Solidarische Grüße und den Dank vieler seiner Kolleg:innen überbrachte der DHL-Logistikarbeiter und ver.di-Vertrauensmann Christopher in seiner Rede am Samstag auf der Startkundgebung des „March to Airport Leipzig“ den rund 1000 Demonstrant:innen. Seine Arbeit, auf die er stolz sei, weil sie „der Verbindung der Welt“ diene, solle nicht missbraucht werden, um Kriege in anderen Ländern zu befeuern. Beim Entladen der Containerflugzeuge seien auch ihm persönlich schonmal Pakete von Rheinmetall in die Hände gefallen. Da sei ihm „ganz anders“ geworden. „Sowas will man eigentlich nicht befördern.“ 

Der Protest des breiten Bündnisses palästinasolidarischer und linker Organisationen, habe aber bereits seine Wirkung in der Belegschaft des Flughafens entfaltet. Das Thema sei nun präsent, werde breiter diskutiert und es würde auch an eine längere Tradition kämpferischer Gewerkschafter:innen anknüpfen, die bereits vor Jahren Flugblätter gegen Waffenlieferungen unter den Kolleg:innen verteilt hätten. Christopher wies am Ende seiner Rede darauf hin, dass in anderen Ländern, zum Beispiel in Griechenland oder in Italien, Hafenarbeiter:innen Waffenlieferungen an Israel mittels Streiks und Blockaden verweigern würden. Daran solle man sich auch am Flughafen Leipzig/Halle ein Beispiel nehmen:

„Wir können uns nicht darauf verlassen, dass DHL zu der Einsicht gelangt, [dass diese Lieferungen verwerflich sind], denn für die ist das ein Riesengeschäft. Wir müssen auf unsere eigene Kraft vertrauen. […] Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter! Kein Transport für Völkermord!“

Auch die Leipziger palästinasolidarische AG der Linkspartei, MERA25 und Handala Leipzig hielten Redebeiträge.

Ein langer Marsch zum Flughafen

Um 13 Uhr brach die Demonstration vom Leipziger Hauptbahnhof auf, um den rund 14 km langen Marsch zum Flughafen Halle/Leipzig anzutreten. Die Demonstration konnte fast ungestört die ausgedehnte Route bewältigen. Nur einige Antideutsche und Rassist:innen versuchten zum Teil  in die friedliche Demonstration zu intervenieren. Kaum verwunderlich in einer Stadt wie Leipzig, die auch nach 22 Monaten Völkermord in Gaza noch teilweise von israelsolidarischen Positionen in der sogenannten „linken Szene“ geprägt ist. 

Gegen 19:30 Uhr erreichte die Demonstration das Gelände des Camps. Dort gab es noch politische Vorträge von Shir Hever (Jüdische Stimme) und der Gruppe Arbeiter:innenmacht. Etwa 100 Menschen übernachteten in selbst mitgebrachten Zelten. Am nächsten Morgen klärte die Gruppe “Shut Elbit Down” über ihre Aktionen gegen den größten privaten israelischen Waffenhersteller Elbit auf. Die Teilnehmenden erfuhren, dass ohne Elbit der Völkermord in Gaza nicht möglich wäre. Gleichzeitig werbe das Waffenunternehmen international damit, dass ihre Kriegstechnologie in Gaza täglich am lebenden Objekt getestet werde. Unter anderem produziert die israelische Firma in Ulm. Die Stadt ist das europäische IT-Zentrum für diesen Waffenproduzenten, aber gleichzeitig ein wichtiger Ort für die NATO-Kriegsplanung im Allgemeinen. 

Um 11 Uhr versammelte man sich erneut für die Demonstration zum DHL Air Hub am Flughafen. Dort wurden Solidaritätsgrüße von den Hafenarbeiter:innen in Genua, Marseille und von Mo aus dem Hamburger Hafen abgespielt. Mehrere Gruppen hielten Reden und es wurden Flugblätter an die vorbeilaufenden oder -fahrenden Arbeiter:innen verteilt. Viele von ihnen waren interessiert und nahmen sich die Informationen zum Lesen mit. Die Demonstration richtete sich gezielt an die Arbeiter:innen. Nicht um sie anzuklagen, sondern weil sie als Arbeiter:innen die Macht haben, Waffenlieferungen zu stoppen. Die Politik, egal welcher Partei, hat gezeigt, dass sie ihr Verhältnis zur Staatsräson und den imperialistischen Interessen Deutschlands nicht aufs Spiel setzen wollen und die Kapitalist:innen profitieren sogar noch von Völkermord, Krieg und Aufrüstung und sind deshalb nicht an einer Lösung interessiert. Auch darauf machte die Demonstration nachdrücklich aufmerksam.

Wieso gerade der Flughafen Leipzig?

Neben Frankfurt ist Leipzig der wichtigste Frachtflughafen in Deutschland, was ihn auch zu einem der wichtigsten in Europa macht. Ein Gerichtsprozess in Dresden gegen den AfD-Politiker Maximilian Krah, der wegen Spionage für den chinesischen Staat angeklagt wurde, brachte kürzlich Gewissheit, wo es vorher nur Vermutungen gab. Die Bundesanwaltschaft bestätigte, dass der Flughafen Leipzig/Halle ein „wichtiges Drehkreuz zur Verbringung von Militärgütern in die ganze Welt“ sei. “Neben der Bundeswehr nutzen ihn auch deutsche Rüstungsfirmen und NATO-Streitkräfte. Insbesondere nutzt die Luftwaffe der USA den Flughafen auf dem Weg nach Ramstein.“

