Kiel. Kielius’ Kolumne gibt es schon viele Jahrzehnte. Manchmal bekommt er von seinen Leserinnen und Lesern Lob, manchmal – wenn er über Tauben und Möwen schimpft – auch wütende Briefe, und immer wieder liegen auch Anregungen auf seinem Schreibtisch, die er gerne aufgreift. Doch eines bekam er bislang nie: eine E-Mail vom deutschen Außenminister.
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Dem ging folgende Kolumne in der gedruckten Freitagausgabe voraus:
„Als Johann Wadephul, unser Außenminister aus Molfsee, am Donnerstag seinen Amtskollegen in Estland trifft, sitzt Kielius in der Redaktion und schreibt diese Zeilen. Eigentlich wäre er dabei gewesen, bei diesem Antrittsbesuch. Er wäre in der Regierungsmaschine, einer A321 VIP, mitgeflogen, hätte mit Wadephul über Krieg und Frieden, vor allem aber über die Sicherheit im Baltikum gesprochen, die letztlich auch unsere in Schleswig-Holstein ist – und von all dem seinen künftigen Enkelkindern erzählt. Sie merken: ganz schön viel Konjunktiv.
Kolumne über abgesagte Reise mit Außenminister Johann Wadephul
Als Kielius‘ Zug am Tag zuvor in Berlin-Spandau hält, klingelt das Telefon – das Außenministerium. Kielius hat sich immer lustig über Menschen gemacht, die behaupteten, morgens rufe der Kanzler in der Redaktion an und diktiere die Berichterstattung. Nun also das Außenministerium. Es täte ihnen sehr leid, aber das Flugzeug sei kaputt. Der Herr Außenminister fliege deshalb mit einer kleineren Maschine der Luftwaffe zu seinem Termin nach Estland und anschließend nach Dänemark, ohne Journalisten. Sich in einem Zug sitzend über ein ausfallendes Flugzeug ärgern – eigentlich kennt Kielius das nur andersrum.
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Und so kam es, dass Kielius nicht nur die längste Zugfahrt ohne Nutzen seines Lebens hatte, sondern auch den kürzesten Aufenthalt am Berliner Hauptbahnhof. Genau zwölf Minuten. Denn der ICE zurück nach Hamburg kam pünktlich, noch so ein sonderbares Detail dieses Tages. Das Hotel für die Nacht in Berlin hat Kielius noch abbestellt, in dem Wissen, dass die Stornogebühr trotzdem fällig wird. Nur so aus Höflichkeit. Am nächsten Morgen bekam er auch sogleich eine E-Mail zurück: Kielius möge doch bitte seinen Aufenthalt im Hotel bewerten. Herr Außenminister, bitte übernehmen Sie.“
Überraschende Antwort von Außenminister Wadephul an Kielius
Am Freitagnachmittag erhielt Kielius daraufhin diese E-Mail:
„Lieber Kielius,
es betrübt mich, dass unsere erste gemeinsame Reise so kurzfristig wegen eines kaputten Flugzeugs ins Wasser gefallen ist! Gleichzeitig bin ich natürlich den Kolleginnen und Kollegen der Flugbereitschaft sehr dankbar, dass sie den Schaden vor dem Abflug bemerkt haben. Ansonsten wäre die Geschichte deutlich dramatischer ausgegangen. Sicherheit geht nun einmal vor – beim Fliegen genau wie in unserem Ostseeraum. Ich hoffe, du nimmst mir das Hin und Her deswegen nicht übel.
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Lieber Kielius, es betrübt mich, dass unsere erste gemeinsame Reise so kurzfristig wegen eines kaputten Flugzeugs ins Wasser gefallen ist!
Johann Wadephul
deutscher Außenminister
Umso mehr freue ich mich, unsere gemeinsame Reise bald nachzuholen. Japan wird es vermutlich nicht, denn da war ich gerade erst und habe sehr gute Erfahrungen mit dem Shinkansen (das japanische Hochgeschwindigkeitszugnetz, Anm. d. Red.) gemacht. Eine wirklich pünktliche, saubere und sichere Angelegenheit, kann ich Dir sagen. Aber Deine Zugfahrt klingt ja eigentlich auch gar nicht so schlecht. Ich kenne die Strecke ganz gut. Vor allem auf dem Weg zurück wird die Landschaft immer schöner.
Also, bis bald, auf welcher Strecke auch immer,
Dein Johann“
Kielius freut sich sehr über die sympathische Antwort. Und nein, Kielius ist natürlich nicht nachtragend. Er stellt sich jetzt nur eine Frage: Darf Kielius den Herrn Außenminister künftig wirklich duzen? Andererseits: Warum auch nicht? Herr Kielius klänge umgekehrt auch ziemlich albern.
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Also, da du, Johann, sicher zu wenig Zeit für einen weiteren Briefwechsel hast, besprechen wir das dann bei der nachgeholten Reise – falls es dann nicht viel wichtigere, weltpolitische Themen gibt, die uns beide umtreiben.
KN