Gestreut durch kilometergroße Brocken
Doch was verursachte diese seismischen Störeffekte? Das untersuchten Charalambous und sein Team mithilfe eines geodynamischen Marsmodells. Das Ergebnis: Die Bebenwellen müssen im Marsmantel durch zahlreiche, bis zu vier Kilometer große Gesteinsbrocken gestreut werden. „Das Muster dieser Störungen deutet darauf hin, dass diese Mantel-Heterogenitäten nicht regional sind, sondern gleichmäßig über das Innere des Planeten verteilt sind“, schreibt das Team.
Im Mantel des Mars gibt es bis zu vier Kilometer große Trümmerbrocken abweichender Zusammensetzung.© NASA/JPL-Caltech
Der Marsmantel ist demnach voller kilometergroßer Anomalien – riesigen Gesteinsbrocken, deren Zusammensetzung sich vom umgebenden Marsmantel unterscheidet. Die Größenverteilung dieser Brocken folgt dabei einem auffälligen Muster: „Was wir hier sehen, ist eine fraktale Verteilung, die typischerweise dann entsteht, wenn ein Objekt durch eine kataklysmische Kollision zerstört wird“, erklärt Charalambous‘ Kollege Thomas Pike. Ein solches Muster zeigt sich beispielsweise auch, wenn ein Glas zu Boden fällt und zerbricht: Es gibt einige große Scherben und viele kleine.
Trümmer früher Kollisionen
Die Planetenforscher schließen daraus, dass auch die riesigen Trümmerteile im Marsmantel durch energiereiche Kollisionen entstanden – gewaltige Einschläge in der Frühzeit des Planeten. „Die meisten davon ereigneten sich wahrscheinlich innerhalb der ersten rund 100 Millionen Jahres des jungen Mars“, erklärt Charalambous. In dieser Zeit wurden die inneren Planeten – auch die Erde – von einer Vielzahl von bei der Planetenbildung übriggebliebenen Brocken getroffen.
Auf der Erde wurden die Reste dieser frühen Einschläge durch die Plattentektonik schnell mit dem Material des Erdmantels vermischt. Die starke Konvektion im Erdinneren sorgt dafür, dass die Spuren dieses frühen Bombardements heute kaum noch erhalten sind. Beim Mars ist dies jedoch anders: Unser kleinerer Nachbarplanet hat keine Plattentektonik, sein Mantel ist von einer geschlossenen, weitgehend unbeweglichen Kruste überzogen. Die Konvektionsströmungen im Marsmantel sind zudem nur schwach.
„Dadurch hinterließen diese Einschläge Materialbrocken, die sich bis heute in ihrer Zusammensetzung vom Rest des marsianischen Mantelmaterials unterscheiden“, erklärt Charalambous.
Die Trümmerbrocken im Marsmantel stammen wahrscheinlich von gewaltigen Einschlägen in der Frühzeit des Mars. © Vadim Sadovski / Imperial College London
Zeitzeugen aus der Frühzeit des Sonnensystems
Die Trümmerbrocken im Marsmantel sind damit wertvolle Zeitzeugen aus der Frühzeit unseres Sonnensystems. Denn sie verraten, wie intensiv das Bombardement war, dem die jungen Planeten vor fast 4,5 Milliarden Jahren ausgesetzt waren. „Die nach den Einschlägen erstarrte Kruste des Mars hat diese uralten Strukturen wie in einer planetaren Zeitkapsel konserviert“, sagt Charalambous. „Dies verrät uns auch, wie träge sich das Marsinnere seitdem verhält.“
Nach Ansicht der Planetenforscher eröffnet ihre Entdeckung damit ein einzigartiges Fenster in die Frühgeschichte und geologische Entwicklung terrestrischer Planeten. Denn das frühe Bombardement hat Mars, Erde und Venus entscheidend geprägt. „Damit sind diese Ergebnisse auch wichtig, um die Voraussetzungen für lebensfreundliche Welten im Sonnensystem und darüber hinaus zu verstehen“, konstatieren Charalambous und seine Kollegen. (Science, 2025; doi: 10.1126/science.adk4292)
Quelle: Science, Imperial College London, NASA Jet Propulsion Laboratory
1. September 2025
– Nadja Podbregar