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Pferd Calle hat in seinem jungen Leben bereits Schreckliches erlebt. Seine Geschichte wirft Fragen zur Verantwortung im Pferdehandel auf. Doch es gibt ein Happy End.

Drensteinfurt – Der vierjährige Wallach Calle ist groß, schlank, mit glänzendem Fell und treuem Blick. Doch hinter dem bildschönen Pferd steckt eine traurige Geschichte – verursacht durch Menschen, die skrupellos an Tieren verdienen.

Happy End für Calle: Der vierjährige Wallach darf bei Ramona und Thomas Haurenherm bleiben.Happy End für Calle: Der vierjährige Wallach darf bei Ramona und Thomas Haurenherm bleiben. © Mechthild Wiesrecker

Für Ramona Haurenherm ging mit dem Kauf von Calle im Mai 2024 ein Traum in Erfüllung: Ein eigenes Reitpferd, das sie im Herbst selbst ausbilden wollte, wie sie unserer Zeitung berichtet. Doch schon im August bemerkte sie, dass Calles Bewegungsabläufe nicht stimmig waren. Zunächst hielt sie es für die Unbeholfenheit eines jungen, großgewachsenen Pferdes. Ein Tierarzt bestätigte jedoch ihre schlimmste Befürchtung: Calle leidet an Ataxie – einer unheilbaren Nervenkrankheit, die ihn unreitbar macht.

Neuer Besitzer nicht über Krankheit informiert: Erneuter Umzug für Calle

Als Ramona Haurenherm die Vorbesitzerin mit der Diagnose konfrontierte, habe diese sich überrascht gezeigt und sofort angeboten, den Kaufpreis in voller Höhe zu erstatten – zurück habe sie das Pferd jedoch nicht nehmen können. Sie beschloss, für Calle einen guten Platz als Beistellpferd zu suchen. Auf ihre Anzeige meldeten sich viele Interessenten, seriöse und unseriöse, wie sie sagt. Schließlich entschied sie sich für eine Frau, die für ihr Shetlandpony ein Beistellpferd suchte und ausdrücklich kein Reitinteresse hatte.

Für Calle begann eine Odyssee – die erste Station war Melle. Der Verkauf erfolgte mit Schutzvertrag: 650 Euro Schutzgebühr, Vorkaufsrecht, Vertragsstrafe bei Nichteinhaltung. Was Ramona Haurenherm nicht wusste: Der Vertrag verlor seine Gültigkeit, sobald Calle weiterverkauft wurde. Einige Monate später habe sich die Käuferin gemeldet – sie könne Calle aus privaten Gründen nicht behalten, habe aber eine junge Frau gefunden, die ihn bereits im Stall betreue. Auch hier wurde ein ähnlicher Vertrag geschlossen, wieder mit Vorkaufsrecht und wieder zum Kaufpreis von 650 Euro.

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„Bis dahin hatten wir noch die Kontrolle“, berichtet Thomas Haurenherm. Doch auch die zweite Station, bei der Calle im gleichen Stall in Melle bleiben durfte, war nur von kurzer Dauer, denn die neue Besitzerin habe nur drei Tage später angerufen: Sie sei nicht über Calles Krankheit informiert worden und wolle ihn nicht behalten. Ramona Haurenherm bot an, gemeinsam einen neuen Platz zu suchen – unter der Bedingung, dass Calle in der Nähe bleibe, sie ihn aber auch zurücknehmen würde, falls sich kein geeigneter Käufer finde. Wenig später aber sei per WhatsApp die Nachricht gekommen: „Ich habe jemanden gefunden.“ Am folgenden Montag bekam Ramona Haurenherm die Information, dass Calle bereits nach Sachsen-Anhalt verkauft worden war, für 1300 Euro.

Zunächst schien auf seiner dritten Station alles gut: Die neue Besitzerin, Frau P., habe zunächst versichert, Calle gehe es gut, und versprach Fotos. Einen Tag später jedoch folgte die Nachricht, er sei nicht verträglich mit ihrem Wallach und müsse weg. Ramona Haurenherm bot an, ihn zurückzuholen – doch der Kontakt brach ab. „Wir waren so beunruhigt, dass wir im Internet recherchierten und dabei auf ein Netzwerk Geschädigter stießen“, berichtet sie. „Innerhalb dieses Netzwerks wurden die Aktivitäten in Bezug auf den Kauf und Verkauf von Frau P. beobachtet“, berichtet sie weiter. So fanden sie das Reitvideo von Calle, der als Reitpferd für 4000 Euro an eine Influencerin aus der Nähe von Kiel weiterverkauft wurde. Mit ihm habe diese auch eine ebenfalls kranke Stute von Frau P. erworben. Für den Wallach aus Drensteinfurt war das innerhalb von zehn Monaten die vierte Station.

