OBM mach mal! So viele Aufträge, bei Bund und Land vorstellig zu werden, wie in dieser Stadtratsperiode gab es wohl noch nie. Aber es stimmt eben auch: Viele Themen, die in Leipzig brennen, können nur auf Bundes- und Landesebene gelöst werden. Auch das Thema soziale Wohnraumförderung, wo es seit Jahrzehnten klemmt. Und so gab es am 27. August wieder einen Grünen-Antrag im Stadtrat, der OBM Burkhard Jung aufforderte, bei Bund und Land vorstellig zu werden.
Ein Antrag, der übrigens die sofortige Unterstützung der Verwaltung erhielt. Denn Bürgerumfrage um Bürgerumfrage bestätigt, dass das bezahlbare Wohnen zum wichtigsten Thema für die Leipzigerinnen und Leipziger geworden ist.
Die Stadt müsste nach eigenen Berechnungen jedes Jahr rund 1.400 geförderte Wohnungen bauen, um den Bedarf überhaupt zu decken. Aber das bräuchte über 70 Millionen Euro an Förderung, die Leipzig nicht bekommt, wie auch Linke-Stadträtin Juliane Nagel betonte.
Die hatte zwar ein kleines Hühnchen zu rupfen mit den Grünen, weil die einen Antrag der Landtagsfraktion der Linken zum sächsischen Landeshaushalt nicht unterstützt hatten, der mehr Geld für die Wohnraumförderung zum Ziel hatte.
Doch Linke und Grüne saßen bei den sächsischen Haushaltsverhandlungen eher am Katzentisch und mussten beide so manche Abstriche machen, um wenigstens einige ihrer Anliegen mit in den sächsischen Landeshaushalt zu bekommen.
Das brennende Thema Mietpreisbindung
Aber beim Antrag der Grünen, den am 27. August der Fraktionsvorsitzende Dr. Tobias Peter einbrachte, ging es um mehr. Zum Beispiel um die Mietpreisbindung der teuer geförderten Wohnung, die in der Regel nach 15 oder 20 Jahren endet.
Dr. Tobias Peter (Bündnis 90 / Die Grünen), Foto: Benjamin Weinkauf
Im Grünen-Antrag heißt es dazu: „Es fallen immer mehr Sozialwohnungen in Leipzig und anderen Städten aus der Bindung, soll heißen: Sozialwohnungen, die in den 1990er und 2000er Jahren errichtet und mit vielen Millionen Euro seitens des Staates gefördert wurden, fallen jetzt, 15 bis 20 Jahre nach der Errichtung, aus der Mietpreisbindung. Sie werden nun am sogenannten freien Wohnungsmarkt – eben frei, soll heißen: teurer – vermietet. Staatliche Fördermilliarden verpuffen damit einfach nach 15 bis 20 Jahren.
Der Effekt: Die geförderten Sozialwohnungen nehmen zahlenmäßig in Leipzig insgesamt ab, weil mehr Wohnungen aus der Bindung fallen, als neue nachgebaut werden. Und genau dieser Effekt ist auch in Deutschland insgesamt zu beobachten: Die befristete Belegungsbindung führte in den vergangenen 20 Jahren zu einer stetigen Abnahme der Sozialwohnungen.
Obwohl Bund und Länder in 2024 zusammen über 5 Mrd. € für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt haben, gibt es zurzeit deutschlandweit nur noch rund 1 Mio. Sozialwohnungen, 2014 waren es noch 1,5 Mio. und 2006 sogar noch 2 Mio. Sozialwohnungen.“
Das heißt: Das Bestreben des Bundes, der seit 2017 endlich wieder sozialen Wohnraum fördert, führt am Ende eben doch dazu, dass geförderte Wohnungen nach einiger Zeit in Menge wieder vom Markt verschwinden.
Die Förderung ist viel zu gering
So richtig Kritik am Antrag der Grünen gab es eigentlich nicht. Das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung hatte eigentlich einen gänzlich zustimmenden Verwaltungsstandpunkt geschrieben:
„Das Ansinnen des Antrages zur Verbesserung der Sozialen Wohnraumförderung mit Blick auf die Nachhaltigkeit/Langfristigkeit der Mietpreis- und Belegungsbindungen wird von der Verwaltung grundsätzlich geteilt. Um entsprechende Veränderungen in der Ausgestaltung der Wohnraumförderung zu erwirken, soll der Oberbürgermeister beauftragt werden, sich zum einen beim Bund als auch beim Freistaat Sachsen einzusetzen.
