Der Gesetzesentwurf liegt seit mehr als drei Jahren vor. Doch bisher konnten sich die EU-Länder nicht darauf einigen, in welchem Umfang die private Kommunikation im Onlineraum überwacht werden soll. Es besteht aber eine Absicht, gesetzeswidrige Inhalte wie etwa Kinderpornografie aufzuspüren und strafrechtlich zu verfolgen.
Von der ursprünglichen Idee, sämtliche Nachrichten zu prüfen, die über Chat-Apps wie WhatsApp, Messenger oder Telegram versendet werden, sind inzwischen nur noch Kompromissvorschläge übrig. Die schlagen zum Beispiel das Freiwilligkeitsprinzip vor oder eine notwendige Gerichtsanordnung. In der Praxis würde dies eine Kontrolle von verschickten Fotos und Videos bedeuten, erläuterte David Slížek in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Er ist Chefredakteur des Onlinemagazin Lupa.cz, das sich mit Internetthemen beschäftigt:
David Slížek|Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Durchgescannt werden sollen visuelle Inhalte sowie geteilte Links. Die Kontrollpflicht soll sich hingegen nicht auf Texte oder Sprachnachrichten beziehen, also auch nicht auf Telefonate. Sie bezieht sich jedoch auf alle Dienste, die als riskant bewertet werden in Bezug auf die Verbreitung fraglicher Inhalte. Dies ist aber eine sehr breite Definition, in die fast jeder fällt.“
Ziel der Gesetzesinitiative ist, Minderjährige vor sexuellen Übergriffen zu schützen und die Verbreitung von Kinderpornografie zu verhindern. Zuletzt wurde das Vorhaben im EU-Rat im Juni vergangenes Jahr verhandelt, aber die Mitgliedsstaaten konnten über die Details keine Einigung erzielen. Dänemark, das seit diesem Juli die Ratspräsidentschaft ausübt, hat die Chatkontrolle zu einer Priorität erklärt und nun wieder auf die Agenda gesetzt.
Wenn der aktuelle Vorschlag durchgeht, wird sich die Kontrollpflicht für Anbieter wie Google oder Meta nicht nur auf ihre Chatdienste beschränken. Im Visier stehen auch Online-Speicher und Clouds, in denen Fotos und Videos abgelegt werden. Das sei problematisch, meint der Publizist Petr Koubský von der tschechischen Tageszeitung Deník N:
Petr Koubský|Foto: Marián Vojtek, Tschechischer Rundfunk
„Sobald die Technologie dort einmal installiert ist, kann im Prinzip alles kontrolliert werden. Dies wäre ein Eingriff in die Privatsphäre, der dann nicht mehr zurückgenommen werden kann. Und er wäre verpflichtend und müsste von allen angewendet werden.“
Um Details wie diese wird seit drei Jahren durch Anpassungen im Gesetzesentwurf gerungen. Tschechien hatte sich beim Votum im EU-Rat im vergangenen Jahr noch der Stimme enthalten. Damals sollte es den Anbietern überlassen werden, wann sie kontrollierend eingreifen. Den aktuellen Kompromissvorschlag Dänemarks, demzufolge eine Chatkontrolle nach einer entsprechenden Gerichtsanordnung verpflichtend eingesetzt werden soll, will die tschechische Regierung allerdings direkt ablehnen. Gegen das geplante EU-Gesetz sprechen sich auch die hiesigen Oppositionsparteien Ano und Piraten aus. Markéta Gregorová sitzt für die tschechischen Piraten im EU-Parlament und führt aus:
„Ganz am Anfang eines Kontrollvorgangs hätte nur der Betreiber der entsprechenden App Zugang zu den fraglichen Daten. Er müsste sie aber irgendwo abspeichern. Und dann sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Daten an ein entsprechendes Zentrum bei der EU-Kommission geschickt werden. Diese wiederum würde sie im nötigen Falle an die Strafverfolgungsorgane weiterleiten. Das öffnet einfach Hintertüren oder eine Schleuse für das Entweichen potentiell sehr sensibler Daten.“
Foto: Barbora Navrátilová, Radio Prague International
Damit der Vorschlag angenommen und auf den Weg zur Gesetzgebung geschickt wird, müssen im EU-Rat mindestens 15 Länder dafür stimmen, die allerdings auch mindestens 65 Prozent der gesamten Bevölkerung in der Union repräsentieren. Abgestimmt wird am 14. Oktober.