Sie ist eine attraktive junge Frau. Eine, die auffällt. Groß, kurvig, mit langen Haaren, top gestylt. Doch Jessy Pohler sah all das auf den Fotos nicht, die von ihr gemacht wurden. Sie sah nur eines: das Doppelkinn. Deswegen entschloss sie sich schließlich zur Schönheits-OP. Der Eingriff ist gelungen. Dennoch warnt die Dortmunderin: „Ich hab das Ganze total unterschätzt.“
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Jessy Pohler war nicht entstellt. Keine, bei der man den Blick abwendet, um nicht zu starren. Doch die 30-Jährige sah das anders. „Ich hatte Angst vor jedem neuen Foto von mir“, sagt sie. Und davon gibt es viele. Als Social-Media-Beraterin, Dortmund-Influencerin und Moderatorin kursieren viele Bilder und Videos von ihr im Netz. Auch als Markenbotschafterin der Kronen-Brauerei ist die PR-Frau unterwegs. „Aber ich habe auf den Fotos ganz oft eine Flasche vors Gesicht gehalten, um das Kinn zu bedecken.“ Am schlimmsten sei es gewesen, wenn sie auf einer Bühne gestanden habe. „Die Aufnahmen schräg von unten waren besonders schrecklich.“
Dortmunderin steht oft vor der Kamera
Die junge Dortmunderin ist sich bewusst, dass es eigentlich nur ein kleiner Makel war, der sie störte. „Aber wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist man schon einem gewissen Druck ausgesetzt, dem Schönheitsideal zu entsprechen“, sagt sie. Ein schlankes Gesicht, aber Kurven an den richtigen Stellen. Jessy Pohler kritisiert das – und kann sich davon doch nicht freimachen. Dabei ist mit ihrer Figur – Kleidergröße 44 bei 1,81 Meter – eigentlich ganz zufrieden. Nur eine Kurve hat immer gestört – und die ließ sich auch durchs Abnehmen nicht schmälern. „Auch mit weniger Kilos: Das Doppelkinn blieb.“
Das war das Foto, das den letzten Anstoß zur Operation gab: Jessy Pohler bei einer Moderation auf der Bühne.
© Funke Medien NRW | Jessy Pohler
Schon vor vier Jahren begann die Influencerin, sich zu informieren. Eine Schönheitschirurgin, mit der sie sich in der Zeit anfreundete, riet ihr schließlich, es erst mal mit einer Fett-weg-Spritze zu versuchen, die straffe Konturen verspricht. Das Ergebnis: gleich null. Jessy Pohler will das nicht auf den Wirkstoff schieben. „Mein Mann hat es zeitgleich auch probiert, bei ihm hat es besser funktioniert.“
Operation war ein „krasser Eingriff“
Für die PR-Frau, die seit drei Jahren auch das Kulinarik-Festival „Dortmund à la carte“ betreut, blieb daher schließlich nur noch eins: sich unters Messer zu legen. Im Februar 2025 war es schließlich so weit. Vor dem Eingriff hatte sie sich gründlich über die Fettabsaugung informiert. Trotzdem sagt Jessy Pohler heute: „Ich bin da ein bisschen leichtfertig drangegangen.“ Es sei schon „ein krasser Eingriff“ gewesen. „Der war echt nicht ohne.“
Die Operation fand unter lokaler Betäubung statt. Das überschüssige Gewebe im Kinn wurde mit einer Flüssigkeit gelöst.
© Funke Medien NRW | Jessy Pohler
Und dabei meint die junge Dortmunderin nicht die 45-minütige OP selbst, die sie bei lokaler Betäubung hinter sich gebracht hat. Besonders schmerzhaft sei die nicht gewesen. „Ich habe nur Druck verspürt und hatte nur das Gefühl, einen Ziegelstein am Hals hängen zu haben.“ Denn das überschüssige Gewebe sei vor der Absaugung zunächst mittels einer injizierten Flüssigkeit gelöst worden. Was nicht ganz ungefährlich ist, das war Jessy Pohler bewusst. „Es hätte zum Beispiel ein Nerv getroffen werden können.“ Mit vielleicht sogar bleibenden Schäden. Die Dortmunderin ging das Risiko bewusst ein. „Als ich nach der OP das Ergebnis im Spiegel gesehen habe, habe ich angefangen zu weinen“, sagt sie. „Da war mir klar: Es hat sich gelohnt.“
Stramme Bandage für acht Wochen
Doch die schwere Zeit hat da erst begonnen. Nach dem Eingriff kamen die Schmerzen, die riesigen blauen Flecken, das Druckgefühl, die Taubheit der Haut. „Erst im Juli hatte ich wieder Gefühl im Kinn.“ Besonders unangenehm war aber der Druckverband. Acht Wochen lang musste die 30-Jährige rund um die Uhr, Tag und Nacht, die straffe Bandage am Kopf tragen. „Das ist ganz wichtig“, erklärt sie. „Das macht die Hälfte der OP aus.“ Schließlich müsse das gelockerte Gewebe erst wieder zusammenwachsen. Anstrengend sei das gewesen, nervig und für alle unübersehbar.