Betriebsrat „behält die Situation im Blick“

Flugblätter hat die Gruppe Handala Leipzig auch in Vorbereitung auf den Protestmarsch bei Schichtwechsel an die Flughafenarbeiter.innen verteilt. Viele Gewerkschaftsmitglieder begrüßten die Initiative, während die bürokratische Gewerkschaftsführung und der Betriebsrat sehr alarmiert reagierten. Nach einer Flyeraktion Anfang August schickte der Betriebsrat eine Rundmail in der es hieß: 

„Hallo zusammen, seit gestern Abend werden am Bahnhof und auch vor dem Betriebsgelände Flyer verteilt. Auch an den Ständen zur Urabstimmung wurden gezielt Kolleg:innen angesprochen. Soweit ich gehört habe, gab es auch hitzige bis aggressive Diskussionen, welche sich gegen uns als Beschäftigte richten. Hintergrund ist die Bewerbung einer propalästinensischen Demonstration am 23. August. Auf den verteilten Flyern wird außerdem zur Urabstimmung und den Betriebsrat Bezug genommen. Weder ver.di noch der Betriebsrat stehen in Zusammenhang mit dieser Aktion. Bitte seid vorsichtig und lasst euch nicht zu Gesprächen oder Aussagen hinreißen. Solltet ihr euch belästigt fühlen, informiert bitte Security. Wir haben bereits ver.di informiert und die Situation im Blick.“

Dass sich die Protestaktionen „gegen uns als Beschäftigte“ richten sollen, kann nach der Lektüre des Flyermaterials nicht aufrechterhalten werden. Sie werden für ihre Arbeit nicht moralisch verurteilt, sie werden stattdessen als diejenigen angesprochen, die in der Lage sind, die Waffenlieferungen mittels Streiks zu verhindern. Ausdrücklich mit ihnen – und nicht gegen sie – möchte die Leipziger Palästinabewegung gegen den Genozid in Gaza kämpfen. Man nimmt sich dafür ein Beispiel an der Belgischen Gewerkschaften ACV Puls, BTB, BBTK und ACV-Transcom, die bereits im Winter 2023 ihre Mitglieder dazu aufriefen, Waffenlieferungen an Israel nicht zu befördern. 

Wogegen sich die Aktionen in Wahrheit aber richten, ist die fortwährend zionistische und staatstragende Position der Gewerkschaftsführung und des Betriebsrates am Leipziger Flughafen. Dieser versucht wiederum „seine Arbeiter:innen“ davon zu überzeugen, dass sein eigener Standortchauvinismus die Position der Mehrheit der Arbeiter:innen im Betrieb repräsentiere. Dem ist zum Glück nicht so. Tatsächlich tut sich innerhalb der Gewerkschaften, wie im Rest der Gesellschaft ein immer wachsender Spalt auf, zwischen denjenigen, die an der Unterstützung des Israelischen Vertreibungsprojektes direkt oder indirekt festhalten wollen, etwa durch die offensiv zur Schau gestellte „Freundschaft“ der DGB-Führung mit der zionistischen Histadrut, und einer stets wachsenden Basis an Gewerkschafter:innen, die diese Politik anlehnen und sich einen Stopp aller Waffenlieferungen an Israel wünschen. Das Problem ist bislang, dass diese Basis noch nicht vernetzt und daher noch nicht handlungsfähig ist.

Eine antimilitaristische Strömung organisieren 

Es kommt nun in Leipzig darauf an, kritische Kolleg:innen am Flughafen zu vernetzen und diese Vernetzung von außen solidarisch zu begleiten und voranzutreiben. Eine kämpferische, streikfreudige und konsequent antimilitaristische Arbeiter:innenbewegung fällt nicht vom Himmel, sie muss in der direkten Konfrontation mit den verknöcherten bürokratischen Führungen in der ver.di und im Betriebsrat aufgebaut werden. Es ist notwendig, der institutionalisierten Bürokratie eine antibürokratische, antimilitaristische Strömung gegenüberzustellen, die die kollektive Kraft der Arbeiter:innen und ihre Fähigkeit zur unabhängigen Organisierung und Kooperation mittels der Einberufung basisdemokratischer Betriebsversammlungen freisetzen kann. Auf solchen Versammlungen, die einen ganz anderen Charakter haben sollten, als die regelmäßigen Routineversammlungen der Betriebsräte, wäre auch die Stimme des Betriebsrats oder des Gewerkschaftssekretärs nur eine Stimme unter hunderten. Dort kann die bisher in Sprachlosigkeit gehaltene Gewerkschaftsbasis ihre Sprache zurückerlangen, ihre eigene Kraft und das Potenzial, was in ihnen schlummert, deutlicher denn je selbst erfahren und die ersten Schritte in Richtung antimilitaristischer Streiks gehen. Nur auf diesem Weg können DHL und die Betreiber des Flughafens Leizpig/Halle letztlich dazu gezwungen werden, keine Waffenlieferungen mehr für den Genozid und für Kriege in aller Welt mehr zu verschicken. 

Ein großer Fortschritt

Das Bündnis, was die Aktion „March to Airport Leipzig“ organisiert, zählt gerade zu den fortschrittlichsten Initiativen innerhalb der deutschen Palästinabewegung. Sie haben erkannt, dass es am Ende die Arbeiter:innen sind, die allein das Subjekt des Friedens sein können. Statt die Arbeiter:innen moralisch als Mittäter:innen zu verurteilen und sich von ihnen zu isolieren, braucht es solidarische Aufklärung über die Waffenlieferungen und über das Ausmaß des Genozids in Gaza und einen Aufruf zur engen Zusammenarbeit im Kampf gegen den deutschen Staat, seine von den Gewerkschaftsführungen immer noch geteilite Staatsräson und gegen den Genozid am palästinensischen Volk.