Schreckliches Schicksal: Wäre in Dubai beim Schlachter gelandet

„Wir haben dagesessen und geheult“, erinnert sich Ramona Haurenherm. Die Influencerin, so erfuhren sie, kaufe Pferde, um sie nach Dubai zu verkaufen, wo sie Kontakt zu einem Pferdehändler habe. „Wäre es dazu gekommen, wäre er wegen seiner Krankheit bald beim Schlachter gelandet“, glaubt das Ehepaar. Die Haurenherms reagierten sofort, mieteten einen Anhänger, fuhren nach Kiel und kauften Calle für 4000 Euro zurück. Der Zufall wollte es, dass die Box neben Bobby, einem neuen Reitpferd, das Ramona Haurenherm im November gekauft hatte, frei wurde.

Für Calle ein Happy End – doch das Ehepaar wollte mehr: „Wir wollten der skrupellosen Händlerin das Handwerk legen.“ Thomas Haurenherm fuhr zu Frau P., konnte jedoch keine Anzeige erstatten, da er nicht der Verkäufer war. Was er über Frau P. erfuhr, erschütterte ihn. Sie habe Pferde unter verschiedenen Pseudonymen und auf verschiedenen Plattformen gekauft und verkauft. Auf Anfrage des WA teilt der Direktor des zuständigen Amtsgerichts Weißenfels im Burgenlandkreis, Michael Kawa, mit: „Es sind sieben Anklagen gegen Frau P. und teilweise auch ihren Ehemann mit einer Vielzahl von vorgeworfenen Straftaten beim Schöffengericht anhängig.“

Auf Pferdehänger misshandelt: Pferd Calle kann nicht rückwärts gehen

Für Thomas Haurenherm ist es unverständlich, dass die Polizei das kriminelle Vorgehen der Frau bisher nicht stoppen konnte. Besonders erschüttert habe ihn, wie Frau P. mit Calle umgegangen sei. Nach dem 500-Kilometer-Transport von Melle nach Sachsen-Anhalt habe er scheinbar stundenlang im Hänger an einer Bundesstraße gestanden, ehe er im neuen Stall ankam. Kurz darauf erfolgte dann der 700-Kilometer-Transport nach Schleswig-Holstein. Wie Frau P. mit ihm beim Ausladen umging, habe ihnen die Influencerin berichtet. „Weil er, bedingt durch seine Krankheit, schlecht rückwärts gehen kann, habe Frau P. ihn gezwungen, sich im Hänger zu drehen. Wir haben die Verletzungen gesehen, die Calle davon getragen hat, die aber mittlerweile wieder verheilt sind“, bestätigt Thomas Haurenherm.

Calle hat Vertrauen verloren, war anfangs zurückhaltend, schreckte zurück, war immer im Fluchtmodus. Aber Calle ist angekommen und darf für immer bleiben. Jeden Tag wird er zutraulicher, Kinder liebt er besonders. Dennoch hat die Odyssee Spuren in seiner Seele hinterlassen. Mit ihrer Geschichte wollen Ramona und Thomas Haurenherm vor den Gefahren beim Pferdehandel warnen. „Schutzverträge bieten keine Garantie“, betonen sie – und sprechen damit auch für viele andere Geschädigte, die nach dem Kauf Tausende Euro in die Behandlung kranker Pferde investieren mussten.

Schutzverträge – was Käufer wissen sollten

Schutzverträge sind rechtlich meist Kauf- oder Schenkungsverträge mit Zusatzklauseln. Eigentümer wird grundsätzlich der Käufer. Nach dem Kauf hat der Käufer volles Eigentumsrecht am Tier. Schutzklauseln wie Besuchsrechte oder Rückgabepflichten sind oft unwirksam. Ein vereinbartes Vorkaufsrecht bedeutet, dass der ursprüngliche Verkäufer das Tier zuerst zurückkaufen darf, wenn der Käufer es weitergeben will. Es bindet aber nur den Erstkäufer. Wird es verletzt, kann der Verkäufer Schadensersatz fordern – das Tier bleibt aber beim neuen Eigentümer.

Fazit: Schutzverträge haben eher moralische als rechtliche Wirkung. Käufer dürfen über das Tier grundsätzlich frei verfügen. Das Problem: Tiere sind nach deutschem Recht zwar keine Sachen, aber sie werden in vielen Fragen wie Sachen behandelt.

Quelle: Bürgerliches Gesetzbuch BGB § 90a (Rechtsstellung von Tieren) §§ 463–469 BGB (Vorverkaufsrecht)

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