Das Medieninteresse war riesig – wie hat den Besuchern die FKK-Führung im Haus der Geschichte gefallen? Die Veranstalter planen weitere Nackt-Events in Stuttgart.
Das Thema der Ausstellung ist wohl nicht der Grund gewesen, warum plötzlich überregionale Zeitungen und Fernsehsender über das Haus der Geschichte in Stuttgart berichteten. Es waren wohl eher die ungewöhnlichen Umstände: Denn am Samstag hat dort erstmals eine FKK-Führung durch die Ausstellung „Frei Schwimmen“ stattgefunden. Der ausverkaufte Rundgang über die Geschichte des Badens, darunter auch der Freikörperkultur (FKK), stieß auf ungewöhnlich großes Medieninteresse. Vorab jedenfalls, denn dann entschied der Veranstalter, bei der Führung keine Medien ins Haus zu lassen. Also haben wir Besucherinnen und Besucher vor dem Rundgang gefragt: Was erwarten sie von dem Nackt-Event? Und danach: Wie hat es ihnen gefallen?
Thomas Krämer ist Geschäfsführer des Vereins Getnaked Germany. „Wir setzen uns dafür ein, Freikörper-Kultur mehr zu normalisieren und positiv zu besetzen“, erklärt er. Etwa 160 Mitglieder zähle der Verein, der seinen Sitz in Landau in der Pfalz hat. Als Krämer von der Freischwimmen-Ausstellung in Stuttgart erfahren hatte, habe er direkt beim Haus der Geschichte wegen einer FKK-Führung angefragt.
Thomas Krämer und Jeanette Langner vom Verein Getnaked Germany. Foto: Lichtgut
Auch Krämer und Jeanette Langner, eine der Vorsitzenden des Vereins, sind das erste Mal bei einer FKK-Führung dabei. Beide freuen sich sehr darauf, Langnau sagt: „FKK ist einfach natürlich, das ist ein ganz anderes Gefühl ohne Kleider.“ Während Kramer übers Wandern zum FKK kam, schätzt Langner eher den kulturellen Aspekt.
Was lockt die Besucher an und was erwarten sie von der Führung?
Kurz vor Beginn strömen mehr und mehr Besucherinnen und Besucher zum Haus der Geschichte. Viele von ihnen kennen sich, umarmen sich zur Begrüßung. Die meisten von ihnen sind älter, zwischen 50 und 70 Jahren, aber vereinzelt sind auch Jüngere darunter.
„Lieben Nacktivitäten“: Das Ehepaar Manfred Schwedtmann und Hilde Thomas. Foto: Lichtgut
Das Ehepaar Hilde Thomas und Manfred Schwedtmann, 78 und 80 Jahre alt, ist aus Gelsenkirchen angereist – „weil wir Nacktivitäten lieben“, sagt Schwedtmann. Wie viele andere Besucher sind auch sie Mitglied im Verein Getnaked Germany. Sie radeln und kegeln gerne nackt, veranstalten auch mal FKK-Partys und waren schon des Öfteren nackt in Museen. „Das heute ist also nix Neues“, betont Manfred Schwedtmann. Ginge es nach ihm, sollten FKK-Führungen längst „viel normaler“ sein.
Geht öfter nackt in Ausstellungen: Horst Kehm. Foto: Lichtgut
Auch der 67-jährige Horst Kehm war schonmal bei einer FKK-Führung in Museen dabei, darunter in Münster und Rotterdam. „Ich freue mich darauf, die Ausstellung nackt zu besuchen und hier Bekannte zu treffen“, sagt er. Schließlich kenne man sich oftmals untereinander. Dabei interessiere ihn die Geschichte des Nacktbadens natürlich besonders.
Wie hat den Besuchern die FKK-Führung gefallen?
Tom Rodehaver kommt als einer der Ersten aus der Führung. Der Amerikaner ist extra für die Führung aus dem tschechischen Karlsbad angereist. Er bezeichnet sich als Naturist, aber auch für ihn sei es die erste Nackt-Führung gewesen. Begeistert hat ihn vor allem der Inhalt der Ausstellung: „Es war interessant zu sehen, wie sich die Badekultur in der Historie entwickelt hat.“
Tom Rodehaver ist für die Führung aus Tschechien angereist. Foto: Chiara Sterk
Auch Hilde Thomas und Manfred Schwedtmann sind begeistert, als sie das Haus der Geschichte wieder verlassen. Die beiden waren besonders gespannt, mehr über die verschiedenen Bademoden zu erfahren – und wie das Thema Freikörperkultur behandelt wird. Ihr Fazit? „Uns hat es sehr gut gefallen“, sagt Thomas. Der Kurator habe toll durch die mühevoll kuratierte Ausstellung geführt. „Nur bei der Begrüßung hat er uns spüren lassen, dass er das nicht normal findet, dass wir nackt sind, und uns nicht ganz ernst genommen“, bemängelt Thomas.
Helmut Achtzehnter ist aus der Pfalz für die Führung hergekommen. Foto: Chiara Sterk
Helmut Achtzehnter ist aus der Pfalz angereist. Die Führung war eine interessante Erfahrung, sagt er, aber ganz entspannt. In der Szene sei es ohnehin manchmal eher komisch, sich angezogen zu treffen – man kenne sich meist ohne Kleidung. Er mache seit Jahren alles mögliche nackt, darunter Radfahren und Wandern. „Ich hätte kein Problem, wenn Museen das bei passendem Thema als Option anbieten würden. In der Therme ist es schließlich auch völlig normal, dass man nackt ist.“ Und auch inhaltlich hat es ihm gut gefallen: „Dass es nur stellenweise um FKK ging, finde ich völlig vertretbar, schließlich hat die Ausstellung ihren Fokus in Baden-Württemberg.“
Und auch einem 28-Jährigen Geschichtslehrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat die Führung gefallen. Fragt man ihn, ob er beim FKK in der Regel unter den Jüngsten sei, verneint er – „da sind immer auch einige Jüngere dabei.“ Die Ausstellung sei interessant gewesen – „nur das Ausziehen hat mich schon kurz Überwindung gekostet“.
Getnaked Germany will nackte Weinlese in Stuttgart ausrichten
Und auch Krämers Resümée fällt durchweg positiv aus: „Die Ausstellung war sehr schön, der Kurator hat viel Hintergründiges erzählt. Und es war wie erwartet total entspannt, wie in einer Familie.“ Langner war es fast etwas zu warm, weil auf 23 Grad hochgeheizt wurde – „und ich konnte ja nichts mehr ausziehen“, sagt sie lachend.
Die Ausstellung Frei Schwimmen ist noch bis 14. September im Haus der Geschichte. Am Samstag, 13. September, findet eine weitere FKK-Führung statt, die allerdings auch schon ausverkauft ist. Doch geht es nach Thomas Krämer und Jeannette Langner, war das nicht die letzte FKK-Veranstaltung in Stuttgart: „Ich träume davon, nächstes Jahr eine nackte Weinlese in den Stuttgarter Weinbergen zu veranstalten“, sagt Langner.