Der VSP unterscheidet dabei in finanzielle und inhaltliche Forderungen gegenüber den zuständigen Stellen sowie in kurzfristigen, unter den bestehenden Rahmenbedingen des Wohnraumfördergesetzes möglichen sowie langfristiger, grundsätzlicher Neuaufstellung der Förderung.“
Und auch die von Juliane Nagel genannten Zahlen bestätigte die Stadt: „Die Mittelausstattung der Sozialen Wohnraumförderung für Leipzig entspricht seit Wiedereinführung des Programms in 2017 nicht den tatsächlichen Fördermittelbedarfen der Stadt Leipzig. Die jährlich vom Freistaat bereitgestellten Finanzmittel in Höhe von ca. 25 Mio. EUR liegen weit unter den jährlich beantragten Fördermitteln in Höhe von ca. 70 Mio. EUR.“
Der Freistaat müsste also deutlich höher zusätzlich aufstocken, damit die Mittel tatsächlich für die beantragten Bedarfe reichen.
Wie lange soll die Bindung gelten?
Nur wie ist es mit der langfristigen Bindung des geförderten Wohnraums? Ist die so einfach möglich? Schwierig, sagt die Stadt: „Der Förderung steht also eine konkrete Gegenleistung gegenüber. Soll die zu erbringende Gegenleistung sich erhöhen (d. h. der Zeitraum für die Mietpreis- und Belegungsbindung sich verlängern), müsste dieser eine entsprechende Erhöhung der Leistung (d. h. der Fördersumme) gegenüberstehen. Hierfür stehen jedoch bei weitem nicht genügend Mittel zur Verfügung. Die Festlegung einer dauerhaften Mietpreis- und Belegungsbindung ohne entsprechende Gegenleistung wurde zudem bereits mit den BGH-Urteilen vom 26.06.2015 und 08.02.2019 ausgeschlossen.“
Aber man könne ja an ein paar anderen Schrauben drehen: „Aus Sicht der Verwaltung wäre hier die (Wieder)einführung einer effizienten Wohnungsgemeinnützigkeit das wesentliche Instrument um sich von der Logik des zeitlich befristeten Ankaufs von Miet- und Belegungsrechten zugunsten einer Dauerhaftigkeit und Stabilität bezahlbaren Wohnraums zu lösen.“
Ein Thema, das auch Tobias Peter wichtig fand. Denn bezahlbares Wohnen ist nun einmal per se gemeinnützig. Also müssten Anbieter bezahlbaren Wohnraums dafür auch belohnt werden.
Ich fahre!
Diskutiert wurde am 27. August eher darum, ob das so ein Thema für den Stadtrat wäre und der sich nicht übernehmen würde, wenn er den OBM nach Dresden und Berlin schickt. Aber das sah selbst Burkhard Jung anders, der aus seiner Arbeit im Deutschen Städtetag und im Sächsischen Städte- und Gemeindetag weiß, dass die Kommunen sehr wohl ein Wörtchen mitzureden haben, wenn auf Bundes- und Landesebene Gesetze zur Wohnraumförderung gemacht werden. Eine Unterstützung mit einem Leipziger Stadtratsbeschluss kann da nur helfen.
Und während FDP-Stadtrat Sven Morlok als ehemaliger sächsischer Wirtschaftsminister betonte, dass seine Partei überhaupt nicht für Objektförderung bei sozialem Wohnraum sei, weil sie strikt für Subjektförderung wäre, betonte Jung, dass er für beide Förderungen wäre. Denn wenn es nun einmal an bezahlbarem Wohnraum fehlt, greift natürlich die Subjektförderung – die aber viel teurer werden kann, wenn die Mieten in den Großstädten aus dem Ruder laufen.
Aber noch vor der Abstimmung betonte Jung, dass er natürlich den Auftrag natürlich annehme. „Ich fahre!“ Der von Tobias Peter zur Abstimmung gestellte Verwaltungsstandpunkt bekam dann auch eine klare Mehrheit von 36:19 Stimmen bei 10 Enthaltungen.