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Massentourismus macht 250 Einwohnern von Dorf in Frankreich das Leben zur Qual. Hunderte Urlauber strömen täglich durch die engen Gassen. Neue Maßnahmen zeigen Wirkung.
Saint-Guilhem-le-Désert – Hunderte Urlauber strömen durch die engen Steinstraßen, Kameras klicken, Stimmen hallen von den alten Mauern wider. Was für Besucher offenbar traumhaft ist, wird für die nur 250 Einwohner des Ortes täglich zum Albtraum. Das mittelalterlich anmutende Dorf im Süden Frankreichs zieht nach Angaben des Radiosenders Franceinfo jährlich zwischen 600.000 und 800.000 Besucher an und droht unter dem Ansturm zu ersticken.
Ein Tourist erklärte gegenüber dem französischen Portal Beauty Case begeistert: „Es ist sehr bekannt, sehr schön. Wenn man weniger als eine Stunde entfernt ist, muss man hier vorbeischauen.“ Das Dorf in den Schluchten des Hérault, nordwestlich von Montpellier gelegen, gilt als eines der schönsten Frankreichs. Und wie in der Hauptstadt Paris überlaufen auch hier Touristen-Massen in der Folge die Straßen.
Das Dorf Saint-Guilhem-le-Désert in Frankreich zieht jährlich bis zu 800.000 Besucher an. © IMAGO/Joachim G. PinkawaUrlauber-Massen belagern 250-Seelen-Dorf in Frankreich: „Es stört mich in meinem Alltag“
Die mittelalterlichen Gassen aus Naturstein, die berühmte Abtei Gellone am Jakobsweg und die spektakuläre Bergkulisse machen es zu einem Magneten für Touristen aus aller Welt, berichtet Franceinfo. Doch die Massen an Urlaubern machen das Leben für alle Einheimischen nun wohl zur Qual.
„Es stört mich in meinem Alltag. Man geht nicht raus, wenn man will. Man geht nicht einkaufen, wenn man will“, klagt Rentner Gérard Vareilhes, der im Dorfzentrum wohnt, gegenüber dem Radiosender. Abends müsse er die Fenster schließen und die Klimaanlage anschalten, weil der Lärm sonst unerträglich sei. Ein eher stilles Leiden im Vergleich zu den lautstarken Protesten gegen die Touristen, zu denen es etwa auf der Balearen-Insel Mallorca kam.
Shuttlebusse kutschieren Urlauber ins Zentrum: Dorf in Frankreich kämpft mit Massentourismus
Der Bürgermeister des kleinen französischen Dorfes, Robert Siegel, sah sich dennoch zum Handeln gezwungen: „Wenn man an einem Ort ist, wo zu viele Menschen sind und alle gestresst sind, ist das nicht angenehm für den Besucher“, erklärt er gegenüber Franceinfo. Bereits vor über 15 Jahren hatte die Gemeinde den Zugang zum Ortskern mit dem Auto gesperrt und einen großen Parkplatz außerhalb des Dorfes gebaut.
„Es gibt etwa 450 Plätze, plus hundert weitere für Spitzenzeiten“, so der Bürgermeister weiter. Kostenlose Shuttlebusse bringen die Besucher von dort aus ins Zentrum. Doch dieser Schritt reicht offenbar nicht mehr aus: Die Gemeinde verzichtet nun auch bewusst darauf, bestimmte überlaufene Sehenswürdigkeiten weiter zu bewerben. Das Ziel sei es, die Besucherströme zu entzerren und das sensible Naturerbe zu schützen, so Franceinfo.
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Die Maßnahmen sollen auch ihre Wirkung zeigen: Touristen loben demnach die vorhandenen Infrastrukturen. „Es gibt viele Einrichtungen und Parkplätze zum Schutz der Umwelt“, freut sich eine Besucherin gegenüber dem Radiosender. Das 1000 Jahre alte Saint-Guilhem-le-Désert mit seiner UNESCO-Weltkulturerbe-Abtei kämpft dennoch weiter um die Balance zwischen touristischer Attraktion und lebenswerten Ort für seine Bewohner.
Im gesamten Mittelmeerraum kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Unmut von Einheimischen gegen Massentourismus, vor allem, wenn es besonders kleine Urlaubsziele trifft. (nana)