Berlin – Am Montag stellt die Berliner SPD offiziell ihren Spitzenkandidaten für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2026 vor. 

Der Name wurde bereits bekannt und sorgte für ungläubiges Staunen: Steffen Krach soll das Rennen machen, der von 2016 bis 2021 als Staatssekretär für Wissenschaft tätig war und dann in das Amt des Regionspräsidenten in Hannover wechselte. Dort ist Krach der oberste Repräsentant der Landkreise im Raum Hannover und der Landeshauptstadt selbst.

Natürlich hätte man gedacht, dass einer der bekannten Persönlichkeiten der Berliner SPD zum Spitzenkandidaten ausgerufen werden würde.

Infrage käme etwa Senatorin Franziska Giffey, die schon einmal als Regierende Bürgermeisterin amtierte. Oder der Landesvorsitzende und Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel oder Fraktionschef Raed Saleh, der die Koalitionsregierung mit der CDU lenkt und den größten Einfluss in seiner Partei hat.

Steffen Krach ist Notlösung der SPD

Sie alle fallen aus, und stattdessen tritt ein Mann an, den die Öffentlichkeit gar nicht kennt. Steffen Krach ist vom Studium her Politologe und ein SPD-Karrierist. Er wurde vom damaligen Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner entdeckt und als Büroleiter berufen, dann wechselte er auf den Stuhl des Staatssekretärs als Leiter der Verwaltung.

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Warum will die SPD einen Mann an die Spitze schicken, mit dem man so wenig anfangen kann? Ganz einfach: Weil sie intern so zerstritten ist, dass sich alle anderen Kandidaten gegenseitig blockieren. Krach ist eine Notlösung, mehr nicht.

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Das Problem eskalierte nach der Wahl im Februar 2023, als die Berliner Sozialdemokraten mit 18,4 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1946 einfuhren. Ein Jahr später, im April 2024, bekam der damalige Parteichef Saleh die Quittung: Er wurde von den Mitgliedern abgewählt. Er bekam nur 15,6 (!) Prozent der Stimmen und schaffte es nicht einmal in die Stichwahl.

Mit 58 Prozent wählten die Berliner SPD-Mitglieder im April 2024 das Duo Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel zum neuen Parteivorstand. Saleh reagierte mit einer Provokation: Er ließ sich ohne Absprache im Amt des Fraktionschefs im Abgeordnetenhaus bestätigen, das er seit 2011 (!) bekleidet. Von dort zieht er die Fäden am Parteivorstand vorbei. 

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Ergebnis der Konfrontation ist es, dass weder Hikel noch Böcker-Giannini, noch Franziska Giffey oder Saleh selbst die Spitzenkandidatur bekommen können. Auch die Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe hat keine Chance.

Alle, die das Gesicht der Berliner SPD prägen, kommen nicht zum Zuge, dafür aber ein Herr Krach, auf den man sich als kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hat. Wofür er steht, weiß man genauso wenig, wie man weiß, was die Berliner SPD will: Will sie die Linke links überholen oder die bürgerlichen Wähler ansprechen?

Die Sozialdemokraten wissen es offenbar selbst nicht. Sie haben Angst vor der eigenen Orientierungslosigkeit und Zerstrittenheit – und deshalb vor dem Wählervotum 2026. So verliert man eine Wahl, noch bevor der Wahlkampf begonnen hat.

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de