Mit ruhiger Hand steuert Kapitän Adrian Aidoiu die Fähre „Tamara“ über den Rhein. In den Sommermonaten ist er nahezu jeden Tag mit seinem Schiff auf dem Strom unterwegs. Er bringt Passagiere vom Wiesbadener Ufer zur Rheininsel Rettbergsaue und zurück.
Der Achtundfünfzigjährige macht seinen Job mit spürbarer Begeisterung. Ihm gefalle besonders die Freiheit und die Arbeit an der freien Natur „ohne Hektik und Stress“, sagt Aidoiu, während er weiter konzentriert auf den Flussabschnitt vor ihm schaut.
Es ist ein regnerischer Tag, auf dem Rhein sind keine Hobbyboote, Kanus oder Stand-up-Paddler zu sehen. Die großen Containerschiffe und Flusskreuzfahrtschiffe sind dennoch unterwegs.
Vater Rhein: Breit, aber doch mit etlichen Untiefendpa
Der Fluss zählt zu den verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt – und er ist Hessens großer Strom zwischen Lampertheim im Süden und Lorch im Norden. Genaugenommen fließt der Rhein nur an Hessen entlang – und zwar an der Grenze zu Rheinland-Pfalz.
Der schönste Abschnitt führt durch den Rheingau mit den steilen Weinbergen, romantischen Burgen und dem stattlichen Niederwalddenkmal mit der Germania oberhalb von Rüdesheim. Aber auch das Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue am Rhein im südhessischen Ried bietet vor allem für Naturliebhaber ein interessantes Ausflugsziel, bevor der Strom das dicht besiedelte Rhein-Main-Gebiet erreicht.
Schon über 90 Jahre auf Rhein-Fahrt: Fährschiff „Tamara“dpa
Dort, zwischen Wiesbaden-Biebrich und Wiesbaden-Schierstein, liegt die Fährstrecke von Kapitän Aidoiu. Der freundliche und bedächtige Mann kam 1993 aus seiner Heimat Rumänien nach Deutschland. Erst besuchte er seine Tante, dann blieb er am Rhein und nahm auf der Fähre einen Aushilfsjob an, wie der gelernte Automechaniker erzählt. „So bin ich auf der Tamara gelandet.“ Damals wie heute repariert Aidoiu vieles selbst auf dem betagten Schiff, das 1934 vom Stapel lief.
Des Kapitäns Brücke: Im Führerstand ist auch moderne Technik verbaut.dpa
„Am Anfang hatte ich keine Ahnung von Schiffen“, erinnert sich der Kapitän. Aber er arbeitet sich hoch, vom Schiffsjungen zum Matrosen und schließlich zum Steuermann. Nach einer erfolgreichen theoretischen und praktischen Prüfung – natürlich auf der „Tamara“ – bekommt Aidoiu sein Patent als Fährschiffskapitän. Seit 18 Jahren ist er Chef an Bord. Inzwischen gehört ihm das Schiff.
Aidoiu liebt seinen Beruf. Von morgens 9.30 Uhr bis abends etwa 19 Uhr überquert er zwischen Ende April bis Mitte September mit der „Tamara“ den Rhein, montags ist Ruhetag.
Gepflegte Klassik: Kapitän Adrian Aidoiu (rechts) und Matrose Stefan Binder sitzen im Passagierraum der Fähre.dpa
Es sei keine schwere körperliche Arbeit, es gehe vielmehr um Konzentration, berichtet er. Außerdem habe er viel mit Menschen zu tun, jeder Tag sei anders. Auf der Brücke der Tamara vereinen sich die alten Steuerelemente des rund 90 Jahre alten Fährschiffes mit moderner Technik wie GPS und Funk.
Die Saison 2025 verläuft eher durchwachsen, wie Aidoiu und Matrose Stefan Binder berichten. Das liege vor allem an den vielen Regentagen, wenn kaum Menschen einen Ausflug zur Rettbergsaue machen, wo es Badestellen, ein Café und einen Campingplatz gibt. In den zurückliegenden sechs Jahren habe es wegen des häufigen Niedrigwassers Probleme gegeben, wenn die Fähre teils nicht fahren konnte, erzählen die beiden.
Und was macht Fährkapitän Aidoiu im Winter? Zumindest in den zurückliegenden Jahren blieb er dem Rhein in der kälteren Jahreshälfte treu und arbeitete am Neubau der Schiersteiner Autobahnbrücke über den Rhein mit. Auch dann hatte er den Strom täglich im Blick.