Jetzt sind sie wieder zu Hause: Nach vier Monaten auf Rädern haben Tommaso Weller, 23, aus Unterschleißheim und Jakob Wall, 24, aus Eching den harten Sattel gegen bequeme Stühle getauscht. Insgesamt 111 Tage hat die Tallbike-Tour der beiden jungen Männer von München nach Peking gedauert. Mit ihrer Spendenaktion haben sie mehr als 15 000 Euro für die Deutsche Krebshilfe zusammengetragen – und Erlebnisse gesammelt, die sie nach eigenen Worten noch gar nicht so recht fassen können. Das Fazit ihres Abenteuers mit einem Hochrad aber ist eindeutig: einfach unvergleichlich.
Während Wall sich schon wieder daheim etwas eingerichtet hat, ist Weller erst am Sonntag zurück nach München geflogen. Man erreicht ihn für ein Gespräch via Teams in Taiwan bei seiner Freundin, wo er sich von den Strapazen der Reise erholt. Wall schaltet sich vom Computer in Eching zu. Beide sind schon beim Friseur gewesen, wie sie erzählen, machen einen entspannten Eindruck und wirken sehr beseelt von all dem, was sie bei ihrer mehr als 12 000 Kilometer langen Tour erfahren haben.
Die Route führte die beiden Männer von München über die Türkei und Russland bis nach Peking. (Foto: privat)
Auf die Frage, ob der Po noch wehtut vom vielen Radeln, müssen die zwei Fernreisenden erst einmal lachen. „Es geht“, sagen sie übereinstimmend, während der Tour sei es natürlich viel schlimmer gewesen, „da hilft auch der beste Sattel nichts, dafür lindert aber Wundsalbe in großen Mengen die Schmerzen“, erzählt Weller. Der BWL-Student macht demnächst seinen Master in Paris, Jakob Wall ist Flugbegleiter und kehrt bald in seinen Job zurück.
Nun aber müssen sich die zwei jungen Männer erst einmal wieder an den Alltag gewöhnen. Gar nicht so leicht, wenn man bedenkt, dass sie in den vergangenen Monaten jeden Tag für sechs bis acht Stunden nur in die Pedale getreten haben. „Außer radeln, essen, schlafen und ein bisschen Logistik“ stand nichts auf der Agenda, wie Weller sagt. Jetzt gelte es, den Studienaufenthalt in der französischen Hauptstadt zu organisieren, nach Paris aber geht es für ihn bestimmt nicht auf dem Rad, sagt der Unterschleißheimer lachend.
Los ging es am 1. Mai auf dem Münchner Odeonsplatz. (Foto: privat)
Ein Jahr lang haben die beiden jungen Männer die Reise nach China vorbereitet, alles genau geplant. Start ihrer „Tallbike Against Cancer“-Mission war am 1. Mai auf dem Münchner am Odeonsplatz, wo sie von Freunden und Familie verabschiedet wurden. Keine 20 Kilometer weiter kam es schon zum ersten Malheur, wie die beiden in ihrem Reisetagebuch schreiben: ein Platten. Der war schnell geflickt, nur ein weiterer sollte erst inmitten „schönster Natur im Kaukasus in Georgien“ folgen. Zwei Wochen lang fuhren Weller und Wall über den Balkan nach Istanbul. In der Türkei habe man sie „auf literweise Tee eingeladen“, die Übernachtung in einer historischen Moschee gehört zu den absoluten Höhepunkten des Trips.
14 Tage später erreichten sie Tiflis in Georgien, wo es den ersten Ruhetag gab, „um uns auf den kommenden Abschnitt in Russland vorzubereiten“. Dort mussten Weller und Wall trotz detaillierter und langwieriger Vorbereitung der Tour feststellen, dass sie keinerlei Möglichkeiten hatten, an Geld zu kommen. „Kreditkarten funktionierten nicht, Abheben war unmöglich“, sagt Weller. Das bisschen Geld, das sie in Tiflis wechseln konnten, wollte deshalb gut eingeteilt werden. So hätten sie sich mehrere Tage lang zwischen einem Essen und einer Unterkunft entscheiden müssen, eine Nacht schliefen sie hinter einer Tankstelle, eine weitere in einer Moschee. Zudem machte ihnen extremer Gegenwind zu schaffen.
Doch die Mühe hat sich gelohnt: In Kasachstan angekommen, trafen sie nicht nur auf äußerst gastfreundliche Menschen, sondern auch auf eine atemberaubende Natur – die ihnen allerdings auf einer Strecke von 3000 Kilometern einiges abverlangte. Die „mental schwierigste Etappe“ hätten sie in der unendlich weiten und flachen kasachischen Steppe während einer Hitzewelle mit bis zu 40 Grad absolviert, sagt Wall. „Es fühlte sich an, als würden wir auf einem Laufband fahren“, haben die jungen Männer in ihrem Reisetagebuch notiert. Trotzdem haben sie an mehreren Tagen jeweils mehr als 200 Kilometer geschafft. Die drei Wochen in der Steppe seien „mental unglaublich zehrend“ gewesen, sagt Wall, „es gab Tage, da sind wir nur einmal links und einmal rechts abgebogen“.