Die Folgen der OP waren in den Tagen danach auch am Hals deutlich zu sehen. Die Narben sind hingegen winzig.
© Funke Medien NRW | Jessy Pohler
Dass sie „was hat machen lassen“, damit ist Jessy Pohler offensiv umgegangen. „Mit Stärke und Witz“, sagt sie. Die Reaktionen? Unterschiedlich. Von „das hattest du doch gar nicht nötig“ bis „toll geworden“ und „du siehst schlanker aus“ war alles dabei. Vor allem eine gab es häufig: „Gibst du mir die Adresse?“ Schönheitsoperationen sind kein Tabu mehr. Deutschland gehört laut Daten-Plattform Statista mit rund 626.200 derartigen Eingriffen im Jahr 2024 zu den zehn Ländern mit den meisten ästhetisch-plastischen OPs weltweit. Und mit rund 17,8 Prozent führt die Fettabsaugung die Beliebtheits-Liste an. Die Dortmunderin ist mit ihrem Problem also wahrlich nicht allein.
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Nach all den ausgestandenen Qualen, seelisch wie körperlich, ärgert es die Social-Media-Expertin umso mehr, was ihr derzeit in den Feed gespült wird. Werbung für Kim Kardashians Shapewear nämlich. Ihre Marke „Skims“ vertreibt neuerdings auch Kinnbandagen, die allein durchs nächtliche Tragen für straffere Haut sorgen sollen. Binnen Minuten waren sie online ausverkauft. Ein Kinngurt für über 60 Euro statt OP für ein paar Tausend? Für Jessy Pohler ist das Abzocke und ein purer Marketing-Trick. Kims eigener Look sei schließlich sicher durch OPs entstanden, nicht durch kosmetische Bandagen. „Durch die wird man nicht definierter, sondern nur ärmer.“
Mit diesem Aussehen ist sie nun mehr als zufrieden: Jessy Pohlers neu modelliertes Kinn sehe „sehr natürlich“ aus, sagt sie glücklich.
© Funke Medien NRW | Jessy Pohler
Der große Erfolg der Shapewear stimmt die PR-Frau allerdings nachdenklich. Es sei erschreckend, wie sehr Social Media inzwischen beeinflusse, wie wir aussehen wollen. Das bestätigt auch Dr. Helge Jens, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie. „Der Umgang mit den Sozialen Medien hat enormen Einfluss auf das Selbstbild junger Menschen.“ So wie ihre Vorbilder aus dem Internet wollen sie aussehen, kommen mit Fotos von ihnen in die Praxis.
Auch Jessy Pohler kann sich diesem Druck nicht entziehen, obwohl sie ihn erkennt. Sie gibt zu: „Ja, ich bin Teil des Spiels.“ Doch zumindest habe sie lange darüber nachgedacht, ob der Eingriff wirklich die Lösung für ihr Problem ist. Und ob nicht etwas oder jemand ganz anderes hinter der Unzufriedenheit steckt. „Letztlich hat mir sogar meine Therapeutin dazu geraten.“
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Jessy Pohler ist sicher: Sie hat die Operation wirklich nur gemacht, um sich und nicht um anderen zu gefallen. „Und das war richtig.“ Weitere Eingriffe mit dem Skalpell schließt sie für sich aus. Die kleine Wunde am Kinn sei schon schlimm gewesen. „Wenn ich mir das am ganzen Bauch oder der Brust vorstelle: No way!“ Vom gängigen Schönheitsideal will sich die 30-Jährige aber doch nicht verabschieden. „Botox werde ich mir sicher mal spritzen lassen – wenn die Falten auf der Stirn kommen.“