Als beste Dokumentation über zeitgenössische Geschichte geadelt und in zahlreichen namhaften Filmbestenlisten zu finden: Der über neun Stunden lange, zermürbende Dokumentarfilm „Shoah“ hat eine Blu-ray-Neuauflage erhalten.
Der australische Publizist Bill Georgaris rief 2006 They Shoot Pictures, Don’t They? ins Leben: Eine Auswertung diverser Filmranglisten und Fachbeiträge, mit der er die angesehensten Filme der Kinogeschichte bestimmt. Im Rahmen dieses ambitionierten Projekts hat sich einer der längsten Kinofilme, die kommerziell breit ausgewertet wurden, zugleich als immens ruhmreich bestätigt.
Die Rede ist von Claude Lanzmanns über neun Stunden langem Dokumentarfilm „Shoah“, der 1985 erschienen ist und seither von zahlreichen Fachleuten als herausragende, wichtige Auseinandersetzung mit der vom Deutschen Reich betriebenen Auslöschung jüdischen Lebens bezeichnet wird.
Es ist ein aufwühlender, bedeutsamer Film, der (nicht nur) hierzulande absolutes Pflichtprogramm darstellen sollte, damit sich die in dieser Doku beschriebenen Dinge nicht wiederholen. Diese Woche hat das Doku-Ausnahmewerk „Shoah“ eine Heimkino-Neuauflage auf Blu-ray erhalten:
„Shoah“ bei Amazon*
Kleine Randnotiz: Die Blu-ray-Erstauflage des 566 Minuten langen Dokumentarfilms ist weiterhin bei Amazon* und anderen Onlinehändlern verfügbar. Beiden Versionen liegt ein Booklet mit Kurzbiografien aller Befragten sowie ergänzenden Kommentaren Lanzmanns bei.
„Die beste Dokumentation, die je über zeitgenössische Geschichte gedreht wurde“
„Shoah“ besteht aus zahlreichen Interviews mit Überlebenden und Tätern – und ist ein eindringliches Beispiel für die Macht der Worte: Lanzmann verzichtet komplett auf den Gebrauch von historischem Bild- und Fotomaterial. Die Verbrechen, von denen „Shoah“ berichtet, werden lediglich von den Menschen beschrieben, die Lanzmann im Laufe der elfjährigen Produktionsdauer interviewt hat. Auch die Tatorte gibt es bloß in kontemporärem Filmmaterial zu sehen.
Durch die Anordnung der Interviews und die Berichte, die Lanzmann seinem jeweiligen Gegenüber entlockt, werden Bilder unnötig: „Shoah“ gleicht wiederholt tiefen Schlägen in die Magengegend, macht fassungslos ob mehrmals zur Schau gestellter Gewissenlosigkeit und raubt den Atem ob des Lebenswillens, den die befragten Überlebenden im Angesicht immenser Torturen und konstanter Entmenschlichung bewiesen haben.
Dokumentarfilmer Marcel Ophüls lobte „Shoah“ daher als „die beste Dokumentation, die je über zeitgenössische Geschichte gedreht wurde“, und bei einer 2022 erfolgten Umfrage des prestigeträchtigen Magazins Sight & Sound holte sich die erschütternde Produktion Rang 27 in der Liste der besten Filme aller Zeiten. Eingangs stieß „Shoah“ aber noch auf viel Widerstand:
Beispielsweise wollte die damalige polnische Regierung 1985 ein Aufführungsverbot des Films erzwingen. Und der Bayerische Rundfunk legte nicht nur ein programmplanerisches Veto ein, sodass „Shoah“ zunächst nicht im ARD-Hauptprogramm sondern bloß auf den Dritten Programmen gezeigt wurde, sondern verbannte ihn auf seiner eigenen Welle obendrein auf einen unattraktiven Sendetermin.
Mittlerweile herrscht Konsens, dass Claude Lanzmanns Ausnahmeprojekt Achtung verdient hat und ein überaus wichtiges Zeitdokument darstellt. Doch seine Aussage über die Auswirkungen entmenschlichender Hetze hat sich noch immer nicht weit genug verbreitet.
Solltet ihr einen weiteren Film über Unmenschlichkeit und Hass verkraften können: Auch unser folgender Heimkino-Tipp blickt mit erschütternd-zeitloser Resonanz auf ein finsteres Geschichtskapitel.
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