Hamburg gibt Geld für Prestigeprojekte aus, während sich andere Kommunen alltägliche Ausgaben nicht leisten können. Doch wie geht das? Finanzexperten sehen eine Antwort in der Wirtschaftskraft der Stadt. Kritiker bemängeln, die Stadt setze mit dem Geld falsche Prioritäten.

Hamburg investiert. In U-Bahnlinien, in Kulturprestigeprojekte, in neue Behördengebäude, in eine Olympia-Bewerbung. Ein Projekt wird teurer? Ärgerlich, aber wie heißt es in einer plattdeutschen Redewendung? „Wat mutt, dat mutt!“ Und mit genug Geld wird es bestimmt fertig. Während andere Städte über leere Kassen klagen, scheint Hamburg finanziell aus dem Vollen schöpfen zu können. Doch wie ist das möglich?

„Hamburg hat im Vergleich zu anderen Stadtstaaten wie Bremen oder Berlin eine deutlich geringere Schuldenlast“, sagt Michael Berlemann, Wissenschaftlicher Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). „Das verschafft der Stadt mehr Gestaltungsspielräume im Haushalt.“ Während Berlin mit rund 67 Milliarden Euro verschuldet ist, liegt der Schuldenberg in Hamburg bei etwa 22 Milliarden Euro, wobei die Hansestadt ziemlich genau halb so viel Einwohner hat wie die Bundeshauptstadt.

Ein weiterer Grund für Hamburgs finanzielle Stärke liegt in der Wirtschaftsstruktur. Die Hansestadt ist Sitz großer Industriebetriebe, die hohe Gewerbesteuern zahlen. Zudem gibt es viele Arbeitgeber, die hohe Löhne an gut ausgebildete Mitarbeiter zahlen. Das spiegelt sich dann in den Einkommenssteuern wider. Hamburg nahm 2024 rund 3,2 Milliarden Euro an Gewerbesteuer ein, Lohn- und Einkommenssteuer lagen bei 10,7 Milliarden Euro.

Zwar haben Städte grundsätzlich höhere Ausgaben pro Kopf als ländliche Regionen – etwa für Kultur, Verwaltung oder Infrastruktur –, doch Hamburg gelingt es, diese Ausgaben durch eine starke Einnahmenseite zu kompensieren. „Städte müssen viele öffentliche Güter bereitstellen, die auch von Menschen genutzt werden, die außerhalb wohnen und deshalb nicht in den Städten Steuern zahlen“, so Berlemann. „Aber wenn die Wirtschaftsstruktur stimmt, kann das aufgefangen werden.“

Auch im Länderfinanzausgleich steht Hamburg auf der Geberseite. 2023 war der Beitrag mit 934 Millionen Euro so hoch wie nie zuvor. 2024 sank er auf 106 Millionen Euro – ein Rückgang, der unter anderem auf ausbleibende Sondereinnahmen zurückzuführen war. Dass Hamburg sich große Projekte leistet, ohne dabei in eine Schuldenfalle zu geraten, liegt laut Berlemann an einer insgesamt soliden Finanzpolitik. Zwar gebe es immer wieder Vorhaben, die teurer würden – etwa die Elbphilharmonie. „Aber das sind Einzelfälle, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft überproportional präsent sind“. In der Gesamtperformance stehe Hamburg gut da.

Ein Beispiel für strategische Investitionen ist der Ausbau des U-Bahn-Netzes. „Das macht die Stadt attraktiver, verbessert die Mobilität und zieht junge, gut ausgebildete Menschen an“, so Berlemann. Solche Investitionen zahlten sich langfristig aus.

Auch eine mögliche Olympia-Bewerbung könne unter bestimmten Bedingungen ebenfalls sinnvoll sein. „Wenn das Geld in Infrastruktur fließt, die der Stadt auch nach den Spielen nützt, kann das ein echter Booster sein“, sagt Berlemann. „Ein olympisches Dorf, das später als Wohnraum genutzt wird, oder neue Gewerbeflächen, die Steuereinnahmen bringen – das kann sich lohnen. Um das abschließend beurteilen zu können, müsste es aber seriös durchgerechnet werden.“

Das Fazit des HWWI-Direktors: „Hamburg hat viele gute Entscheidungen getroffen – nicht immer, aber im langfristigen Trend. Die Stadt wirtschaftet solide, investiert strategisch und profitiert von ihrer starken Wirtschaftsstruktur. Das erklärt, warum sie sich mehr leisten kann als andere.“

Doch nicht alle teilen diese positive Einschätzung. Sascha Mummenhoff, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler in Hamburg, sieht in der Investitionsfreude der Stadt Risiken und strukturelle Schwächen. „Hamburg kann sich vieles leisten – aber zu oft fehlt der Wille, es auch richtigzumachen“, sagt er.

