Berlin – Deutschland schlittert in den Job-Schock: Die Arbeitslosenzahl ist über die Marke von 3 Millionen geschossen – ein trauriger 10-Jahres-Rekord! Selbst während der härtesten Zeiten der Corona-Krise mit stillgelegten Flughäfen, Gastro-Sterben und Lockdowns waren mehr Menschen in Arbeit.
Trotzdem suchen Betriebe händeringend nach Arbeitern! 631.000 angebotene freie Stellen gibt es deutschlandweit. Auf 100 Arbeitslose kommen etwa 21 freie Stellen.
Wie passt das zusammen?
► Holger Schäfer, Arbeitsmarktökonom am Institut der deutschen Wirtschaft, zu BILD: „Auf dem Arbeitsmarkt haben wir es mit einem Ungleichgewicht zu tun. Die meisten Arbeitslosen streben eine Beschäftigung im Segment der Einfacharbeit an.“ Das seien „Tätigkeiten, für die in der Regel keine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich ist. Die meisten Stellenangebote hingegen richten sich an Fachkräfte.“
Dazu komme laut Schäfer ein Missverhältnis regionaler Hinsicht: „Die Arbeitslosen wohnen nicht dort, wo die offenen Stellen sind.“
„Wiedereinstieg wird schwieriger“
► Arbeitsmarkt-Experte Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): „Steigende Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel – unsere Industrie verliert 10.000 Jobs im Monat. Währenddessen fehlen Maschinenbauer, Elektroleute, Techniker in Rüstung, Energiewende, Verkehr und Wasserstoff – und Milliarden-Investitionen in neue Geschäftsmodelle bleiben liegen.“ Weber: „Wir müssen die Leute weiterentwickeln in die aufstrebenden Bereiche.“
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Die Gebäudereiniger beklagen: Es gibt zu wenig Anreize zu arbeiten. Verbandsboss Wolfgang Molitor zu BILD: „Die Regierung muss schleunigst zurück zum Ansatz der Agenda 2010: fördern und fordern. In unserer Branche herrscht schon lange Kräftemangel. Die Firmen könnten sofort weit mehr als 50.000 neue Leute einstellen. Aber es gibt kaum Bewerber.“
Molitor macht Ministerin Bas Dampf: „Bei diesen Arbeitslosenzahlen müssen jetzt in der Regierung alle Alarmglocken schrillen.“ Und Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger (61) fordert: „Die Regierung darf sich nicht in den zahlreichen Kommissionen wegducken und die jetzt notwendigen Entscheidungen weiter vertagen, verschleppen und verwässern.“
In einigen Branchen ist unterm Strich dennoch die Beschäftigung gestiegen: Altenpflege (plus 71.000 Jobs), Gesundheit (plus 66.000) und beim Staat in der öffentlichen Verwaltung (plus 45.000).
Zur Person
Holger Schäfer ist Arbeitsmarktökonom am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Der Volkswirt forscht und publiziert seit den späten 1990er-Jahren u. a. zu Themen aus den Bereichen Arbeitsmarkt, Sozial- und Beschäftigungspolitik und Rente.
Prof. Enzo Weber ist Arbeitsmarktökonom am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, zudem Mitglied in wissenschaftlichen Beiräten, u. a. beim SPD-Parteivorstand und der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.