Mitten in den Weiten der kasachischen Steppe haben Tommaso Weller und Jakob Wall ihr Zelt aufgeschlagen. (Foto: privat)
Gefährliche Situationen mussten die Radler auf der Reise nicht viele meistern. Riskant war es nur, wenn andere Verkehrsteilnehmer beteiligt waren, sagt Wall: So hätten beide eine „Ellenbogen-Kuschelei“ mit einem Lastwagen gehabt, die zum Glück glimpflich ausgegangen sei. Und bisweilen gab es „auch wilde Hunde, die einen aber nicht fressen“, so Weller. Ans Aufgeben haben sie an keinem Punkt der Tour gedacht, sagen die beiden beim Gespräch über Teams. Allein schon wegen der Spendenaktion, und weil so viele Menschen involviert gewesen seien, so Weller. Jakob Wall räumt ein, dass er sich vor dem Start ein paar Gegenargumente zurechtgelegt hat, falls es dazu kommen sollte, dass er nicht mehr könnte. „Aber die habe ich nicht gebraucht, weil es trotz aller Anstrengung so unglaublich war.“
In der kasachischen Hauptstadt Astana blieben sie nach den Strapazen in der Steppe eine Weile zum Durchschnaufen, um dann erneut die Grenze nach Russland zu überschreiten. Diesmal mit mehr Bargeld im Gepäck. Besonders gefreut haben sich Weller und Wall auf das dortige Altai-Gebirge, landschaftlich ein absolutes Highlight der Tour, gefolgt von den Etappen in der menschenleeren und felsigen Mongolei. In dem weltweit am dünnsten besiedelten Land seien oft ganz allein gewesen, abgesehen von wilden Kamelen und Pferden. Kulinarisch gerieten die zwei Radler dort an ihre Grenzen: zu viel Fleisch, zu fett und ohne Gewürze, wie sich Weller erinnert.
Kurz vor dem Ziel an der Chinesischen Mauer. (Foto: privat)
Guten Appetit! Angekommen in China, gab es erst einmal viel zu essen. (Foto: privat)
Kein Wunder also, dass sich das Duo nach dem Durchqueren der Gobi-Wüste in China erst einmal den Bauch vollschlug. Nach vielen guten Speisen und einem Besuch der Chinesischen Mauer erreichten Tommaso Weller und Jakob Wall schließlich ihr Ziel: den Tian’anmen-Platz in Peking, wo sie den stellvertretenden deutschen Botschafter trafen. Am letzten Tag der Tour sei er schon am Morgen sehr emotional gewesen, sagt Weller: „Man weiß, jetzt ist es vorbei, man hat es geschafft.“ Der Unterschleißheimer war bereits 2024 für ein halbes Jahr zum Studieren in Peking, Wall kannte die Stadt durch seinen Job als Flugbegleiter. „Doch das Einfahren mit dem Rad war spektakulär“, sagen beide rückblickend.
Was für die Zwei von der Reise bleibt, abgesehen von den 15 000 Euro für die Deutsche Krebshilfe? Natürlich die Eindrücke: „In jedem Land wurden wir mit offenen Armen empfangen“, sagt Weller, überall hätten sie Unterstützung von Einheimischen bekommen. Die sei eine der schönsten Seiten des Radreisens: die Nähe, der direkte Kontakt auf der Straße und die Begegnungen. Und: „Wir sind durch sehr bescheidene Gegenden gekommen, was uns deutlich vor Augen geführt hat, was für ein unglaubliches Privileg es ist, ein solches Abenteuer erleben zu dürfen.“ Es habe es Augenblicke gegeben, bei denen „einfach alles zusammenkam – Emotionen, Landschaft, Musik, Sonnenuntergang“. Weller und Wall haben diese unbeschreiblichen Erlebnisse „Fünf-Prozent-Momente“ genannt, wie sie erzählen. Diese hätten die wirklich miserablen Phasen der Tour, die es freilich gab, ausgeglichen. Mehr noch: Sie seien der Grund dafür gewesen, diese Reise zu unternehmen.
Die Freunde und Familien der jungen Männer sind erwartungsgemäß heilfroh, sie nach der Rückkehr gesund in Empfang nehmen zu können. In gewisser Weise waren Eltern, Opa und Oma und alle anderen die 111 Tage lang dabei: Tommaso Weller und Jakob Wall haben jeden Abend Nachrichten geschrieben, wenn es Internet gab oder sich per Satellitengerät gemeldet. Zudem war ihre Route über Tracking-Apps zu verfolgen und sie posteten Wasserstandsmeldungen in den sozialen Medien, auch um auf die Spendenaktion aufmerksam zu machen.
All die vielen Fotos und Videos werden nun gesichtet, um sie für Reiseberichte und Vorträge zusammenzustellen. Der erste Termin ist bereits fix: Am 25. Februar 2026 werden Tommaso Weller und Jakob Wall bei einer Veranstaltung des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) München in der Alten Utting von ihrem Abenteuer erzählen.