Mummenhoff nennt eine Reihe von Projekten, bei denen aus seiner Sicht die Kostenkontrolle versagt hat oder künftig versagen könnte. Die Oper in der HafenCity, die Milliardär Klaus-Michael Kühne der Stadt bauen möchte, etwa sei ein Projekt mit unkalkulierbaren Risiken. Die Stadt stellt das Grundstück zur Verfügung und übernimmt die Kosten für die Erschließung und den späteren Betrieb. „Schon vor dem ersten Spatenstich ist klar: Der Finanzrahmen ist wacklig, verbindliche Zusagen – etwa von der Kühne-Stiftung – fehlen“, warnt er.

Auch das Deutsche Hafenmuseum hält er für ein riskantes Vorhaben: ein Leuchtturmprojekt mit optimistischen Besucherprognosen und unklarer Finanzierungsperspektive. Selbst Bundesmittel in dreistelliger Millionenhöhe könnten nicht vor dem Risiko einer Förderruine schützen.

Bei Hamburgs Jugendhaftanstalt, die derzeit im Stadtteil Billwerder in direkter Nachbarschaft zum Erwachsenenvollzug entsteht, sei ein ursprünglich garantierter Maximalpreis aufgeweicht worden. Für Mummenhoff ein Lehrstück dafür, „wie man haushalterische Sicherungen aus politischem Druck heraus über Bord wirft“.

Besonders kritisch sieht der Steuerzahlerbund die städtischen Beteiligungen. Bei Hamburg Wasser und den Hamburger Energienetzen fehle es an echtem Controlling. Die Kosten für die Klärschlammverbrennungsanlage VERA II seien aus dem Ruder gelaufen, ohne dass der Aufsichtsrat frühzeitig eingegriffen habe. „Budgetüberschreitungen werden fast schon als gegeben hingenommen“, sagt Mummenhoff.

Die politische Kommunikation findet Mummenhoff ebenfalls oft fragwürdig. Die Standard-Antwort auf die Frage nach den Ursachen für Kostensteigerungen laute oft: Corona oder Ukraine-Krieg. „Das mag in Einzelfällen stimmen – aber es greift zu kurz“, sagt er. Besonders problematisch sei die fehlende Selbstreflexion. „Warum nicht offen zugeben, dass man bei Planung oder Steuerung eines Projekts gravierende Fehler gemacht hat? Ehrlichkeit wäre nicht nur glaubwürdiger, sondern der erste Schritt, um aus Fehlern zu lernen.“

Der Rechnungshof Hamburg bestätigt viele dieser strukturellen Schwächen. In seinem Jahresbericht 2025 kritisiert er unter anderem, dass beim Milliardenprojekt U5, dass keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorgelegt wurde, bevor die Bürgerschaft den Bau beschloss. Die Kosten für den ersten Bauabschnitt stiegen von 1,8 auf 2,9 Milliarden Euro.

Selbst bei alltäglichen Verwaltungsaufgaben sieht der Rechnungshof Mängel: Die Sozialbehörde verwaltete 2023 rund 1,5 Milliarden Euro, doch es fehlten Datenabgleiche zur Vermeidung von Sozialleistungsmissbrauch. Überteuerte Catering-Verträge mit Stundensätzen von über 130 Euro führten zu Mehrkosten. Und dem Jahresabschluss 2023 konnte der Rechnungshof nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilen.

Auch die Sozialverbände kritisieren Hamburgs Investitionspolitik – nicht wegen zu hoher Ausgaben, sondern wegen falscher Prioritäten. Klaus Wicher, Landesvorsitzender des SoVD Hamburg, mahnt: Trotz der finanziellen Stärke der Stadt fehle es an gezielten Maßnahmen gegen Armut und soziale Spaltung. Wicher fordert etwa ein Familiengeld, das gerade in einer wohlhabenden Stadt wie Hamburg finanzierbar wäre. „Die rot-grüne Koalition muss ihr soziales Profil schärfen“, so Wicher.

Redakteurin Julia Witte genannt Vedder arbeitet in der Hamburg-Redaktion von WELT und WELT AM SONNTAG. Seit 2011 berichtet sie über Hamburger Politik. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Finanzpolitik.