte er mit seiner Familie nochmal in der Türkei. Dann kam Corona, die Familie zog in Deutschland dorthin, wo viel Platz zum Leben war, nämlich in ein kleines Dorf in Mecklenburg-Vorpommern. Dort Anschluss zu finden, sei nicht einfach gewesen. Es brauchte Zeit, gibt er zu. Ein Nachbar habe seiner Frau mal gesagt, er und sein Sohn müssten den Müll richtig trennen. Er würde das beim Bürgermeister melden. Aber trotz dieses Vorfalls hätten sie kein schlechtes Verhältnis zu diesem Nachbarn gehabt.
Mehmet Rasit Canbulat versucht immer, jedem Menschen mit einem Lächeln zu begegnen. Jetzt als Restaurantchef zahle sich das aus. „Ich habe Menschen erlebt, die jeden Tag hier vorbeigingen und dann doch mal ins Restaurant kamen“, erzählt er. Sein Lächeln hätte sie dazu gebracht, es mal zu versuchen. Dass seine Art gut ankommt, zeigen auch Bewertungen im Internet. So schreibt eine Frau: „Der Wirt hat uns mit einer Herzlichkeit empfangen, die man nur noch selten erlebt.“ Im Leben sei vieles wie ein Boomerang, Negatives komme irgendwann zurück, genauso wie Positives. „Ich glaube, wenn die Menschen keine Angst hätten, könnten sie besser miteinander umgehen“, so sein Fazit.
Er bleibt im Land zum Leben
Seine Frau Heike sitzt im Restaurant an einem Tisch und notiert etwas auf einem Zettel. Sie macht die Buchhaltung für das Restaurant. Sie meint, jedes Land in der Welt sei nur bedingt aufnahmebereit für Migranten. Außerdem hätten viele Menschen auch erstmal Angst vor Ausländern, wegen der vielen Berichte im Fernsehen.
Ihr Ehemann Mehmet weiß das und bleibt unermüdlich dabei, jedem Menschen mit einem Lächeln zu begegnen. Die Natur und die Ruhe hier gefallen ihm – und die kurzen Wege zu örtlichen Behörden. Das kenne er auch aus seinem Heimatdorf. Am Ende seines Buches steht dann auch die Erkenntnis, dass er am richtigen Ort gelandet sei. Er will in Mecklenburg-Vorpommern bleiben, dem Land zum Leben.